OGH 11Os9/19m

OGH11Os9/19m2.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ardian K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Met K***** sowie die diesen Angeklagten betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. September 2018, GZ 11 Hv 37/18i‑79 und ‑80, sowie die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00009.19M.0402.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Met K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Mitangeklagten – insoweit es (verfehlt: § 270 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0126346, RS0106580; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 59) gesondert und gekürzt ausgefertigt wurde (ON 79) – sowie Freisprüche des Angeklagten Met K***** enthält, wurde dieser (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung) eines Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (A I) und eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (A II) schuldig erkannt.

Danach hat er in O***** vorschriftswidrig Suchtgift

(A I) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar am 4. April 2018 im einverständlichen Zusammenwirken mit Ardian K***** als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) 18.321,9 Gramm Cannabisblüten (enthaltend 1.341,16 Gramm THCA und 798,45 Gramm Delta‑9‑THC), sowie

(A II) einem anderen überlassen, und zwar im Sommer 2017 200 Gramm THCA- und Delta-9-THC-hältige Cannabisblüten dem Ardian K*****.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Met K*****.

 

Aus Z 3 beanstandet die Beschwerde, das Erstgericht habe sich im angefochtenen Urteil – entgegen § 1 Abs 4 TilgG, der ein „Beweisverbot“ darstelle – bei der Beweiswürdigung zur Schuldfrage (US 8, 9 f und 13) auf getilgte Vorstrafen des Angeklagten (US 5) gestützt.

Dass in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden wäre, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, wird damit nicht behauptet (zu den von § 281 Abs 1 Z 3 StPO erfassten gesetzlichen Bestimmungen Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 193).

Hinzugefügt sei, dass § 1 Abs 4 TilgG ein Beweiserhebungsverbot (konkret: ein Beweisthemenverbot) zum Ausdruck bringt, das – anders als für die Geltendmachung eines Verstoßes als Verfahrensmangel nach Z 2 oder 3 jedoch erforderlich – keineswegs unter ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung steht (vgl Kert , WK‑StPO TilgG § 1 Rz 28 und 49; vgl auch 14 Os 92/99; zu den – hier ebenso wenig erfüllten – Voraussetzungen erfolgversprechender Rüge der Verwertung einer verbotenen Beweiserhebung aus Z 5 oder 5a siehe Kirchbacher , WK‑StPO § 246 Rz 170 f iVm Rz 163 sowie Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 66 ff und 458).

Seine die bekämpften Schuldsprüche tragenden Feststellungen (US 8 f) stützte das Schöffengericht vor allem auf den Beschwerdeführer belastende Angaben dessen (im selben Verfahren mitangeklagten) Sohnes Ardian K***** in der polizeilichen Vernehmung vom 5. April 2018. Mehrere davon abweichende Versionen, die der Genannte im Lauf des Verfahrens behauptet hatte, dagegen verwarf es – ebenso wie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers – als unglaubhaft (ON 8 bis 12).

Das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) versucht, der Einlassung des Beschwerdeführers zum Durchbruch zu verhelfen, indem es die Glaubhaftigkeit der ihn belastenden Angaben des Mitangeklagten bezweifelt.

Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist aber – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt (RIS‑Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann nur unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119422 [T2, T4]).

Der Umstand, dass sich der Mitangeklagte in Bezug auf entscheidende – nämlich die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch des Beschwerdeführers beeinflussende (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399) – Tatsachen wechselnd verantwortet hat, wurde von den Tatrichtern vollständig (Z 5 zweiter Fall) erwogen: Sie legten dar, weshalb sie diesbezüglich seinen Angaben in der polizeilichen Vernehmung vom 5. April 2018, nicht aber seinen früheren oder späteren Depositionen Glauben schenkten. Dabei verwiesen sie (unter anderem) darauf, dass der Mitangeklagte bereits an dem auf seine Verhaftung folgenden Tag von sich aus die Polizei um nochmalige Vernehmung ersuchte, um seine Angaben vom Vortag zu revidieren, sich dabei selbst belastete, anschließend (der Aussage des vernehmenden Polizisten zufolge) „sehr gelöst“ gewirkt habe, „als wäre ihm eine Last von der Seele gefallen“, und die betreffende Verantwortung auch über einen längeren Zeitraum aufrecht hielt (US 9 ff).

Soweit die Rüge bloß einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette isoliert herausgreift und teils (aus ihrer Sicht) dagegen sprechende Aussagedetails als unerörtert (Z 5 zweiter Fall) bezeichnet, teils sie für „offenbar unzureichend“ (Z 5 vierter Fall) oder „aktenwidrig“ (Z 5 letzter Fall) hält, ohne an der Gesamtheit der diesbezüglichen Beweiswerterwägungen Maß zu nehmen, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (schon deshalb) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370).

Der unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erhobene Einwand, in der Vernehmung vom 5. April 2018 habe der Mitangeklagte in anderer Hinsicht „nachweislich die Unwahrheit gesagt“, weil er den (nur gegen ihn selbst gerichteten) Vorwurf des Überlassens von Suchtgift an Dritte – dessen er mit dem angefochtenen Urteil schuldig erkannt wurde – geleugnet habe, bezieht sich auf keine für den Schuldspruch des Beschwerdeführers entscheidende Tatsache. Allein der Umstand, dass die Tatrichter einem Teil der Angaben des Mitangeklagten Glauben schenkten, einem anderen hingegen nicht, stellt im Übrigen keinen Begründungsmangel dar (RIS‑Justiz RS0098372 [insbesondere T3, T7, T11]).

Einzelheiten der Verantwortung des Beschwerdeführers wiederum bedurften schon deshalb keiner gesonderten Erörterung (Z 5 zweiter Fall), weil ihr die Tatrichter – insgesamt – nicht folgten (RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).

Sowohl aus Z 5 als auch aus Z 5a führt die Beschwerde – mit ungeachtet der Verschiedenheit der Anfechtungskalküle (dazu RIS‑Justiz RS0116733) jeweils wortgleichem Vorbringen – einzelnen Urteilserwägungen angeblich entgegenstehende Inhalte mehrerer, mit der Rechtsmittelausführung (erstmals) vorgelegter Zeitungsartikel ins Treffen. Indem sie ihre Einwände solcherart – unzulässig (Ratz, WK‑StPO Vor §§ 280–296a Rz 14; RIS‑Justiz RS0099708, RS0098978) – aus neu Vorgebrachtem entwickelt, verlässt sie von vornherein den Anfechtungsrahmen.

Erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a können– soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – nur aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnissen, nicht aus dem (angeblichen) Fehlen von („objektiven belastenden“) Beweisen abgeleitet werden. Soweit die Tatsachenrüge (nur) Letzteres behauptet, geht sie schon deshalb ins Leere (RIS‑Justiz RS0128874).

Der (neuerliche) Hinweis auf

- die mehrmals wechselnde Verantwortung des Mitangeklagten,

- die zeugenschaftlichen Angaben mehrerer dessen „Abnehmer“, den Beschwerdeführer nicht zu kennen,

- das Gutachten der beigezogenen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der forensischen Molekularbiologie, wonach der Beschwerdeführer als „Teilspurverursacher“ der auf dem (das zu A I tatverfangene) Suchtgift enthaltenden Verpackungsmaterial gesicherten „Mischteilspuren“ zwar nicht auszuschließen sei, diese Spuren aber „keine Beweiskraft“ hätten, und

- kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers im Ermittlungsverfahren dokumentierende Beweisergebnisse

hinwieder weckt beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der (implizierten) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).

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