OGH 9Ob82/18a

OGH9Ob82/18a23.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, Rainergasse 31/8, 1040 Wien, vertreten durch die Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 19.536,27 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2018, GZ 129 R 58/18z‑21, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 23. April 2018, GZ 51 Cg 4/17w‑17, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00082.18A.0723.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin enthalten 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Gegen die von den Vorinstanzen angenommene Anwendbarkeit des WAG 2007 wendet sich im Revisionsverfahren keine der Parteien. Die hier relevanten Regelungen der §§ 75, 76 WAG 2007 entsprechen aber auch weitestgehend den Vorläuferbestimmungen des WAG 1996 (§§ 23b, 23c WAG 1996).

2. Nach § 75 Abs 3 WAG 2007 greift die Anlegerentschädigung ein, wenn eine „Wertpapierfirma“ nicht in der Lage ist, dem Anleger geschuldetes Geld zurückzuzahlen oder ihm gehörende Finanzinstrumente zurückzugeben. Rückforderungsansprüche können sich außer aus vertraglichen Regelungen auch aus dem Schadenersatz-, Bereicherungs- oder Sachenrecht ergeben (RS0128910 [T2]).

3. Nach § 76 Abs 2 WAG 2007 können Forderungsberechtigte aus Wertpapierdienstleistungen während eines Zeitraums von einem Jahr ab der Eröffnung des Konkurses oder der Mitteilung der zuständigen Behörde gemäß Anhang II Buchstabe b der Richtlinie 97/9/EG ihre Ansprüche bei der Entschädigungseinrichtung anmelden. § 93 Abs 3c letzter Satz BWG ist anzuwenden. Die Sicherungseinrichtung kann daher einem Anleger nicht unter Berufung auf den Ablauf dieser Frist die Entschädigung verweigern, wenn der Anleger nicht in der Lage war, seine Forderung rechtzeitig geltend zu machen.

Fristgerechte Anmeldungen sind unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszuzahlen.

4. Zur Frage der Legitimation und zur Frage, wann die Prüffrist zu laufen beginnt, existiert umfangreiche Judikatur. In einer Reihe von Entscheidungen, insbesondere zu den vergleichbaren Bestimmungen des § 23b Abs 2 und des § 23c Abs 4 WAG 1996 wurde bekräftigt, dass die Feststellung der Forderung auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung beruht und die Prüftätigkeit der Entschädigungseinrichtung nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht nur das schlichte Verlangen des Anlegers, sondern zusätzlich dessen Legitimierung voraussetzt (RS0116895; RS0126982). Die Bekanntgabe des Namens, der Depotnummer und der Forderungshöhe reicht nicht aus. Der Anspruchsteller hat zunächst nachzuweisen, welche Gesellschaft seine Vertragspartnerin war, welchen Betrag er tatsächlich investiert hat, wann und auf welches Konto er die Überweisungen vorgenommen hat und gegebenenfalls ob und in welchem Ausmaß er aus einem Fondsvermögen bereits Befriedigung erlangt hat (vgl RS0126982 [T9]). Für die beklagte Entschädigungseinrichtung als am Geschäft nicht beteiligte Dritte muss die Grundlage der Haftung nachgewiesen sein, damit ihre Pflicht zur inhaltlichen Prüfung einsetzt (9 Ob 45/13b mwN). Mit welchen Mitteln dieser Nachweis zu führen ist, ist nicht in genereller Weise vorzugeben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (vgl 9 Ob 37/13a mwN).

5. Inwieweit diese Grundsätze auf die fristwahrende Anmeldung der Forderung gegenüber der Entschädigungseinrichtung übertragen werden können bzw welche Angaben die Anmeldung der Forderung im Einzelnen beinhalten muss, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben:

Der Kläger hat 1997 25 Stück A*****‑Genussscheine von der A***** AG erworben. 2001 tauschte er diese Genussscheine gegen Genussscheine der A***** Gruppe AG. Die Forderung gegen die Beklagte stützt er ausschließlich auf den Tausch 2001, wobei er diesen Tausch mit einem Kauf zu einem Preis entsprechend dem damaligen Kurswert der Genussscheine der A***** AG gleichsetzt.

Innerhalb der Jahresfrist hat der Kläger jedoch nur die Forderung aus dem Ankauf der Genussscheine von der A***** AG angemeldet, nicht die nunmehr aus dem Tausch abgeleiteten Ansprüche (vgl Außerstreitstellung ON 11 S 5). Der Kläger selbst geht davon aus, dass es sich dabei um unterschiedliche Veranlagungen handelt. Eine Anmeldung der klagsgegenständlichen Forderung ist daher innerhalb der Jahresfrist überhaupt nicht erfolgt.

Wenn in der Revision darauf verwiesen wird, dass unmittelbar nach Eröffnung des Konkursverfahrens die Implikationen des Falls für die Anleger im Einzelnen nicht durchschaubar waren, mag das zutreffen. Dessen ungeachtet ist davon auszugehen, dass es dem einzelnen Anleger grundsätzlich zumutbar ist bekanntzugeben, aus welcher Investition er von der Beklagten Ersatz in welcher Höhe begehrt. Aus welchen Gründen dies dem Kläger im vorliegenden Fall nicht bzw nicht rechtzeitig möglich gewesen sein soll, wird auch in der Revision nicht dargelegt.

Es fehlt daher im konkreten Fall an der nach § 76 Abs 2 WAG 2007 erforderlichen Geltendmachung der Forderung innerhalb der Jahresfrist nach Konkurseröffnung. Auf die anderen vom Berufungsgericht und in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es nicht an.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Allerdings steht für die Revisionsbeantwortung keine Pauschalgebühr zu.

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