OGH 1Ob184/19v

OGH1Ob184/19v23.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M* H*, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Antragsgegner S* H*, vertreten durch Mag. Thomas Deuschl, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. August 2019, GZ 15 R 225/19t‑60, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt vom 24. April 2019, GZ 1 Fam 3/17a‑56, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126743

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Mitwirkung im Erwerb des anderen (und damit die Arbeitsleistung für das Unternehmen des anderen) ist – soweit sie nicht anders abgegolten wurde (vgl § 98 ABGB) – ebenso wie „mittelbare Beitragsleistungen“ durch Haushaltsführung, Kindererziehung und Pflegeleistung bei der Festlegung des Aufteilungsschlüssels nach § 83 EheG zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0131859). Die nicht anders abgegoltene Mitwirkung im Erwerb des Mannes (hier: in seinem landwirtschaftlichen Betrieb) ist gemäß § 83 Abs 2 EheG als Beitrag der Frau zu werten.

Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels ist eine Frage des Einzelfalls, die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur im Fall einer aufzugreifenden – hier nicht vorliegenden – Fehlbeurteilung rechtfertigen könnte (RS0108756). Eine Ausgleichszahlung ist nicht mit (scheinbar) mathematischer Genauigkeit festzusetzen (RS0113732 [T4]). In welcher Höhe sich dieser Ausgleich im Rahmen der Aufteilung zu bewegen hat, ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu entscheiden.

1.2. Eine Verquickung der Ansprüche nach § 98 ABGB und §§ 81 ff EheG, um einen Wertausgleichsanspruch zu konstruieren, scheitert an den unterschiedlichen gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen (RS0009597). Allfällige Abgeltungsansprüche aus dem Titel der Mitwirkung im Erwerb des anderen beruhen auf einer eigenen Rechtsgrundlage (§ 98 ABGB) und können daher den Ausgleichsanspruch des durch die Vermögensaufteilung „benachteiligten Ehegatten“ nicht unmittelbar (rechnerisch) erhöhen (vgl 8 Ob 695, 696/87). Feststellungen zur Bemessung des Anspruchs der Frau nach § 98 ABGB (oder gar eines Entgelts wie das einer Dienstnehmerin in der Landwirtschaft) sind daher – worauf bereits das Rekursgericht ohne Fehlbeurteilung hinwies – für das Aufteilungsverfahren nicht maßgeblich. In diesem kann nicht mehr verteilt werden als die zum Trennungszeitpunkt vorhandene eheliche Errungenschaft.

1.3. Beide Parteien arbeiteten in der im Eigentum des Mannes stehenden Landwirtschaft mit, wobei der Mann daneben immer 40 Stunden (pro Woche) berufstätig war. Er half in der Landwirtschaft während seines Urlaubs und teilweise am Abend mit. Jedenfalls wurde mehr als die Hälfte der Arbeitstätigkeit von der Frau geleistet. Nachdem 2005 auch das jüngste Kind die Schule besucht hatte, begann sie neben der Hofführung auswärts zu arbeiten und war rund 15 bis 20 Stunden wöchentlich als Putzkraft tätig.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ihre umfangreichen Beiträge im Sinn des § 83 EheG, nämlich ihre intensive Mitarbeit im Betrieb des Mannes (mehr als er), die Führung des gemeinsamen Haushalts und die Kindererziehung, dadurch bei der Ermittlung der Aufteilungsquote zu berücksichtigen sind, dass zu ihren Gunsten von einem Aufteilungsschlüssel von 2:1 auszugehen ist, ist nicht korrekturbedürftig. Die Vorinstanzen wiesen daher der Frau unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Billigkeit nach § 83 Abs 1 EheG zwei Drittel des Werts der ehelichen Ersparnisse und des während der ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffenen ehelichen Gebrauchsvermögens als Ausgleichszahlung zu. Entgegen ihrer Ansicht ist eine nach § 98 ABGB bemessene Vergütung ihrer Arbeiten in der Landwirtschaft nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens, sondern nur die Berücksichtigung ihrer Mitwirkung im Erwerb des anderen im Rahmen der Billigkeit. Da der Mann durch seine Berufstätigkeit auch einen entsprechenden Anteil zum (während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft) erwirtschafteten Vermögen beitrug, kommt es nicht in Betracht, ihr – wie offenbar angestrebt – den gesamten Wert der Aufteilungsmasse zuzuteilen.

2. Prozesskosten des Scheidungsverfahrens, die ihr der Mann schuldete, haben grundsätzlich keinen Bezug zur nachehelichen Vermögensaufteilung (vgl 1 Ob 19/12v). Die Revisionsrekurswerberin übersieht offenbar, dass der Ermittlung der ihr gebührenden Ausgleichszahlung die zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorhandenen Vermögenswerte zugrundezulegen waren. Eine nachträgliche Verwendung ehelicher Ersparnisse durch den Mann zur Abdeckung später entstandener Schulden – die im Übrigen gar nicht besteht – könnte an den maßgeblichen Parametern (und damit am Ergebnis der Aufteilung) gar nichts mehr ändern.

3. Einer weiteren Begründung – insbesondere zur relevierten Mangelhaftigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens und einer zwar behaupteten, aber nicht näher ausgeführten Aktenwidrigkeit – bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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