European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123019
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Die Antragstellerin ist die Witwe ihres am * 2016 in Bratislava verstorbenen Ehemanns L* J*, geboren am * 1967, der zuletzt in K*, Slowakei, wohnhaft war. Die Eheleute waren im Grundbuch eingetragene Eigentümer von je 75/1930‑Anteilen an einer in Österreich gelegenen Liegenschaft und Wohnungseigentumspartner betreffend das mit diesen Anteilen verbundene Wohnungseigentum an einer Wohnung.
Das Verlassenschaftsverfahren fand vor dem Bezirksgericht Trnava statt. In der Erbbescheinigung der von diesem Gericht beauftragten Notarin wurden die Witwe und der Sohn L* J*, geboren am * 1992, als gesetzliche Erben angeführt. Die Notarin bescheinigte den Abschluss einer von den Erben abgeschlossenen Vereinbarung über die Auseinandersetzung der Erbschaft. Unter den darin genannten Nachlassaktiva schien die in Österreich gelegene Eigentumswohnung nicht auf.
Die Witwe stellte beim Erstgericht den Antrag, es möge als zuständiges Grundbuchsgericht mit Beschluss bestätigen, dass ihrem Erwerbsvorgang hinsichtlich des Hälfteanteils ihres verstorbenen Ehemanns an der Eigentumswohnung keine verlassenschaftsgerichtlichen Bedenken entgegenstünden. Zur Begründung brachte sie vor, dass der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG von Gesetzes wegen unmittelbar in ihr Eigentum übergegangen sei. Zur Eintragung im Grundbuch benötige sie eine grundsätzlich vom Verlassenschaftsgericht auszustellende Bestätigung gemäß § 182 Abs 3 AußStrG iVm § 14 Abs 1 Z 5 WEG. Diese Zuständigkeit gehe auf das inländische Grundbuchsgericht über, wenn es im Inland kein Verlassenschaftsgericht gebe.
Das Erstgericht wies den Antrag der Witwe zurück, weil die österreichischen Gerichte gemäß Art 4 der Verordnung (EU) Nr 650/2012 (EuErbVO) nicht zuständig seien. Der Rechtsübergang nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG sei als Rechtsnachfolge von Todes wegen zu qualifizieren und falle deshalb nicht unter die Ausnahme des Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag nicht zurück‑, sondern abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Im Gegensatz zum Erstgericht bejahte das Rekursgericht (in den Gründen) die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, wobei es sich einerseits auf die Ausnahmebestimmung des Art 1 Abs 2 lit g EuErbVO, andererseits auf nationale Regelungen stützte. Zuständig für die Ausstellung der Amtsbestätigung sei daher gemäß § 14 Abs 7 WEG das österreichische Grundbuchsgericht. Der Antrag sei jedoch abzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Ausstellung der Amtsbestätigung, insbesondere die Beendigung des infolge eines möglichen Verzichts der Antragstellerin bestehenden Schwebezustands nicht durch Urkunden iSd §§ 26 ff GBG nachgewiesen worden seien.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den dem Grundbuchsgericht durch § 14 Abs 7 WEG auferlegten Pflichten fehle.
Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, mit dem sie die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Stattgebung ihres Antrags begehrt. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs wurde dem Obersten Gerichtshof verfrüht vorgelegt.
1. Das Rekursgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts geprüft und, wenngleich nur in der Begründung seines Beschlusses, ausdrücklich bejaht. Darin läge im Falle ihrer Rechtskraft eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung über die internationale Zuständigkeit (stRsp; vgl RIS‑Justiz RS0114196), die auch bei einem allfälligen Verstoß gegen Unionsrecht (hier: die EuErbVO) zu beachten wäre (EuGH 16. 3. 2006, C‑234/04 [Kapferer]; 4 Ob 118/06s; 8 Ob 17/17h).
2. Steht allerdings einem Verfahrensbeteiligten noch der Revisionsrekurs offen, so könnte in diesem Rechtsmittel ein allfälliger Mangel der internationalen Zuständigkeit trotz dessen Verneinung durch das Rekursgericht gemäß § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 56 Abs 1 AußStrG noch geltend gemacht werden (5 Ob 173/09s; RIS‑Justiz RS0121265). Eine solche Rechtsmittelbefugnis steht hier dem Miterben der Antragstellerin, dem Sohn des Erblassers, zu, dem bisher kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.
3. Die in Österreich gelegene Eigentumswohnung blieb im Verlassenschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht Trnava unberücksichtigt. Aus der vorgelegten Erbbescheinigung ist auch nicht ersichtlich, ob der Miterbe Kenntnis von dieser Wohnung hat. Zwar wurde der Anteil des Erblassers am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum zu Recht nicht unter den Verlassenschaftsaktiva angeführt, da der Anteil nicht zum Verlassenschaftsvermögen zählt. Denn insofern ist jedenfalls österreichisches Recht anwendbar. Das ergibt sich, wenn die EuErbVO nach ihrem Art 1 Abs 2 lit g nicht anwendbar sein sollte, aus dem nationalen Kollisionsrecht (2 Ob 104/17h mwN), sonst aus Art 30 EuErbVO (Hertel in Rauscher, EuZPR‑EulPR4 V [2016] Art 30 EuErbVO Rz 13; Schwartze in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO‑Kommentar [2015] Art 30 Rz 19). Wohl aber bildet der Anspruch auf den von der Antragstellerin gemäß § 14 Abs 2 WEG nach Maßgabe des Abs 3 dieser Bestimmung und vorbehaltlich eines möglichen Verzichts auf den Eigentumsübergang oder einer Vereinbarung auf Übertragung an einen Dritten (§ 14 Abs 1 Z 2 WEG) zu entrichtenden Übernahmspreis einen Vermögenswert, der schon bei der Auseinandersetzung der Erbschaft zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl Spitzer in EvBl 2016/119 [Anm zu 2 Ob 9/16m]).
4. Der in § 14 Abs 1 Z 1 WEG geregelte Rechtsübergang auf den überlebenden Partner, der der von der Antragstellerin nach § 14 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 182 Abs 3 AußStrG begehrten Amtsbestätigung zugrunde liegen soll, betrifft demnach die Rechtsstellung des Miterben unmittelbar, erwächst ihm aus diesem Vorgang doch ein schuldrechtlicher Anspruch auf den (bzw einen Anteil am) Übernahmspreis. Es ist daher auch ihm ein rechtliches Interesse jedenfalls daran zuzubilligen, dass die Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung der Amtsbestätigung durch das international zuständige Gericht getroffen wird.
5. Aus diesem Grund ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen, das die Zustellung der rekursgerichtlichen Entscheidung und des Revisionsrekurses der Antragstellerin an den nach der Aktenlage in der Slowakei wohnhaften Miterben nachzuholen haben wird. Erst nach Ablauf der Rechtsmittel‑ und Rechtsmittelbeantwortungsfristen wird der Akt dem Obersten Gerichtshof zur Erledigung des oder der Revisionsrekurse(s) vorzulegen sein.
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