OGH 5Ob146/19k

OGH5Ob146/19k22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin J*****, vertreten durch Dr. Thomas Marschall, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin 1*****, vertreten durch Milchrahm Stadlmann Rechtsanwälte OG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 2019, GZ 40 R 55/19p‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00146.19K.1022.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Weitergaberechts schließt nach der Rechtsprechung das Recht des Vermieters zur Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 1 oder Abs 3 MRG aus (RIS-Justiz RS0104322; RS0070331).

2. Punkt XII. erster Absatz des 1998 geschlossenen Mietvertrags berechtigte die Mietergesellschaft, die Mietrechte an eine mehrheitlich zur *****-Unternehmensgruppe gehörende Gesellschaft ohne Anhebung des Mietzinses gemäß § 12a MRG zu übertragen.

3. Fragen der Vertragsauslegung begründen nur im Fall eines nicht vertretbaren Ergebnisses eine erhebliche Rechtsfrage (RS0042936 ua), was hier nicht zutrifft.

4. Die Auslegung einer Vertragsklausel orientiert sich nach der Rechtsprechung vorrangig an der dem Erklärungsempfänger erkennbaren Absicht des Erklärenden (RS0017915 [T2, T27] ua).

5. Nach den Feststellungen war der Vermieterin aufgrund der umfangreichen Verhandlungen über diesen Vertragspunkt bekannt, dass sich die genannte Unternehmensgruppe im Umbruch befand, künftige gesellschaftsrechtliche Änderungen im Detail aber noch nicht geklärt waren und die Mieterin mehrere Hundert Millionen Schilling in die Erweiterung der Geschäftsräume investieren wollte. Im Gegensatz zum Altmietvertrag aus 1967 wurde nicht der Begriff „Konzern“, sondern die nach den Vorstellungen der Mieterin umfassendere Bezeichnung *****‑Unternehmensgruppe verwendet, um auch gesellschaftsrechtliche Verschiebungen im Verhältnis gleichgeordneter Sektoren zu erfassen. Diese – gemessen an der Investitionshöhe und der Unsicherheit über die Art der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen – auf der Hand liegende Absicht der Verhandlungspartnerin, ein Anhebungsrecht bei Verschiebungen nicht nur innerhalb eines so genannten Unterordnungskonzerns mit einheitlicher Konzernleitung (vgl 16 Ok 20/02 mit zahlreichen Nachweisen aus österreichischer und deutscher Lehre zum Konzernbegriff) auszuschließen, musste der Vermieterin bewusst sein. Für ein weites Begriffsverständnis im Sinn der Mieterin spricht auch das Weitergaberecht in Punkt XII. zweiter Absatz des Mietvertrags: Die Vermieterin gestattete sogar (befristet bis 2009) die (nahezu) anhebungsfreie Weitergabe an Dritte. Ein dadurch ermöglichter Mieterwechsel berührt das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter mehr als gesellschaftsrechtliche Veränderungen in der Mietergesellschaft.

6. Die im Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen 5 Ob 100/99p, 5 Ob 199/99y (Folgeentscheidung) und 5 Ob 141/99t beruhen auf anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalten. Sie haben deshalb nicht die von der Antragsgegnerin gewünschte Aussagekraft.

Stichworte