OGH 15Os64/19d

OGH15Os64/19d10.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Jennifer S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 19. März 2019, GZ 39 Hv 119/18v‑47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00064.19D.0710.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Jennifer S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1./), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (2./) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 2. Oktober 2018 in N*****

1./ „Simone Sc***** durch Erfassen mit beiden Händen am Halsbereich und massives Würgen des am Boden liegenden Opfers, während sie auf ihr saß, wobei diese zahlreiche oberflächliche Hautrötungen mit oberflächlichen Hautabschürfungen an beiden seitlichen Halsregionen sowie über dem Kehlkopfvorsprung, hier insbesondere auch Kratzern ähnelnd, erlitt, zu töten versucht;

2./ durch wiederholtes Losreißen mit den Armen sowie Winden und Versteifen ihres Körpers und Versetzen eines Stoßes mit beiden Händen gegen den Körper des GI Hannes R*****, somit mit Gewalt, [Beamte, nämlich] RI Barbara Z*****, Asp Viktoria A***** und GI Hannes R***** an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsetzung ihrer Festnahme, zu [ver]hindern versucht;

3./ durch wiederholtes Losreißen mit den Armen sowie Winden und Versteifen ihres Körpers RI Barbara Z***** vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch RI Barbara Z***** Hämatome an der Innenseite des rechten Knies, eine Schleimbeutelentzündung an der Kniescheibe sowie schwere Prellungen und Abschürfungen am rechten Bein erlitt, und sohin eine Körperverletzung an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben, nämlich der Durchsetzung ihrer Festnahme, begangen.“

 

Rechtliche Beurteilung

Die von der Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 10a StPO erhobene – inhaltlich nur gegen den Schuldspruch 1./ argumentierende – Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde der Antrag auf Vorführung einer Videoaufzeichnung, welche Simone Sc***** alleine in ihrer Wohnung und ohne tatsächliche Bedrohung immer wieder „Lasst mich in Ruhe, ich habe keine Schuld, ich habe keine Schuld“ schreiend zeige, zum Beweis dafür, dass Sc***** unter Wahnvorstellungen leide „und dies damit auch in Einklang zu bringen ist, dass sie den Übergriff durch die Angeklagte in übertriebener Weise darstellt“ und die Zeugin „in gewissen Teilen“ unglaubwürdig aussagte, da sie die Frage des Verteidigers, ob sie derartiges jemals mit sich selbst geschrien habe, ausdrücklich verneinte (ON 45 S 81), zu Recht abgewiesen. Denn in welchem – allenfalls psychisch beeinträchtigten – Zustand sich die Zeugin zum Zeitpunkt der Aufnahme des Videos etwa ein bis zwei Monate vor der Tat (ON 45 S 81) befunden hatte, stellt keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache dar (RIS‑Justiz RS0118319).

Soweit der Antrag auf eine Kontrolle der Glaubwürdigkeit der Angaben des Opfers abzielt, lassen sich dem Antragsvorbringen keine – für den Erfolg eines solchen Begehrens erforderlichen (RIS‑Justiz RS0120109 [T3]) – konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, die Zeugin hätte in Bezug auf eine zum unter 1./ inkriminierten Vorfall entscheidende Tatsache bewusst oder unbewusst die Unwahrheit gesagt.

Die Fragenrüge (Z 6) fordert unter Verweis auf einzelne Passagen der Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach sie sich durch ihren Besuch bei Sc***** und auch ihre Äußerung „I dawürg di und wenn i di dawürg, is ma a wurscht“ erhofft habe, dass Sc***** „Ruhe gibt“ (ON 45 S 5 und 18), die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB. Indem die Beschwerde außer Acht lässt, dass die Angeklagte auf wiederholtes Befragen, welchen Zweck sie mit dem Würgen verfolgt habe, erklärte, dass sie gar nichts damit erreichen habe wollen (ON 45 S 11, 13), bloß auf ihre Wut verwies (ON 45 S 7, 9, 11, 13, 16, 18) und zugestand, sie habe Sc***** verletzen wollen (ON 45 S 9, 13), verfehlt sie mangels Berücksichtigung der Aussage in ihrer Gesamtheit die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0120766 [T3]). Im Übrigen indizieren nicht einmal die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Aussageteile, dass (auch) die Gewaltanwendung lediglich mit Nötigungsvorsatz erfolgte (vgl RIS‑Justiz RS0117447).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vernachlässigt, dass aus dem Inhalt der Niederschrift der Geschworenen– entgegen in der Beschwerde zitierter ältererRechtsprechung – keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen abgeleitet werden können (RIS‑Justiz RS0115549; vgl auch RS0101033 [ab T2]). Derartige Bedenken gegen die Annahme eines Tötungsvorsatzes vermag die Beschwerde auch nicht durch die eigenständige Bewertung von Depositionen der Angeklagten, des Opfers, der zum Tatort gerufenen Polizeibeamten, des Fabian S***** und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen zu erwecken (RIS‑Justiz RS0119583).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte