European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E125859
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Begründung:
Die Antragstellerin ist die Witwe ihres am * 2016 in Bratislava verstorbenen Ehemanns L* J*, geboren am * 1967. Die Eheleute waren im Grundbuch eingetragene Eigentümer von je 75/1930-Anteilen einer in Österreich gelegenen Liegenschaft und Wohnungseigentumspartner betreffend das mit diesen Anteilen verbundene Wohnungseigentum an einer Wohnung.
Das Verlassenschaftsverfahren fand vor dem Bezirksgericht Trnava statt. In der Erbbescheinigung der von diesem Gericht beauftragten Notarin wurden die Witwe und der Sohn L* J*, geboren am * 1992, als gesetzliche Erben angeführt. Die Notarin bescheinigte den Abschluss einer von den Erben abgeschlossenen Vereinbarung über die Auseinandersetzung der Erbschaft. Unter den darin genannten Nachlassaktiva schien die in Österreich gelegene Eigentumswohnung nicht auf.
Die Witwe stellte beim Erstgericht den Antrag, es möge als zuständiges Grundbuchsgericht mit Beschluss bestätigen, dass ihrem Erwerbsvorgang hinsichtlich des Hälfteanteils ihres verstorbenen Ehemanns an der Eigentumswohnung keine verlassenschaftsgerichtlichen Bedenken entgegenstünden. Zur Begründung brachte sie vor, dass der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG von Gesetzes wegen unmittelbar in ihr Eigentum übergegangen sei. Zur Eintragung im Grundbuch benötige sie eine grundsätzlich vom Verlassenschaftsgericht auszustellende Bestätigung gemäß § 182 Abs 3 AußStrG iVm § 14 Abs 1 Z 5 WEG. Diese Zuständigkeit gehe auf das inländische Grundbuchsgericht über, wenn es im Inland kein Verlassenschaftsgericht gebe.
Das Erstgericht wies den Antrag der Witwe zurück, weil die österreichischen Gerichte gemäß Art 4 der Verordnung (EU) Nr 650/2012 (EuErbVO) nicht zuständig seien. Der Rechtsübergang nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG sei als Rechtsnachfolge von Todes wegen zu qualifizieren und falle deshalb nicht unter die Ausnahme des Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag nicht zurück-, sondern abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Gegensatz zum Erstgericht bejahte das Rekursgericht (in den Gründen) die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, wobei es sich einerseits auf die Ausnahmebestimmung des Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO, andererseits auf nationale Regelungen stützte. Zuständig für die Ausstellung der Amtsbestätigung sei daher gemäß § 14 Abs 7 WEG das österreichische Grundbuchsgericht. Der Antrag sei jedoch abzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Ausstellung der Amtsbestätigung, insbesondere die Beendigung des infolge eines möglichen Verzichts der Antragstellerin bestehenden Schwebezustands, nicht durch Urkunden iSd §§ 26 ff GBG nachgewiesen worden seien.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den dem Grundbuchsgericht durch § 14 Abs 7 WEG auferlegten Pflichten fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem sie die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Stattgebung ihres Antrags begehrt. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichts; er ist auch berechtigt im Sinne des Eventualantrags.
1. Mit Beschluss vom 25. 9. 2018 stellte der Oberste Gerichtshof den Akt dem Erstgericht zur Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts und des Revisionsrekurses an den Miterben zurück (2 Ob 159/17x). Dieser verzichtete in der Folge ausdrücklich auf ein Rechtsmittel.
Der Oberste Gerichtshof ist an die somit in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Rekursgerichts über die internationale Zuständigkeit gebunden (2 Ob 159/17x mwN), sodass eine – im Revisionsrekurs als „wünschenswert“ erachtete – Äußerung zu diesem Thema nicht mehr in Frage kommt. Auch ein ohne diese Bindung allenfalls gebotenes Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof ist damit obsolet.
Dass auf die Beurteilung des Rechtsübergangs auf die Witwe jedenfalls österreichisches Recht Anwendung findet, wurde in der Entscheidung 2 Ob 159/17x ebenfalls bereits klargestellt. Entgegen dem missverständlichen Leitsatz in ZfRV‑LS 2018/61 hat es der Senat in dieser Entscheidung offen gelassen, ob die EuErbVO auch den Erwerb nach § 14 WEG erfasst. Trifft das wegen der Anwendbarkeit der Ausnahme nach Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO nicht zu, ergibt sich die Anwendung von § 14 WEG aus dem nationalen Kollisionsrecht (2 Ob 104/17h: Eingriffsnorm).
2. Nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG idF BGBl I 87/2015 gilt beim Tod eines Partners für den Anteil des Verstorbenen – unter Ausschluss sonstigen Erwerbs von Todes wegen, aber vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – dass der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum von Gesetzes wegen unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners übergeht. Nach Z 2 dieser Bestimmung tritt der Eigentumsübergang jedoch nicht ein, wenn der überlebende Partner innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf ihn verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, aufgrund derer der Anteil des Verstorbenen einer anderen Person zukommt. § 14 Abs 1 Z 5 WEG regelt weiters, dass dann, wenn der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen erwirbt oder dieser Anteil aufgrund einer Vereinbarung auf eine andere Person übergeht, für die Eintragung in das Grundbuch § 182 Abs 3 AußStrG sinngemäß gilt.
3. Die in den voranstehenden Absätzen dem Verlassenschaftsgericht zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse kommen nach der durch das ErbRÄG 2015 angefügten Bestimmung des § 14 Abs 7 WEG dann, wenn eine Verlassenschaft im Ausland abgehandelt wird, dem Grundbuchsgericht zu. Die Materialien (688 BlgNR 25. GP 49) legen dazu dar, dass die Zuständigkeit für die in § 14 Abs 1 Z 3 WEG vorgesehene öffentliche Feilbietung und die in § 14 Abs 5 Z 1 WEG geregelte Fristsetzung durch das Verlassenschaftsgericht dann, wenn es wegen der EuErbVO kein inländisches Verlassenschaftsgericht gibt, auf das Grundbuchsgericht übergehen solle, weil das österreichische Recht einem ausländischen Verlassenschaftsgericht keine Aufgaben übertragen könne.
Unbestritten ist, dass hier kein inländisches Verlassenschaftsverfahren durchzuführen war und auch nicht durchgeführt wurde, sodass § 14 Abs 7 WEG eingreift und dies folgerichtig zur Zuständigkeit des Grundbuchsgerichts führt.
4. Der Ansicht des Rekursgerichts, dass dieses mangels anderslautender Sonderbestimmungen – wie etwa im LiegTeilG – nach den grundbuchsrechtlichen Vorschriften vorgehen müsse, wonach die Beendigung des Schwebezustands durch Urkunden iSd §§ 26 ff GBG nachzuweisen sei, kann nicht gefolgt werden:
Aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 14 Abs 7 WEG ergibt sich unmissverständlich, dass damit die sonst dem Verlassenschaftsgericht zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse dem Grundbuchsgericht zukommen sollen, es also „wie sonst das Verlassenschaftsgericht“ agieren (können) soll. Aus diesem Regelungsziel des Gesetzgebers folgt zwingend, dass es insoweit nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die sonst für das Verlassenschaftsgericht gelten würden, vorgehen muss. Dies erhellt auch daraus, dass die in Pkt 3. genannten Materialien ergänzend ausdrücklich festhalten, dass es sich bei der gerichtlichen Feilbietung nach § 14 Abs 1 Z 3 WEG durch das Grundbuchsgericht um keine „Geschäfte des Grundbuchverfahrens“ (iSd § 21 Abs 1 Z 1 RpflG) handelt. Spezifischer verfahrensrechtlicher Sonderbestimmungen bedurfte es im Hinblick auf das die Ausstellung von Amtsbestätigungen ohnehin regelnde AußStrG nicht.
5. Im Hinblick auf die in § 14 Abs 1 Z 1 WEG angeordnete unmittelbare Akkreszenz in das Eigentum des Überlebenden bedarf der Eigentumsübergang keines zusätzlichen Erwerbsakts (2 Ob 104/17h; 2 Ob 9/16m mwN; 5 Ob 97/11t). Da dieser unmittelbare Erwerb aber durch Verzicht bzw Vereinbarung iSd § 14 Abs 1 Z 2 WEG rückgängig gemacht werden kann, ist er auflösend bedingt, solange diese Optionen offenstehen. Insofern hat der Oberste Gerichtshof während des dadurch andauernden Schwebezustands die beantragte Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 14 Abs 1 Z 5 WEG bereits abgelehnt (5 Ob 158/92 [zu § 10 WEG 1975]; vgl auch 5 Ob 97/11t; RS0082946; Höllwerth in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 14 WEG Rz 13).
Wurde – wie im vorliegenden Fall – eine solche Frist bisher nicht gesetzt, hindert dies den überlebenden Partner zwar nicht, von sich aus verbindlich zu erklären, weder zu verzichten noch übertragen zu wollen (5 Ob 158/92). Eine solche Erklärung hat die Antragstellerin aber bisher nicht abgegeben, weshalb der Schwebezustand noch nicht beendet ist (5 Ob 158/92). Die deshalb erforderliche Fristsetzung ist entgegen der Ansicht von A. Veith (immolex 2019/9 [Glosse zu 2 Ob 159/17x]) kein bloßer Formalismus, besteht doch die Möglichkeit, dass sie die ihr zur Verfügung stehenden Optionen oder die Pflicht zur Zahlung eines Übernahmspreises an den Miterben (§ 14 Abs 2 WEG) bisher nicht oder nicht ausreichend bedacht hat.
Das Erstgericht wird der Antragstellerin daher gemäß § 14 Abs 1 Z 2 WEG eine angemessene Frist zu setzen haben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)