OGH 17Ob5/19p

OGH17Ob5/19p2.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Musger und Priv.‑Doz. Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard Schilcher, Rechtsanwalt, *, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der P* GmbH, gegen die beklagte Partei B* N.V., *, Niederlande, vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, und des Nebenintervienten auf Seiten der beklagten Partei S* G*, vertreten durch Dr. Michael Tröthandl, Mag. Christina Juritsch, wegen 2.146.276,18 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Dezember 2018, GZ 3 R 46/18h‑72, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. Juni 2018, GZ 26 Cg 63/16v‑72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124965

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Die Urteile der Vorinstanzen sind im Umfang der Entscheidung über das Leistungsbegehren von 132.634,35 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. Dezember 2018 wirkungslos.

II. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.352,80 EUR (darin 929 EUR niederländische USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei die mit 5.308,56 EUR (darin enthalten 884,76 EUR USt) bestimmten Kosten von dessen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

I. Im Hinblick auf die auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich zulässige (RS0039644 [T1]) Klageeinschränkung in der Revision war gemäß §§ 483 Abs 3, 513 ZPO auszusprechen, dass die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Klageeinschränkung wirkungslos sind.

II. Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH mit Sitz in Österreich (im Folgenden: Schuldnerin), der Tochtergesellschaft eines Großhandelskonzerns mit Sitz in Australien. Die Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin war eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: Muttergesellschaft), die 99,99 % der Anteile hielt. Den verbleibenden Anteil hatte eine weitere niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sog europäische Konzernmutter) inne.

Die beklagte Bank ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in den Niederlanden. Sie schloss im April 2010 mit der als „Leitgesellschaft“ bezeichneten Muttergesellschaft als Koordinatorin und mehreren europäischen Tochtergesellschaften des Konzerns einen Cash Pooling Vertrag, der vereinbarungsgemäß niederländischem Recht unterliegt (Punkt 19.1).

Die Ausgestaltung entsprach einem sogenannten fiktiven Cash Pooling, das dadurch gekennzeichnet ist, dass zwischen den Poolkonten der Teilnehmer kein tatsächlicher Liquiditätstransfer stattfindet. Dementsprechend bestimmt 2.2 der Vereinbarung, dass die Konten der Teilnehmer einen Haben- oder Sollsaldo aufweisen dürfen, solange der Gesamtsaldo jederzeit ein Null- oder Habensaldo ist.

In dem mit „Sicherheit“ überschriebenen Punkt 8.1 der Vereinbarung verpfändeten die Teilnehmer für die Zahlung der gesicherten Verbindlichkeiten (gemeint: Gesamtverbindlichkeiten aller Teilnehmer) im Wege eines erstrangigen Pfandrechts ihre gegenwärtigen und künftigen Forderungen an die Bank, die aus oder im Zusammenhang mit den Konten entstehen.

Die Beklagte kontrahierte nur mit Kunden, die eine erstklassige Bonität und ein hohes Umsatzvolumen aufwiesen und zu denen ein Vertrauensverhältnis bestand. Dabei prüfte sie im Rahmen ihres Risikomanagements laufend das Vorliegen dieser Voraussetzungen und insbesondere die wirtschaftliche Situation des gesamten Konzerns, nicht jedoch die wirtschaftliche Situation der einzelnen Tochtergesellschaften.

Die Beklagte erteilte weder den am Cash Pool teilnehmenden Gesellschaften noch der Muttergesellschaft als Leitgesellschaft Vorgaben über den Stand der einzelnen Teilnehmerkonten. Wesentliche Verpflichtung der Muttergesellschaft war es jedoch, dafür zu sorgen, dass am Ende jeden Geschäftstages der Gesamtsaldo aller Teilnehmerkonten nicht negativ war, also ein Guthaben aufwies oder zumindest Null betrug. Die Durchführung dieses Kontenausgleichs und das konzerninterne Management des Cash Pools übernahm die Muttergesellschaft, die Überblick über und Einsicht in alle Teilnehmerkonten hatte. Die Muttergesellschaft war als Ansprechpartnerin das Bindeglied zwischen der Beklagten und den Teilnehmergesellschaften. Eine Kommunikation zwischen der Beklagten und den Teilnehmergesellschaften fand nicht statt.

Wegen eines höheren Finanzierungsbedarfs trat die Schuldnerin dem Vertrag im Jahr 2012 mit Blick auf die damit verbundene Möglichkeit der raschen und günstigen Liquididätsbeschaffung bei. Neben ihrem Teilnehmerkonto beim Cash Pool behielt sie ein separates Konto bei einer österreichischen Bank, auf das die Beklagte keinen Zugriff hatte. Ein automatischer Saldenausgleich („Sweeping“) mit ihrem Teilnehmerkonto fand nicht statt. Die Schuldnerin hatte das Recht, ihre Teilnahme am Vertrag jederzeit zu kündigen. Die Beklagte buchte während der Laufzeit des Vertrags nicht selbsttätig Beträge vom Teilnehmerkonto der Schuldnerin ab. Gegenüber der Beklagten konnte die Schuldnerin frei entscheiden, welchen Betrag sie am Teilnehmerkonto und welchen am lokalen Konto beließ.

Im Innenverhältnis unterlag die Schuldnerin aber den Weisungen der Muttergesellschaft. Danach war der von der Schuldnerin erzielte Liquiditätsüberschuss dem Cash Pool zur Verfügung zu stellen. Während die Schuldnerin selbständig Beträge auf das Teilnehmerkonto buchen konnte (und auch buchte), musste sie bei der Muttergesellschaft ansuchen, um Geld aus dem Cash Pool zu erhalten. Es steht nicht fest, dass die Beklagte von diesen Beschränkungen im Innenverhältnis wusste.

Der Cash Pool verbesserte die Liquidität der Schuldnerin. Vom Jahr 2012 bis Mitte des Jahres 2013 wies ihr Teilnehmerkonto durchgehend einen negativen Saldo auf, danach bis Mai 2014 immer wieder. Nach einer konzerninternen Transaktion wies das Konto ab Juni 2014 ein Guthaben im Ausmaß von rund zwei Millionen EUR auf.

Ab dem Jahr 2014 geriet der Konzern wirtschaftlich unter Druck, hatte nicht mehr ausreichend liquide Mittel und entsprach nicht mehr den Anforderungen der Beklagten. Im März 2015 kündigte die Beklagte den Vertrag gegenüber den teilnehmenden Gesellschaften mit Ausnahme der Muttergesellschaft. Diese nahm in der Folge entgegen den Erwartungen der Beklagten (bzw trotz deren Aufforderung) keinen Kontenausgleich auf Null vor, zumal sie im teilgekündigten Vertrag für sich keinen Vorteil sah. Die Beklagte verlor das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit der Muttergesellschaft und kündigte den Vertrag am 14. April 2015 auch ihr gegenüber. Die Beklagte verwendete am selben Tag das auf dem Teilnehmerkonto der Schuldnerin bestehende (streitgegenständliche) Guthaben von 2.146.276,18 EUR gemäß Punkt 9.2 des Vertrags, der diese Vorgehensweise vorsieht, zur „Glattstellung“ (gemeint: Aufrechnung aufgrund der Verpfändung).

Noch vor der Kündigung bemühte sich die Schulderin im Frühjahr 2015 bei der Muttergesellschaft – insbesondere wegen einer bevorstehenden Steuerzahlung von 500.000 EUR – im Hinblick auf den positiven Kontostand von rund 2,3 Millionen EUR um möglichst hohe Mittel aus dem Cash Pool. Sie erhielt am 10. April 2015 jedoch nur 200.000 EUR, worauf sich ihre Situation zusehends verschlechterte. Am 14. April 2015 stellte die Schulderin fest, dass ihr Teilnehmerkonto kein Guthaben aufwies.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde vom Landesgericht Wiener Neustadt am 30. April 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Muttergesellschaft wurde am 31. Juli 2015, die europäische Konzernmutter am 24. Juni 2015 für zahlungsunfähig erklärt.

Der Beklagten lagen weder zum Zeitpunkt des Beitritts der Schuldnerin zum Vertrag noch bei der Durchführung des Kontenausgleichs Hinweise auf eine schlechte wirtschaftliche Situation der Schuldnerin vor. Der Beklagten war nicht bewusst, dass die Umbuchung des Bankguthabens der Schuldnerin deren Insolvenz zur Folge haben würde.

Gestützt auf das gesellschaftsrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr und – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – auf die Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO begehrt der Kläger die Zahlung von 2.146.276,18 EUR und die Feststellung, dass die Herstellung der Aufrechnungslage den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam sei. Der Cash Pooling Vertrag sei nichtig, weshalb die Abbuchung durch die Beklagte unzulässig gewesen sei. Die entstandene Aufrechnungslage zugunsten der Beklagten stehe mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung nach dem GmbHG in Widerspruch.

Der Beitritt der Schuldnerin zum Cash Pool habe für sie und ihre Gläubiger zu einer äußerst nachteiligen Situation geführt. Die Schuldnerin habe mit ihrem Bankguthaben für die Verbindlichkeiten anderer am Cash Pool teilnehmender Gesellschaften gehaftet. Sie habe für die Zurverfügungstellung ihres gesamten Bankguthabens und für das damit einhergehende Risiko eines Totalverlusts im Fall der Insolvenz anderer Konzerngesellschaften keine Gegenleistung erhalten. Das in Rede stehende Bankguthaben habe die Schuldnerin nach einer Gewinnausschüttung im Jahr 2013 durch die Erzielung von Liquiditätsüberschüssen und einer Darlehensrückzahlung aufgebaut. Über ihr Bankguthaben im Cash Pool habe sie aber nicht uneingeschränkt verfügen können. Vor Beendigung des Vertrags durch die Beklagte im März 2015 habe die Schuldnerin die Muttergesellschaft auf ihren akuten Liquiditätsbedarf hingewiesen und – mit nur geringem Erfolg   – versucht, das Guthaben abzurufen. Die Beklagte hingegen habe zu jedem beliebigen Zeitpunkt das Bankguthaben der Schuldnerin zur Tilgung anderer Kreditforderungen gegen Konzerngesellschaften verwenden können. Das habe sie bei Vertragsbeendigung auch getan.

Das Verbot der Einlagenrückgewähr gelte auch für einen Dritten, dem sich Verdachtsmomente eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften aufdrängten und der daher grob fahrlässig handle, wenn er sie ignoriere. Da die risikoreiche und nicht abgegoltene Teilnahme der Schuldnerin am Cash Pool für die Beklagte erkennbar höchst verdächtig gewesen sei, sei dieser Beitritt unwirksam. Die Beklagte habe ihre Erkundigungspflicht schuldhaft verletzt.

Zudem sei der Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 Z 1 IO wegen inkongruenter Deckung erfüllt. Die Beklagte habe Gläubigerstellung. Aufgrund der Nichtigkeit der Beitrittsvereinbarung und damit der Nichtigkeit der Verpfändung iSd Punkt 8.1 des Vertrags wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr habe die Beklagte die Leistung nicht zu beanspruchen gehabt.

Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen für die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO vor, weil die Beklagte den Klagebetrag nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit abgebucht habe und diese auch erkennen hätte müssen.

Die Beklagte und der auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenient (früherer Geschäftsführer der Schuldnerin) wandten ein, die Schuldnerin sei mit dem Beitritt zum Vertrag keine automatische Haftung für Verbindlichkeiten ihrer Muttergesellschaft oder anderer am Cash Pool teilnehmender Gesellschaften eingegangen. Die Schuldnerin habe mit nur einem Konto am Cash Pool teilgenommen und daneben ein lokales Konto bei einer österreichischen Bank besessen. Laut Vertrag sei nur das jeweils bestehende Bankguthaben am Teilnehmerkonto dem Cash Pool und der Verpfändung unterlegen, wobei die Schuldnerin täglich frei entscheiden habe können, ob und in welcher Höhe sie überhaupt ein Bankguthaben aufbaue. So habe das Teilnehmerkonto der Schuldnerin in den ersten zwei Jahren einen negativen Saldo aufgewiesen. Die Schuldnerin habe bis zuletzt ihr Guthaben vom Teilnehmerkonto auf ihr lokales Konto übertragen können, dies aber unterlassen. Die Umbuchung des gesamten Bankguthabens am Teilnehmerkonto der Schuldnerin nach Beendigung des Vertrags sei zulässig gewesen, weil der Cash Pool insgesamt einen das Bankguthaben der Schuldnerin übersteigenden Negativsaldo aufgewiesen habe. Durch die Umbuchung sei das Bankguthaben der Schuldnerin zulässigerweise ihrer Muttergesellschaft zugeordnet worden.

Das Verbot der Einlagenrückgewähr richte sich an die Gesellschaft und ihre Gesellschafter. Nur bei – hier unstreitig nicht vorliegender – Kollusion oder grober Fahrlässigkeit sei ein Dritter für empfangene Leistungen rückgabepflichtig. Grobe Fahrlässigkeit sei der Beklagten, der die Teilnahme der Schuldnerin am Cash Pool betrieblich gerechtfertigt erschienen sei, nicht anzulasten.

Abgesehen davon, dass Art 13 EuInsVO 2000 einer Anfechtung nach österreichischem Insolvenzrecht wegen der Unanfechtbarkeit nach niederländischem Recht entgegenstehe, seien die Voraussetzungen der §§ 30, 31 IO nicht erfüllt. Zum einen sei die Beklagte weder Gläubigerin noch Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin gewesen. Zum anderen liege keine inkongruente Deckung vor, weil die Beitrittsvereinbarung zum Cash Pool nicht nichtig sei, und daher eine vertraglich vereinbarte Leistung vorliege, die keine Begünstigung begründe. Die Beklagte habe die angebliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin weder gekannt noch kennen müssen.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es beurteilte die gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen nach österreichischem Recht. Das Verbot der Einlagenrückgewähr sei daher für die Schuldnerin zu beachten, auch wenn der Cash Pooling Vertrag die Anwendung niederländischen Rechts vorsehe. Das Erstgericht analysierte die konkrete Ausgestaltung des Vertrags umfassend und kam zum Ergebnis, dass die Teilnahme der Schuldnerin am Cash Pool aus betrieblichen Gründen nachvollziehbar und gerechtfertigt sei. Es sei anzunehmen, dass ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer der Schuldnerin an einem Cash Pool zu denselben wie den festgestellten Bedingungen auch mit konzernfremden Gesellschaften teilgenommen hätte. Der Vertrag halte daher im Ergebnis einer Überprüfung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz stand. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr seien im Übrigen die Gesellschaft und der Gesellschafter, Dritte seien nur bei Kollusion und grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig. Rückgabepflicht bestehe in jenen Fällen, in denen der Gesellschafter bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handle und sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen müsse; die Unkenntnis müsse dabei auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht einer Bank bestehe jedoch nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, eine solche werde nur dort gefordert, wo sich der Verdacht schon so weit aufdränge, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkomme. Eine Erkundigungspflicht werde für den Fall bejaht, dass besondere Umstände den Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsmacht nahelegten. Selbst bei Bejahen eines Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungspflichten träfe die Beklagte keine Erkundigungspflicht, weil ihr die betriebliche Rechtfertigung der Teilnahme der Schuldnerin am Cash Pool schon bei erstem Anschein plausibel erscheinen durfte und nach den Feststellungen keine Verdachtsmomente gegeben gewesen seien, die zu Zweifeln am Vorliegen einer betrieblichen Rechtfertigung Anlass gegeben hätten.

Die Beklagte habe die Rolle einer Dienstleisterin im Cash Pool inne gehabt, ihr komme daher keine Gläubigerstellung gegenüber der Schuldnerin zu, weshalb eine Anfechtung ausscheide. Selbst wenn man eine Gläubigerstellung der Beklagten bejahte, läge keine inkongruente Deckung iSd § 30 Abs 1 Z 1 IO vor, weil der Beklagten das Recht zur Umbuchung des Guthabens aus dem wirksamen Cash Pooling Vertrag zugestanden sei. Eine Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO scheitere überdies an der der Beklagten nicht vorwerfbaren Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es schloss sich den Ausführungen des Erstgerichts im Wesentlichen an und sprach aus, dass die Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Verbot der Einlagenrückgewähr und zur insolvenzrechtlichen Anfechtung jeweils im Zusammenhang mit einem Cash Pooling Vertrag zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich die gesellschafts- und anfechtungsrechtlichen Fragestellungen nach österreichischem Recht richten. Insoweit die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Gegenteiliges (Anwendung des für sie angeblich vorteilhaften niederländischen Rechts) vertritt und bezüglich der Anfechtung nach österreichischem Recht ihren Einwand nach Art 13 EuInsVO 2000 aufrecht hält, musste darauf nicht näher eingegangen werden: Bereits die vom Kläger für sein Begehren herangezogenen österreichischen Anspruchsgrundlagen können nämlich eine Klagestattgebung nicht stützen. Ein für ihn günstigeres Ergebnis bei Anwendung niederländischen Rechts hat der Kläger nicht behauptet (vgl 6 Ob 233/18k; 6 Ob 145/17t).

2. Die konkrete Vertragsgestaltung erweckt auf Basis der getroffenen Feststellungen zwar Bedenken an ihrer Zulässigkeit aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht, die (Un‑)Zulässigkeit muss aber (vgl 3.) nicht abschließend geklärt werden, weshalb es auch keiner Sachverhaltsergänzung zu offen gebliebenen Fragen bedarf.

2.1 Cash Pooling zielt darauf ab, das konsolidierte Finanzergebnis der Gruppe zu optimieren und/oder die Liquiditätsplanung und -steuerung zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden die einzelnen Konten der Konzerngesellschaften über ein zentrales Konto (Master Account) auf Null ausgeglichen. Im Gegensatz zum effektiven Cash Pooling wird dieser Vorgang beim fiktiven Cash Pooling von der Bank nur rechnerisch ohne tatsächliche Transferierung des Geldes vorgenommen (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [Stand 1. 12. 2017, rdb.at] § 82 Rz 91; Foglar-Deinhardstein in Foglar-Deinhardstein/Abrumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG [2017] § 82 Rz 131 je mwN).

2.2 Explizite Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Cash Pooling aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht fehlt. Es liegt jedoch nahe, die allgemeinen kapitalerhaltungsrechtlichen Grundsätze für konzerninterne Darlehen bzw Sicherheitenbestellungen heranzuziehen (Obradovi/Wietrzyk in Haberer/Krejci, Konzernrecht [Stand 1. 7. 2016, rdb.at] Kap 12.94; Auer in Gruber/Harrer, GmbHG² [2018] § 82 Rz 59).

2.3 Der von den Vorinstanzen für maßgeblich erachtete Fremdvergleich wird allerdings betreffend das hier unstrittig vorliegende fiktive Cash Pooling kein entscheidendes Kriterium sein, weil derartige Vereinbarungen mit Konzernfremden wohl kaum geschlossen werden (Obradovi/Wietrzyk in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 12.96 mwN).

2.4 Im Vordergrund der Prüfung wird daher zu stehen haben, ob die Vereinbarung betrieblich gerechtfertigt ist (vgl 6 Ob 271/05d; 3 Ob 50/13v). In der Literatur wird betont, dass fiktives Cash Pooling zwar aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht weniger problematisch als effektives Cash Pooling sei (Foglar-Deinhardstein in Foglar-Deinhardstein/Abrumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG § 82 Rz 133 mwN; Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz³ [2007] § 82 Rz 17c), dass aber unter bestimmten Umständen trotz fehlenden Zahlungszuflusses, etwa wegen nachteiliger (Zins‑)Konditionen, ein Verstoß gegen § 82 GmbHG vorliegen könne (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 94 mwN).

2.5 Problematisch ist aber jedenfalls die Übernahme eines Ausfallsrisikos. Ein derartiges Risiko hat die Schuldnerin hier dadurch übernommen, dass sie als Sicherheit für die Zahlung der Verbindlichkeiten (sämtlicher Teilnehmer) ihre gegenwärtigen und künftigen Forderungen an die Beklagte verpfändete, die aus oder im Zusammenhang mit den Konten entstehen.

2.6 In der Entscheidung 6 Ob 271/05d hatte der Oberste Gerichtshof zu beurteilen, ob die Sicherheitsleistung einer Gesellschaft, die ein Strickwarenunternehmen betrieb, zugunsten ihres Minderheitengesellschafters als verbotene Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Der Oberste Gerichtshof verneinte diese Frage unter Hinweis auf die im konkreten Fall festgestellte enge wirtschaftliche Zusammenarbeit: Die Gesellschaft konnte ihren nach Auftragslage schwankenden Bedarf an Schneide- und Näharbeiten beim Gesellschafter abrufen. Dazu war es erforderlich, dass der Gesellschafter seine Fachkräfte auch bei schlechter Auftragslage nicht abbaute, um den Bedürfnissen der Gesellschaft jederzeit nachkommen zu können. Mit dem bloßen Hinweis auf das Risiko der Haftungsübernahme für die Gesellschaft im Insolvenzfall (des Gesellschafters) könne nicht entkräftet werden, dass die einer Zusammenarbeit von Unternehmen im Konzern ähnelnde Zusammenarbeit von Gesellschaft und Gesellschafter für erstere von hohem wirtschaftlichem Wert gewesen sei. Lediglich dann, wenn in der Haftungsübernahme ein besonderes, allenfalls existenzbedrohendes Risiko gelegen wäre, hätte ein gewissenhafter Geschäftsführer auf getrennter Finanzwirtschaft bestanden.

2.7 In der Literatur wird dazu die Auffassung vertreten, der Fachsenat des Oberste Gerichtshofs habe mit dieser Entscheidung den Sorgfaltsmaßstab gegenüber der Entscheidung 4 Ob 2078/96h („Fehringer“) darauf reduziert, dass bei Übernahme eines Ausfallsrisikos ein Verstoß gegen § 82 GmbHG nur anzunehmen sei, wenn die Gesellschaft den Haftungsfall als „geradezu wahrscheinlich“ einschätzen müsse. Die betriebliche Rechtfertigung könne nicht bereits mit dem bloßen Hinweis auf das potentielle Risiko im Insolvenzfall entkräftet werden (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 94; Artmann, JBl 2006, 391 [EAnm]; Karollus, ÖBA 2006/1337, 295 ff [EAnm]; vgl auch Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz³ [2007] § 82 Rz 17b, die die Auffassung des OGH als „tendenziell großzügiger“ als die eigene Meinung qualifizieren).

2.8 Folgende Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der konkreten Vertragsgestaltung aus kapitalerhaltungsrechtlicher Sicht:

a) Die Schuldnerin war im Innenverhältnis an die Weisung der Muttergesellschaft gebunden, den Liquiditätsüberschuss dem Cash Pool zur Verfügung zu stellen. Die ihr im Cash Pooling Vertrag eingeräumte Möglichkeit, Beträge vom Teilnehmerkonto zu entnehmen bzw auf ein lokales Konto umzubuchen, wurde dadurch unterlaufen. Sie besicherte somit mit ihrem Guthaben, über das sie nur nach Weisung der Muttergesellschaft verfügen durfte, in Wahrheit den Gesamtsaldo. Das ist nach einigen Literaturmeinungen jedenfalls unzulässig (vgl Foglar‑Deinhardstein in Foglar-Deinhardstein/Abrumieh/ Hoffenscher‑Summer, GmbHG § 82 Rz 133 mwN).

b) Es fehlen konkrete Feststellungen über die wirtschaftliche Situation der Muttergesellschaft und der anderen Poolgesellschaften, die beurteilen lassen, ob die mit der Haftungsübernahme verbundenen Gefahren schon bei Vertragsabschluss von der Schuldnerin als existenzbedrohendes Risiko einzuschätzen gewesen wären. Allerdings fehlen ebenso konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Risikos.

c) Ungeklärt blieb auch, ob und welche Einsichts- und Informationsrechte der Schuldnerin in die Konzerngesellschaften zustand (vgl Obradovi/Wietrzyk in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 12.100) und ob ihr – im Verhältnis zur Muttergesellschaft – die im Vertrag an sich eingeräumte Kündigungsmöglichkeit aufgrund interner Weisung entzogen wurde. Letzteres ist nach den Feststellungen allerdings naheliegend.

d) Auf der anderen Seite darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schuldnerin in den beiden ersten Jahren ab ihrer Teilnahme am Cash Pool ihre Liquidität entscheidend verbesserte und erst ab Juni 2014 ihre überschüssigen Mittel rechnerisch dem Pool zur Verfügung stellte. Inwiefern sie dafür eine Gegenleistung erhielt, ist nicht geklärt.

3. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, kann der Beklagten ein allfälliger Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften nicht entgegengehalten werden.

3.1 Normadressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter, nicht aber auch ein Dritter. Geschäfte sind in der Regel gültig, wenn sich das Verbot nur an den einen der beiden Geschäftspartner richtet (4 Ob 2078/96h). Dritte sind– neben hier nicht behaupteter Kollusion – bei grober Fahrlässigkeit rückgabepflichtig (RS0105536). Voraussetzung für die Rückgabepflicht ist, dass sich dem Dritten der Missbrauch „geradezu aufdrängen“ musste (4 Ob 2328/96y; RS0105536 [T2]).

3.2 Eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht eines Dritten besteht, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 271/05d (JBl 2006, 388 [zust Artmann] = ÖBA 2006/1337 [zust Karollus]) und in Folgeentscheidungen (9 Ob 25/08d; 7 Ob 35/10p; 6 Ob 29/11z ÖBA 2012/1818 [Bollenberger]; 3 Ob 50/13v RZW 2013, 315 [Wenger] = GesRZ 2013, 356 [Artmann] = ÖBA 2014/1983 [Bydlinski]) betonte, nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern nur dort, wo sich der Verdacht eines Missbrauchs schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkommt, etwa bei einer Kreditgewährung an (3 Ob 50/13v) oder bei einer Sicherheitenbestellung durch die Zielgesellschaft (4 Ob 2078/96h) zu dem der Bank bekannten Zweck der Finanzierung des Anteilskaufs (vgl auch 6 Ob 271/05d: in diesen Fällen dränge sich in der Regel für die Bank ein Verstoß gegen § 82 GmbHG auf).

3.3 Im hier zu beurteilenden Fall musste sich der Beklagten hingegen ein derartiger Verdacht nicht aufdrängen: Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass bei Cash Pooling – anders als etwa bei einer Sicherheitenbestellung zur Finanzierung des Anteilskaufs – für die Bank eine betriebliche Rechtfertigung nahe liegt, jedenfalls aber nicht auszuschließen ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Cash Pooling fehlt und weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur die generelle Unzulässigkeit einer Sicherheitenbestellung des Gesellschafters für die Gesellschaft vertreten wird.

3.4 Ganz wesentlich ist im konkreten Fall, dass nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen nicht feststeht, dass die Beklagte Kenntnis von den internen Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und der Muttergesellschaft hatte. Sie konnte daher davon ausgehen, dass die Schuldnerin den Vertrag jederzeit kündigen und auch selbst entscheiden konnte, mit welchem Betrag sie am Cash Pool teilnimmt und sich damit dem Verlustrisiko unterwirft, zumal keine automatische Verrechnung der Konten erfolgte. Die Schuldnerin war gegenüber der Beklagten auch nicht verpflichtet, Guthaben am Konto zu belassen.

3.5 Auch wenn der Cash Pooling Vertrag in Verbindung mit den internen Absprachen der Schuldnerin mit der Muttergesellschaft den österreichischen Kapitalerhaltungsvorschriften widersprechen sollte, ist er der Beklagten gegenüber daher mangels sich „aufdrängenden Verdachts“ auch unter Zugrundelegung österreichischen Rechts wirksam. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung damit, ob wegen des engen Zusammenhangs dieser Frage mit den österreichischen Kapitalerhaltungsvorschriften österreichisches Recht auf das Verhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten anzuwenden ist.

4. Auch die in dritter Instanz noch geltend gemachten Anfechtungsgründe des § 30 Abs 1 Z 1 IO und des § 31 Abs 1 (richtig:) Z 2 Fall 1 IO können die Klageforderung nicht begründen.

Die Beklagte hat ein Absonderungsrecht am Guthaben (an den Forderungen der Schuldnerin gegen die Bank) der Schuldnerin erworben und sich daraus befriedigt. Der Kläger hat die Wirksamkeit des Absonderungsrechts ausschließlich im Hinblick auf den behaupteten Verstoß gegen Kapitalerhaltungsgrundsätze bestritten, der der Beklagten, selbst wenn er vorliegen sollte, aus den zu 3. dargelegten Gründen nicht entgegen gehalten werden kann. Sonstige Gründe für eine Unwirksamkeit der Verpfändung (Punkt 8.1 der Vereinbarung) hat der Kläger nicht geltend gemacht. Die Befriedigung des Anfechtungsgegners, dessen Absonderungsrecht insolvenzfest ist, aus den diesem haftenden Pfandsachen oder deren Erlös ist nach den hier geltend gemachten Tatbeständen der §§ 30 Abs 1 Z 1, 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO nicht anfechtbar (vgl 6 Ob 280/00w; 8 Ob 528/85; RS0064489; 6 Ob 560/90 = RS0064369; König, Anfechtung5 Rz 10/129, 11/60 ff; Koziol/Bollenberger in Buchegger,InsR I [2000] § 30 KO Rz 13 und § 31 KO Rz 8; Rebernig in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [23. Lfg, 2006] § 30 KO Rz 78 und § 31 KO Rz 14).

5. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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