OGH 7Ob105/15i

OGH7Ob105/15i2.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B***** F*****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Kurt Ehninger, Rechtsanwalt in Linz, wegen 22.092,84 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. März 2015, GZ 12 R 14/15p‑29, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 7. Jänner 2014, GZ 28 Cg 63/13y‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin enthalten 221,64 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und ihr Ehemann sind Miteigentümer einer Liegenschaft. Der Ehemann der Klägerin schloss mit der Beklagten am 2. 5. 2010 eine Eigenheimversicherung ab. Dem Versicherungsvertrag liegt unter anderem die Klipp und Klar‑Bedingung für die Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung Deckungsvariante „Optimal“ (in der Folge ZGEO) FF 81 (7/2009) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lautet:

Deckungsumfang, Sicherheitsvorschriften Sachversicherung

Was ist versichert? ‑ Artikel 1

Versichert sind

. Ein‑ oder Zweifamilienhäuser ...

. die unter Erdniveau befindlichen Fundamente und Grundmauern, tragende Kellermauern und sonstige Baubestandteile, wie zB Elektro‑, Gas‑ und Sanitärinstallationen, Wasserver‑ und ‑entsorgungsanlagen samt dazugehörigen Messgeräten, Heizungs‑ und Sanitäranlagen, Luftwärmepumpen, Erdwärmepumpen, Markisen, Rollläden und Außenjalousien;

. auf dem Versicherungsgrundstück

‑ Gas‑ und Heizöltanks ...

‑ Erdkabel und Hauswasserpumpen

‑ Zu‑ und Ableitungsrohre und Mischwasserkanäle,

...

Welche Gefahren sind versichert? ‑ Artikel 3

...

3. Leitungswasser

ist Wasser in Zu‑ und Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder angeschlossener Einrichtungen (wie zB Warmwasserversorgungs‑, Zentralheizungs‑, auch Fußbodenheizungs‑ und Schwimmbadversorgungsanlagen).

...

Deckungsvariante 'Grunddeckung'

Versichert sind Schäden durch

. Austreten von Leitungswasser, auch wenn es mit Frostschutzmittel versetzt ist, aus den vorgenannten Rohren und Einrichtungen;

...

Nicht versichert sind

. Schäden durch Grund‑ oder Hochwasser, durch Wasser aus Witterungsniederschlägen oder dadurch verursachten Rückstau ...“

Auf der Liegenschaft der Ehegatten F***** wurden im Zuge des Hausbaus im Jahr 2008 ein System zur Regenwassernutzung und ein System zur Luftvorwärmung installiert. Das System zur Regenwassernutzung sammelt Regenwasser der Dachflächen und leitet es über Dachrinnenrohre in eine Regenwasserzisterne. Von dort gelangt es durch eine Zuleitung in den Wasserkreislauf des Wohnhauses und wird für die Brauchwasserversorgung (WCs) verwendet. Ist nicht genügend Regenwasser in der Zisterne, schaltet die Steuereinheit auf die Ortswasserleitung um.

Für das davon unabhängige System der Luftvorwärmung wird über ein im Erdreich verlegtes Rohr Außenluft angesaugt. Durch das Erdreich wird im Winter diese Luft erwärmt, im Sommer wird sie abgekühlt. Die Außenluft wird zu einem Wärmetauscher geführt und ins Haus übertragen.

Durch einen Defekt an der Steuerung der Brauchwasseranlage wurde die unrichtige Information weitergegeben, dass die Zisterne kein Regenwasser führt. Dadurch wurde trotz gefüllter Regenwasserzisterne auf die Ortswasserleitung umgeschaltet und der Brauchwasserbedarf durch Trinkwasser gedeckt. In der Folge langte Regenwasser über den Überlauf der Zisterne ständig in die Rollierung an der Stirnseite des Schwimmbades und von dort über den der Ableitung des Kondenswassers dienenden Siphon in die Zuluftleitung, wodurch ein Defekt an der Erdwärmetauscherheizung entstand. Ursache für das Schadensbild waren eine verstärkte Ableitung von Regenwasser in die Rollierung aufgrund eines Steuerungsfehlers der Brauchwasseranlage, eine zu geringe Durchlässigkeit der Schotterschicht der Rollierung, das Eindringen von Regenwasser in das Erdregister über die Kondensatableitung aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe und eine Fehlfunktion der Kondensatableitung. Es handelte sich um keinen Defekt oder Bruch in den Zu‑ und Ableitungsrohren der Wasserversorgungsanlage.

Die Aufwendungen für die Reparatur der Brauchwasseranlage, die Sanierung der Außenanlage und der haustechnischen Anlage sowie für den Einbau eines neuen Erdwärmetauschers betrugen 22.092,84 EUR. Der Ehemann der Klägerin trat seine Ansprüche und Forderungen betreffend dieses Schadenereignis zur gerichtlichen Geltendmachung und zum Inkasso an die Klägerin ab.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 22.092,84 EUR sA. Aufgrund eines Defekts an der Steuerung der Brauchwasseranlage sei Wasser über den Überlauf der Zisterne in die Schotterrollierung beim Schwimmbad gelangt. Von dort sei es über den ebenfalls dort befindlichen Siphon in die Ansaugleitung der Wohnraumbelüftung gekommen und habe einen Defekt an der Erdwärmetauscherheizung verursacht. Das Austreten von Wasser aus Zu‑ und Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder angeschlossener Einrichtungen sei in der Deckungsvariante „Optimal“ mit Leitungswasser‑Vollschutz versichert.

Die Beklagte bestreitet. Ein versichertes Risiko sei hier nicht eingetreten. Eine Haftung für Wasserschäden als Folge von Konstruktionsfehlern bestünde nicht. Die defekte Steuerung sei zusammen mit einer mangelhaften Drainageleitung ursächlich für eine Flutung der Zuluftleitung und des Erdwärmetauschers gewesen. Derartige Schäden seien nicht gedeckt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Leitungswasserversicherung decke nur Schäden durch Austreten von Leitungswasser aus leitungswasserführenden Rohren, nicht jedoch von Regenwasser aus Dachrinnen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das System der Regenwassernutzung falle grundsätzlich in den versicherten Bereich. Es müsse sich allerdings auch eine versicherte Gefahr verwirklichen. Ab dem Zeitpunkt der Einspeisung des gesammelten Regenwassers in das Hausleitungssystem sei von Leitungswasser im Sinne der Versicherungsbedingungen auszugehen. Allein das Auffangen in den Dachrinnenrohren genüge dafür nicht, wenn das Wasser in weiterer Folge gar nicht in die Hausleitung gelange, sondern überlaufe und in der Schotterrollierung versickere. Ein dadurch verursachter Rückstau und eine Durchfeuchtung des Erdreichs könne nicht mehr als Schaden durch Austreten von Leitungswassern aus Zu‑ und Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder angeschlossener Einrichtungen beurteilt werden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, da zur Frage der Schnittstelle, ab wann Niederschlagswasser zu Leitungswasser werde, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin beruft sich in der Revision nur mehr darauf, dass der geltend gemachte Schaden durch Austreten von Leitungswasser verursacht worden sei, sodass Versicherungsschutz aufgrund Art 3.3 ZGEO bestehe. Auf die von den Vorinstanzen verneinte Deckungspflicht der Beklagten im Rahmen des Ökobausteins FC 36 kommt sie hingegen nicht zurück.

2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS‑Justiz RS0050063 [T71], RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS‑Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901).

3.1 Die Versicherung gegen Leitungswasser bietet Schutz gegen jene Schäden, die durch den Austritt von Leitungswassern aus Rohren oder angeschlossenen Einrichtungen entstehen. Sie ist eine Sachversicherung, die dem Erhalt des Gebäudes, sohin des Eigentums des Versicherungsnehmers dient (7 Ob 176/12a).

Der Begriff des Leitungswassers wird als Wasser in Zu‑ oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder angeschlossenen Einrichtungen definiert. Über den Zustand des Wassers ist dabei nichts näheres gesagt, wobei aber daraus, dass von Wasser in Ableitungsrohren die Rede ist, verdeutlicht wird, dass es sich nicht um Trinkwasser handeln muss.

Die deutsche Lehre vertritt zur insoweit vergleichbaren Bedingungslage, dass Regenabfluss‑ und Drainagerohre keine Zu‑ oder Ableitungsrohre der Wasserversorgung sind, soweit mit ihnen nicht auch gebrauchtes Wasser abgeleitet oder Regenwasser der häuslichen Verwendung zugeführt wird ( Knappmann in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsgesetz 29 VHB A. § 4 Rn 4; Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski VVG 2 VGB 2008 § 3 Rn 8; Johannsen in Terbille/ Höra Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3 § 6 Rn 11). Wasser, das aus einem undichten Regenfallrohr austritt, bevor dieses in ein Abwasserrohr einmündet, ist kein Leitungswasser, weil das Regenfallrohr nicht der Wasserversorgung dient. Erst von der Stelle an, ab der das Regenfallrohr in das Abwasserrohr einmündet, kann von Leitungswasser gesprochen werden ( Armbrüster in Prölss/Martin , Versicherungsvertragsrecht 29 VGB 2010 A. § 3 Rn 8, Hoenicke in Veith/Gräfe, Versicherungsprozess 2 § 2 Rn 102). Eine angeschlossene Einrichtung ist jedes Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt und dauernd durch eine Zuleitung oder durch eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden ist (vgl Martin Sachversicherungsrecht 3 E I Rn 35; Rüffer aaO § 3 Rn 9).

Regenrinnen dienen dem Abtransport des aufgefangenen Regenwassers. Zisternen sind unterirdische oder abgedeckte Sammelbehälter für Trink‑ oder Nutzwasser. Im vorliegenden Fall wird über die Dachrinnen Dachflächenwasser in die Zisterne geleitet und damit zugeleiteter Niederschlag gesammelt. Insoweit besteht zunächst kein Unterschied zu einem Sammelbehältnis in das über eine Regenrinne Regenwasser beispielsweise allein für die Gartenwässerung gesammelt wird. Erst über das Zuleitungsrohr, das das Haus mit dem Wasser aus der Zisterne versorgt, wird dieses in die Wasserversorgung eingespeist und einer häuslichen Verwendung zugeführt.

3.2 Dahingestellt bleiben kann, ob die Zisterne eine Einrichtung nach Art 3.3 ZGEO ist. Sie ist nämlich so konstruiert, dass überschüssiges Wasser als Überlauf zur Versickerung in die Schotterrollierung abgeleitet wird. Es wird überhaupt nicht in die Zisterne eingespeist, weil sofort die Ableitung in die Rollierung erfolgt. Überschüssiges Wasser ist daher schon von der Konzeption der Anlage her nicht für die Wasserversorgung des Hauses vorgesehen. Es gelangt nämlich aus den Regenrinnen weder in das Leitungssystem noch in eine an dieses angeschlossene Einrichtung.

3.3 Entspricht aber das bei gefüllter Zisterne erfolgte Ableiten des überschüssigen Wassers in die Rollierung gerade der geplanten Konstruktion, dann liegt auch kein Wasseraustritt im Sinn des Art 3.3 ZGEO vor.

Die Bedingung, dass nur „Schäden durch Austritt von Leitungswasser“ versichert sind, kann ein verständiger Versicherungsnehmer nämlich nur dahin verstehen, dass Versicherungsschutz ausschließlich dann besteht, wenn das Wasser bestimmungswidrig austritt. Das heißt, wenn das Wasser entgegen den Planungen und dem Willen des Versicherungsnehmers an nicht dafür vorgesehenen Orten auftritt oder keine bestimmungsgemäße Verwendung vorliegt. Der Austritt von Leitungswasser aus führenden Installationen muss also unbeabsichtigt passiert sein.

4. Der Revision war daher keine Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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