OGH 12Os116/19d

OGH12Os116/19d15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Strafsache gegen Robert D***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. März 2019, GZ 21 Hv 5/19k‑63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00116.19D.1015.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Robert D***** – angeklagedifform – des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2 Z 5 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 18. Juli 2015 in M*****, Italien, im Rahmen eines vorgefassten, mehrphasigen Tatplans mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 9) dazu beigetragen, dass der abgesondert verfolgte Dominik J***** alias Dr. David R***** Monika H***** und Lukas B***** während eines gemeinsamen Restaurantbesuchs rund 72.000 Euro Bargeld sowie zwei Markenuhren im Gesamtwert von 47.400 Euro, welche sich in einem Aktenkoffer unter dem Restauranttisch befanden, wegnahm, indem er Dominik J***** zum Tatort chauffierte, vereinbarungsgemäß vor dem Restaurant auf diesen wartete und diesen unmittelbar nach der Tat samt der Beute Richtung T***** brachte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 8 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Aus Z 8 des § 281 Abs 1 StPO bringt der Beschwerdeführer vor, das Erstgericht habe ohne vorangehende Information des Angeklagten eine von der Anklage abweichende rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts als „Vergehen [...] des schweren Diebstahls als Beteiligter“ vorgenommen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Beschwerdeführer mit Anklageschrift vom 28. Jänner 2019 (ON 38) Verhaltensweisen zur Last gelegt, die sie rechtlich als das – in unmittelbarer Täterschaft begangene – Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB beurteilte.

Danach habe er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Monika H***** und Lukas B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, im Auftrag eines zahlungswilligen und redlichen Kaufinteressenten für die von Monika H***** inserierte Wohnung zu handeln, sowie die Vorgabe, zahlungswilliger und redlicher Interessent für den Ankauf von Uhren im höheren Preissegment zu sein und für diese einen höheren Kaufpreis zuzüglich 20 % Provision zu bezahlen, durch von ihm selbst gesetzte, in der Anklageschrift zu Punkt I./ näher dargestellte Täuschungshandlungen zur Übergabe eines Bargeldbetrags von umgerechnet rund 72.000 Euro zwecks Durchführung eines Devisenwechselgeschäftes und Übergabe je einer Uhr der Marke Rolex Sky‑Dweller im Wert von 31.900 Euro sowie der Marke Audemars Piquet Royal Oak im Wert von 15.500 Euro verleitet. Unter Punkt II./ hatte ihm die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, er habe „am 18. 7. 2015 in M***** den Dominik J*****, nachdem dieser beim Treffen mit Monika H***** und Lukas B***** das Bargeld in Höhe von 75.000 CHF […] sowie die zu Punkt I./2.) genannten Uhren an sich gebracht hatte, als Chauffeur vom Tatort weg und nach T***** [ge]bracht“. Durch die zu I./ und II./ dargestellten Handlungen seien die Opfer in einem Betrag von rund 119.400 Euro geschädigt worden.

In der Anklagebegründung hatte die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass Robert D***** aufgrund der eigenen Täuschungshandlungen gegenüber den Opfern tatbildliche Ausführungshandlungen gesetzt habe und deshalb als unmittelbarer Täter im Sinne des § 12 erster Fall StGB und nicht als Beitragstäter im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zu beurteilen sei (ON 38 S 9).

In der Hauptverhandlung erörterte die Staatsanwältin, dass „es sich beim angeklagten Sachverhalt allenfalls auch um einen schweren Diebstahl nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB“ handeln könnte (ON 62 S 45).

Ein Urteil ist dann nichtig aus § 281 Abs 1 Z 8 StPO, wenn es die Vorschriften der §§ 262, 263 und 267 StPO überschreitet. Gegenständlich kommt eine Verletzung des § 267 StPO bei Abweichungen tatsächlicher Natur und eine solche des § 262 StPO bei Abweichungen rechtlicher Natur in Frage.

Zudem ist – in analoger Anwendung des § 262 StPO – eine dem Schutzzweck dieser Norm entsprechende Information auch bei jeder Änderung der Beteiligungsform erforderlich, obwohl hier nicht einmal eine andere strafbare Handlung – also nicht bloß kein anderes historisches Geschehen, sondern auch keine andere rechtliche Kategorie – vorliegt (11 Os 56/10k; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 545 mwN).

Gegenstand des Vergleichs von Anklage und Urteil nach Maßgabe dieser Bestimmung ist aber nicht die Form, sondern der Inhalt von Anklage einerseits und Urteil andererseits (RIS‑Justiz RS0113755 [T24]; vgl auch Ratz, WK‑StPO Vor §§ 280–296a Rz 5).

Unter Beachtung dieses Maßstabs unterscheidet sich das Strafurteil in Ansehung der Beteiligungsform nicht vom Anklagepunkt II./. Denn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Tatrichter gingen insoweit nicht von einer eigenen Ausführungshandlung des Angeklagten aus (vgl RIS‑Justiz RS0117320), sondern vielmehr davon, dass er am 18. Juli 2015 in M***** den Dominik J*****, nachdem dieser als unmittelbarer Täter beim Treffen mit den Opfern das Bargeld und die Uhren an sich gebracht hatte, als Chauffeur vom Tatort weg und nach T***** brachte (vgl RIS‑Justiz RS0113755 [T25]).

In Ansehung der vom Erstgericht vorgenommenen rechtlichen Beurteilung des angeklagten Sachverhalts als Diebstahl und nicht als Betrug (deren äußere Tatseiten sich nicht überdecken) wurde die sich aus § 262 StPO ergebende Informationspflicht durch die angeführte Erörterung der Staatsanwältin in der Hauptverhandlung hinreichend erfüllt (vgl RIS‑Justiz RS0113755, RS0121419).

Solcherart liegt eine Anklageüberschreitung im Sinn der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO nicht vor.

Die Feststellungen zur Wissens‑ und Wollenskomponente vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an den gerade dazu getroffenen Feststellungen (US 9; RIS‑Justiz RS0099810, RS0099775).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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