OGH 8ObA49/19t

OGH8ObA49/19t18.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vorsitzende Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. phil. C*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun, Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2019, GZ 10 Ra 99/18d-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00049.19T.1118.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag vereinbart wurde, kann immer nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0111914 [T6, T13]). Dabei ist weder auf die Bezeichnung durch die Parteien noch die Gestaltung des (schriftlichen) Vertrags, sondern auf die allenfalls davon abweichende tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses abzustellen (RS0111914). Hat das Berufungsgericht – wie hier – seiner Entscheidung die vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung judizierten Abgrenzungskriterien zugrunde gelegt, liegt – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor (9 ObA 53/04s uva).

2.1 Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verneint. Dabei ist es davon ausgegangen, dass nach den Feststellungen der Kläger bei seiner Tätigkeit als Lektor weder Weisungen der Beklagten noch deren Kontrolle unterlag und nur sehr lose in die Organisation ihres Betriebs eingebunden war. Die vom Kläger abgehaltene Lehrveranstaltung, die der Begleitung einer Vorlesung diente, war zeitlich und örtlich seinem Wunsch entsprechend festgelegt worden und auch deren Gestaltung war – abgesehen vom durch die Vorlesung vorgegebenen Thema – ihm überlassen. Nach seinem Ermessen konnte er sich bei Verhinderung von einem anderen Lektor vertreten oder aber den Termin nachholen oder entfallen lassen.

2.2 Der Kläger bezweifelt in seiner Revision auch nicht weiter, dass diese vom Berufungsgericht herangezogenen Merkmale im Rahmen einer Gesamtbetrachtung überwiegend gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen (vgl RS0021306; RS0021284). Vielmehr meint er, in seinem Fall sei in Abkehr von der bisherigen Beurteilungsweise nicht von dem tatsächlich Gelebten auszugehen. Da die Beklagte den Kläger einen „echten“ Dienstvertrag habe unterfertigen lassen, habe sie den Kläger freiwillig bessergestellt und ihm den mit einem Arbeitsverhältnis einhergehenden Arbeitnehmerschutz gewährt, sich also vor allem dem Verbot von Kettenarbeitsverträgen unterworfen.

Diese Argumentation überzeugt schon deshalb nicht, weil feststeht, dass die „Rückkehr“ zu einem Arbeitsvertrag mit Wintersemester 2017/2018, nachdem der Kläger und die Beklagte bereits im Wintersemester 2016/2017 und im Sommersemester 2017 schriftlich auch als solche bezeichnete und ausgestaltete freie Dienstverträge abgeschlossen hatten, lediglich auf ein Versehen zurückzuführen war. Von einer vom Willen der Beklagten getragenen Besserstellung des Klägers kann daher keine Rede sein.

3. Der Kläger versucht zwar unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, diese Feststellung noch in dritter Instanz zu bekämpfen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist jedoch mangelfrei, wenn es sich – wie hier – mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RS0043150). Vom Revisionsgericht ist hingegen nicht zu überprüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist (RS0043150 [T5]).

4.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind jene arbeitsrechtlichen Normen, die gerade den sozial Schwächeren schützen sollen, so auch das in der Regel bestehende Verbot von Kettenarbeitsverträgen, auf den freien Dienstvertrag nicht analog anwendbar (RS0021758; 9 ObA 127/03x). Auf die vom Rechtsmittelwerber vor europarechtlichem Hintergrund angestellten Überlegungen zur Unzulässigkeit der mehrmaligen Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge an Universitäten in Österreich muss daher nicht eingegangen werden.

4.2 Das vom Kläger angeregte Vorabentscheidungsverfahren erweist sich ebenso als entbehrlich, weil die von ihm formulierte Vorlagenfrage unter der Prämisse steht, dass ihm durch die Annahme eines freien Dienstvertrags nachträglich der mit einem Arbeitsvertrag verbundene Arbeitnehmerschutz entzogen worden wäre. Entgegen der Meinung des Klägers haben die Vorinstanzen sein Dienstverhältnis aber von Beginn an als freien Dienstvertrag qualifiziert, sodass die mit dem Schutz des sozial Schwächeren verbundenen Bestimmungen nie darauf Anwendung fanden.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte