OGH 9ObA137/18i

OGH9ObA137/18i28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Peter Schleinbach in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** H*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen 789 EUR sA und Feststellung (Interesse: 1.750 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Oktober 2018, GZ 6 Ra 47/18f-21, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. März 2018, GZ 43 Cga 159/17g-16, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00137.18I.0328.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 544,62 EUR (darin 90,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 678,94 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 10. 1971 bis zu seiner Pensionierung am 31. 7. 2016 im nunmehrigen Betrieb der Beklagten am Standort ***** beschäftigt.

Er begehrt von der Beklagten die Zahlung von 789 EUR sA als „Nachzahlungsanspruch“ („Schaden“) für den Zeitraum 1. 11. 2016 bis 17. 11. 2017 für Essensbons, die ihm die Beklagte als Pensionist verweigere, sowie die „Feststellung“, die Beklagte sei schuldig, ihm eine Restaurant Pass Card der Firma S***** zur Verfügung zu stellen, ihm mit dieser Karte die Einnahme einer um 3 EUR vergünstigten Mahlzeit einmal pro Arbeitstag, jeweils von Montag bis Freitag, in jenen Gastgewerbebetrieben zu ermöglichen, mit welchen die Beklagte eine S*****-Vereinbarung unterhalte, sowie zu Gunsten des Klägers den Differenzbetrag von 3 EUR pro Essenseinnahme an den jeweiligen Vertragsbetrieb zu bezahlen. Es habe auch gegenüber ausgeschiedenen Mitarbeitern eine langjährige betriebliche Übung zur Ausgabe der Essensbons bestanden. Die Praxis sei Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden. Um eine Einrichtung iSd § 95 ArbVG handle es sich nicht. Die Betriebsvereinbarung könne nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Aktivstand für diesen nicht wirksam werden und bestehende Anspruchsgrundlagen verändern.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wandte zusammengefasst ein, beim Essensmarkensystem handle es sich um eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung iSd § 95 ArbVG, die sozialen Interessen diene. Leistungen im Rahmen einer Wohlfahrtseinrichtung könnten bei entgeltfernen Begünstigungen, die nicht im engen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünden, nicht Teil individueller Leistungsansprüche werden. Bei Pensionisten fehle dieser Zusammenhang, da sie keine Arbeitsleistung mehr erbrächten und keinen Entgeltanspruch mehr hätten. Die abgeschlossene Betriebsvereinbarung habe die betriebliche Wohlfahrtseinrichtung abgeändert, auch dadurch sei der kollektive Charakter dieses Systems zum Ausdruck gekommen. Das Essensmarkensystem sei vom Betriebsrat verwaltet worden, es sei zu keinem Kontakt zwischen den Arbeitnehmern und Pensionisten mit der Beklagten gekommen. Diese hätten daher auch keinen bestimmbaren Willen der Beklagten erkennen können. Eine betriebliche Übung werde bestritten, ein individueller Leistungsanspruch sei zu verneinen.

Im Jahr 2016 sei herausgekommen, dass über 380.000 EUR vom Betriebsrat veruntreut worden seien. Dabei seien nicht nur Bargelder offensichtlich illegal entwendet, sondern auch Unterlagen und Barzahlungsbelege vernichtet sowie Essensmarken gefälscht worden. Eine Umstellung des Systems sei zur Verhinderung weiterer Veruntreuungen und Fälschungen zwingend notwendig gewesen. Seit 1. 1. 2017 bediene sich die Beklagte eines Drittanbieters. Eine Barzahlung erfolge nicht mehr. Pensionisten könnten aus steuerlichen Gründen nicht in das neue System aufgenommen werden. Die Aufhebung des Altsystems und die Umstellung auf das neue System sei durch eine Betriebsvereinbarung geregelt worden, die auch der Zentralbetriebsrat unterfertigt habe. Selbst bei Annahme eines einzelvertraglichen Anspruchs wäre die Beklagte im Hinblick auf wichtige Gründe (zB steuerliche Aspekte, fehlende Handhabbarkeit des Systems, Malversationen bei der Abwicklung) zu seiner Einstellung berechtigt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusammengefasst fest:

Bereits 1971, als der Kläger als Lehrling bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zu arbeiten angefangen hatte, existierte das E*****-Casino, ein im Eigentum der Rechtsvorgängerin stehendes Gasthaus, in dem nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch Pensionisten mittels Essensbons eine vergünstigte Mahlzeit einnehmen konnten. Das Gasthaus wurde in weiterer Folge verkauft. In den 1980er-Jahren wurde am Werksgelände eine Kantine eröffnet. Als sie für sämtliche Mitarbeiter des Standorts zu klein wurde, wurden in den 1990er-Jahren Verträge mit 12 bis 13 umliegenden Gasthäusern und dem Pächter der Kantine geschlossen, aufgrund derer sämtliche Mitarbeiter mittels Essensbons vergünstigte Mahlzeiten einnehmen konnten. Diese Essensbons wurden sowohl an aktive als auch an pensionierte Mitarbeiter ausgegeben. Ein Schriftstück, das das System der Essensbons geregelt hätte, gab es nicht.

Da es die Essensbons nahezu „ewig“ („Jahrzehnte vor 1985“) gab, gingen alle Mitarbeiter – auch der Kläger – davon aus, dass es die Essensbons immer und für alle, auch für die Pensionisten, geben wird. Besprochen oder auch nur thematisiert wurde diese Frage weder innerhalb der Beklagten noch im Betriebsrat.

Die Essensbons waren zuletzt mit der Unterschrift des jeweiligen Arbeitnehmers und dessen Personalnummer versehen, sie unterschieden sich farblich nach aktiven und pensionierten Mitarbeitern. Die Essensbons konnten bei den teilnehmenden Gaststätten eingelöst und zuvor mit einem Wert von 4 EUR zu einem Preis von 1 EUR – sowohl von aktiven als auch von pensionierten Mitarbeitern – in den Räumlichkeiten des Betriebsrats bezogen werden. Die teilnehmenden Gaststätten stellten sodann die jeweiligen Gutscheinbeträge von 4 EUR der Beklagten in Rechnung, insoferne gewährte die Beklagte eine Unterstützung von 3 EUR pro Mahlzeit. Die Essensbons sollten maximal an fünf Tagen in der Woche, jeweils für eine Mahlzeit pro Arbeitnehmer eingelöst werden. Von den Pensionisten nahm nur eine geringe Anzahl, ca 10–20 Personen, Essensbons in Anspruch.

Für die Verwaltung, die Ausgabe und den Verkauf der Essensbons war schon zur Zeit des E*****-Casinos der Betriebsrat zuständig. Diesem wurden von der Beklagten zwei Sekretärinnen zugeteilt, die nur für diesen tätig wurden. Die aus der Ausgabe der Essensbons vereinnahmten Gelder wurden von den Sekretärinnen in einer Kasse und diese wiederum in einem Tresor deponiert. Gingen die Essensbons aus, konnten die Sekretärinnen diese in der Druckerei nachbestellen, wobei die entsprechenden Druckanforderungen von der Geschäftsleitung der Beklagten elektronisch freigegeben wurden. Auch die teilnehmenden Vertragsgasthäuser wurden primär vom Betriebsrat vorgeschlagen, teilweise wandten sich diese auch direkt an die Firmenleitung. Die Firmenleitung der Beklagten in ***** akquirierte selbst keine Gasthöfe. Der Betriebsrat hatte Interesse daran, diesbezügliche Vertretungshandlungen aufzuzeigen, weshalb einige Mitarbeiter sogar glaubten, dieser würde die Essensbons bezahlen.

Vorerst wurden die aus dem Verkauf der Essensbons lukrierten Beträge auf ein Geschäftskonto der Beklagten einbezahlt. Später wurden sie auf ein vom Betriebsrat eingerichtetes gesondertes Konto und erst in weiterer Folge auf das Firmenkonto der Beklagten einbezahlt. Eine Rechnungslegung seitens des Betriebsrats an die Firmenleitung wurde nie durchgeführt.

Als der Betriebsrat im Zusammenhang mit den Essensbons von der Beklagten überprüft wurde, traten Malversationen zu Tage; ein Geldbetrag in Höhe von ca 300.000 EUR fehlte. Diese Malversationen waren letztlich ausschlaggebend dafür, dass die Beklagte ein elektronisches System einführte, wobei dieses Thema schon zuvor im Hinblick auf von den Medien aufgegriffene Schwarzgeldvorwürfe seitens der Beklagten aufgegriffen worden war. Dazu kam, dass Essensbons insoweit von Mitarbeitern missbraucht worden waren, als diese kein Mittagessen, sondern Zigaretten damit finanzierten.

Zudem spielte auch das Thema Steuern eine Rolle, weil manche Gasthäuser Rechnungen getrennt nach aktiven Mitarbeitern und Pensionisten legten und andere nicht. Damit stellte sich die Frage, ob die durch Pensionisten verursachten Kosten auch als Betriebsausgabe gewertet werden können. In die dazu geführten Gespräche, die unmittelbar vor Umstellung auf das elektronische System geführt wurden, war auch der Betriebsrat eingebunden.

Der Dienstleister S*****, der die elektronischen Karten vertreibt und für die ordnungsgemäße Abrechnung verantwortlich ist, weigerte sich aus steuerlichen Gründen, die Pensionisten in das System aufzunehmen. Zudem wird für die Verrechnung eine Personalnummer benötigt, über welche die Pensionisten nicht verfügen. In die Auswahl dieses Dienstleisters war der Betriebsrat ebenfalls eingebunden. Anlässlich der Einführung des elektronischen Wertkartensystems wurde zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Zentralbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung (gültig ab 1. 1. 2017) darüber abgeschlossen, in der festgehalten ist, dass diese nur für Arbeiter, Angestellte und Lehrlinge der Beklagten im Betrieb T***** gilt. Zudem ist die Verpflichtung festgehalten, bei Beendigung des Dienstverhältnisses die elektronische Karte direkt an die Vorgesetzten zu retournieren. Die Verwendung der Karte wird in dieser Betriebsvereinbarung konkret geregelt.

Am 10. 10. 2016 verfasste die Beklagte ein Schreiben an die Pensionisten, in dem sie mitteilte, dass der Prozess der Essensbonvergabe umgestellt werden muss und es nicht möglich ist, Essensbons an Pensionisten zu vergeben. Da nicht sämtliche Adressen der Pensionisten bekannt waren, wurde dieses Schreiben an die Pensionisten ausgehändigt, wenn sie vor Ort Essensbons holen wollten.

Mit 1. 1. 2017 erfolgte die Umstellung auf das Wertkartensystem S*****, wobei die – einer Bankomatkarte ähnlichen – Wertkarten nur mehr an aktive Mitarbeiter ausgegeben werden. Gegen Vorlage dieser Wertkarte wird von den teilnehmenden Gaststätten ein Rabatt von 3 EUR gewährt, der sodann der Beklagten direkt in Rechnung gestellt wird.

Der Kläger war von 1989 bis 2013 Betriebsratsmitglied und in ***** wohnhaft. Er lebt mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt. Die Vertragsgasthäuser der Beklagten befinden sich in *****. Solange der Kläger aktiv war, suchte er zwei bis drei Mal in der Woche Gasthäuser auf, um Essensbons einzulösen. Am 31. 7. 2016 endete das Dienstverhältnis des Klägers wegen des Pensionsantritts. Er hatte sich nie darüber den Kopf zerbrochen oder auch nur nachgefragt, ob er die Essensbons als Pensionist bis zu seinem Lebensende bekommen wird, gehofft hat er es aber. In seinem schriftlichen Dienstvertrag finden die Essensbons keine Erwähnung.

Seit der Kläger in Pension ist, nutzt er die Essensbons im unterschiedlichen, nur geringen Ausmaß. So geht er manchmal ein- bis zweimal in der Woche mit diesen essen, manchmal nie in der Woche, manchmal auch monatelang nicht. Über Intervention seines Rechtsvertreters vom 22. 3. 2017 wurde dem Kläger mit Schreiben vom 19. 4. 2017 das Schreiben der Beklagten vom 10. 10. 2016 ausgehändigt, wonach es keine Essensmarken für Pensionisten mehr gibt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die von der Beklagten finanzierten Essensbons mit Kantinen gleichzusetzen seien und daher von einer betrieblichen Wohlfahrteinrichtung iSd § 95 ArbVG auszugehen sei. Da das Essensbonsystem durch den Betriebsrat verwaltet worden sei und die Beklagte lediglich die Finanzierung übernommen habe, könne sich dieses nicht auf ein einzelnes Arbeitsverhältnis beziehen und auch keine arbeitsvertragliche Verpflichtung entstehen lassen. Leistungen im Rahmen einer solchen Einrichtung seien bei entgeltfernen Begünstigungen, die nicht im engen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünden, nicht Teil eines individuellen Leistungsanspruchs. Bei Pensionisten fehle der erforderliche enge Zusammenhang mit der Arbeitsleistung, sie hätten auch keinen Entgeltanspruch gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Bei der Ausgabe von Essensbons handle es sich nicht um einen Entgeltbestandteil, da er nicht um die Gegenleistung der Zurverfügungstellung von Arbeitskraft erfolgen könne. Der Beklagten sei daher zuzubilligen, dass sie im Hinblick auf die Malversationen sowie die steuerrechtlichen und organisatorischen Problematiken ihre Wohlfahrtsmaßnahmen gegenüber Pensionisten zurückgezogen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Zusammengefasst bejahte es eine betriebliche Übung zur Gewährung der Essensbons, die Eingang in die Individualverträge gefunden habe. Es fehle auch nicht am Entgeltcharakter, weil es sich bei Leistungen, die erst in der Pension gewährt würden, um ein aufgespartes, „thesauriertes“ Entgelt handle, das einem Arbeitnehmer nur wegen der zuvor erbrachten Arbeitsleistung versprochen werde. Die Handlungen des Betriebsrats bei der Verwaltung des Essensbonsystems stünden einem der Beklagten zurechenbaren Verhalten der Beklagten nicht entgegen. Dass dem Kläger Entgelt vorenthalten worden sei, treffe aber nur dann zu, wenn ein entsprechendes Verlangen von der Beklagten abschlägig beschieden worden sei und der Kläger überdies konkret auch die jeweiligen Gutscheine verwendet hätte, wofür es für den Leistungszeitraum November 2016 bis November 2017 weiterer Feststellungen bedürfe. Der zweite Teil des Klagebegehrens sei unschlüssig, weil er als Feststellungsanspruch behauptet, jedoch als Leistungsbegehren formuliert worden sei. Essenszuschüsse in der Form des neuen „S*****-Systems“ stünden dem Kläger schon nach seinem Vorbringen und mangels Einverständnis von S*****, Pensionisten in die Vereinbarung mit der Beklagten miteinzubeziehen, nicht zu. Insoweit erweise sich der aus der betrieblichen Übung erwachsene Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Essensbons als ein „aliud“, was bisher aber weder vorgebracht noch berücksichtigt worden sei. Die Frage der Entgeltnähe von Essensbons bzw Zuschüssen zu einem Mittagessen sei zwar geklärt. Der Rekurs sei aber zur Frage zulässig, ob sich nicht durch die hier festgestellte Form der Gewährung der Zuschüsse eine andere Beurteilung ergebe.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte, den Aufhebungsbeschluss im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt .

Die Beklagte bringt auch in ihrem Rekurs vor, dass dem Kläger kein individualrechtlicher Anspruch auf die Essensbons entstanden sei.

1.  Auch wenn man bei den streitgegenständlichen Essensbons von einer Wohlfahrtseinrichtung iSd § 95 ArbVG ausgeht, ist damit nach neuerer Rechtsprechung und überwiegender Literatur nicht von vornherein ausgeschlossen, dass in diesem Zusammenhang gewährte Leistungen auch zu einzelvertraglichen Ansprüchen werden können (vgl RS0108744; 9 ObA 105/97z; 8 ObA 4/07g; Reissner in Zellkomm 2  § 95 Rz 17; Rebhahn in Zellkomm 2 § 864a Rz 92; Binder in Tomandl , Arbeitsverfassungsgesetz § 95 ArbVG Rz 25 f; Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler Arbeitsverfassungsrecht 5 § 95 ArbVG Rz 24, 25; Eypeltauer , Die Mitwirkung des Betriebsrats an betrieblicher Wohlfahrtseinrichtungen, DrdA 1986, 194 ff, Pkt IX.5.). Voraussetzung ist, dass es sich um entgeltwerte Leistungen handelt, die keinen eindeutigen kollektiven Charakter haben und dass die einzelnen Arbeitnehmer aufgrund der gegebenen Umstände auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers vertrauen können und daher die Voraussetzungen des § 863 ABGB verwirklicht sind (vgl etwa 9 ObA 105/97z, 8 ObA 4/07g). Es kommt also darauf an, ob im konkreten Fall aus Sicht des redlichen Erklärungsempfängers ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers erkennbar ist, den individuellen Vorteil jedem einzelnen Arbeitnehmer auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen.

2.  Es entspricht auch der Rechtsprechung, dass eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen führen kann (RS0014539, RS0014543). Entscheidend ist, was der Partner bei sorgfältiger Würdigung dem Erklärungsverhalten entnehmen kann, welchen Eindruck die Arbeitnehmer von dem schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mussten, nicht aber das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers (RS0014154). Für das Vorliegen einer allgemein verbindlichen betrieblichen Übung ist nicht wesentlich, ob alle durch diese begünstigten Dienstnehmer die Begünstigung beanspruchten, sondern ob sie jenen Dienstnehmern, die darum ansuchten, auch tatsächlich gewährt wurde, sodass der sich auf die jahrelange betriebliche Übung berufende Dienstnehmer – selbst wenn er noch nie davon Gebrauch machte – damit rechnen konnte, in der gleichen Situation die Begünstigung unter den gleichen Voraussetzungen wie seine Kollegen zu erhalten (RS0014491). Grundsätzlich kann auch eine Arbeitgeberleistung, die als Betriebsübung Eingang in den Arbeitsvertrag gefunden hat, an Voraussetzungen gebunden sein, bei deren Wegfall auch die Einstellung der Leistung möglich wird (9 ObA 1/18i mwN).

3.  Für die Frage, welche Leistungen durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer begründen, kann es dabei auch eine Rolle spielen, ob und inwieweit die Leistungen mit den Arbeitsleistungen zusammenhängen oder vorrangig andere Ziele verfolgen. Ist nur letzteres der Fall, wird hier in der Regel keine schlüssige Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer dauerhaften, nicht einseitig widerruflichen Leistung aus dem Arbeitsverhältnis angenommen (zB 9 ObA 354/93: verbilligte Nutzung städtischer Einrichtungen [Bäder, Sauna]; 8 ObA 270/95: Zuschüsse zu Konzert- und Theaterkarten; 8 ObA 391/97a = RS0018033 [T1]: Ermäßigung der Besuchsgebühr für städtischen Kindergärten; 8 ObA 11/07m: Parkplatz; s dazu auch Mosler , Entgeltferne Leistungen – eine gesamtheitliche Analyse, in Brodil , Entgeltliches im Arbeitsrecht, Rechtsprobleme von Entgeltgestaltung und -abwicklung [2013] 57 ff, sowie die weiteren Bsp bei Auer-Mayer , aaO Rz 26; Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch , ArbVG § 95 Rz 101). Ähnliches gilt für Fälle, in denen sich die Wohlfahrtseinrichtung von vornherein als objektiv ungeeignet für den Eingang in Einzelarbeitsverträge erweist, da die bloße Benützungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer nur den Schluss auf einen Verpflichtungswillen gegenüber der gesamten Belegschaft zulasse (vgl 9 ObA 238/90: Betriebszahnarzt; 8 ObA 219/97g: Personalkantine). Ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt ist in solchen Fällen nicht zu fordern. Dagegen wurde für den Bezug eines verbilligten Mittagessens ein Individualanspruch bejaht (8 ObA 219/97g [aktive Arbeitnehmer]), wobei festgehalten wurde, dass die Leistung vom Arbeitgeber nicht nur durch bloße Gewährung, sondern auch durch ausdrücklichen Hinweis durch den Betriebsleiter bei Begründung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses Vertragsinhalt geworden sei.

4.  In der Entscheidung 9 ObA 121/10z ( Eypeltauer , ecolex 2011, 844; ZAS 2012/33 [ Drs ]; DRdA 2012/35 [ Mosler ]) wurde der Zweck von Essensbons – dort im Hinblick auf ihre Entgeltfortzahlungs- und Abfertigungswirksamkeit – näher beleuchtet und ausgeführt, dass solche Sachleistungen von der Entgeltfortzahlung auszunehmen sind, die ihrer Natur nach derart eng und untrennbar mit der Erbringung der aktiven Arbeitsleistung am Arbeitsplatz verbunden sind, dass sie ohne Arbeitsleistung nicht widmungsgemäß konsumiert werden könnten und ihre Weitergewährung während einer Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers nach dem mit ihnen verbundenen Zweck ins Leere ginge. Der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz ist primär in den arbeitsökonomischen Vorteilen einer solchen Verköstigung während des Arbeitstags zu sehen, weil sie im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Konzentration der Arbeitszeit ermöglicht (keine Notwendigkeit von Heimfahrten zur Nahrungsaufnahme). Daraus ergibt sich der unmittelbare Zusammenhang der Zuwendung dieser Leistung mit der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. In dieselbe Richtung weist auch die Erwägung, dass mit dieser Zuwendung auch der sonst typischerweise höhere finanzielle Aufwand eines Arbeitnehmers für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten verringert oder vermieden werden kann.

Nach dieser Entscheidung sind Essensbons sohin selbst im aufrechten Dienstverhältnis in so hohem Maß mit der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung verknüpft, dass ein darauf basierender (Entgeltfortzahlungs- und Abfertigungs-)Anspruch für leistungsfreie Zeiten verneint wurde.

5.  Soweit die Beklagte im vorliegenden Fall zunächst überhaupt bestreitet, dass ihr die Verwaltung und Abwicklung der Essensbons durch den Betriebsrat zurechenbar sei, ist auf die – diesen Standpunkt widerlegenden – Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (Berufungsurteil S 15).

6.  Ob ein in einer betrieblichen Übung begründeter einzelvertraglicher Anspruch der aktiven Arbeitnehmer auf die Essensbons begründet wurde, ist hier nicht entscheidungsrelevant. Auch wenn man das bejaht, ist für die Frage, ob aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers angenommen werden durfte, dass sich die Beklagte auch gegenüber ihren Pensionisten dauerhaft und in einseitig nicht veränderbarer Weise zur Gewährung von Essensbons verpflichten wollte, Folgendes zu bedenken:

Anders als das Berufungsgericht meint, muss die Bejahung einer in einem individualvertraglichen Anspruch mündenden betrieblichen Übung keinesfalls zwingend bedeuten, dass eine (Sach-)Leistung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch als Entgelt im Sinn einer synallagmatischen Gegenleistung aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen ist. Gerade weil das Arbeitsverhältnis beendet ist, bedürfte es vielmehr eines besonderen Grundes für die Annahme, dass sich ein Arbeitgeber als Gegenleistung für die bereits erbrachte Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zumindest konkludent zu einer dauerhaften, einseitig nicht widerrufbaren Leistung verpflichten wollte und nicht nur aus sozialen Erwägungen auch seinen Pensionisten eine vergünstigte Leistung gewährt. Ob ausreichende Gründe vorliegen, die auf einen solchen Verpflichtungswillen schließen lassen, kann grundsätzlich nur nach den Umständen des Falles bestimmt werden. Sie sind hier aber nicht im Sinn einer Bejahung ersichtlich.

Zum einen unterlagen die Vergünstigungen als solche bestimmten Veränderungen. Das unternehmenseigene Gasthaus wurde verkauft und zunächst von einer Kantine am Werksgelände abgelöst, diese sodann vom Essensbonssystem mit Vertragsgasthäusern und dem Kantinenpächter. Die Arbeitnehmer der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten mussten daher davon ausgehen, dass die Möglichkeit zum Essensbezug betrieblich-organisatorischen Anpassungen unterliegen konnte.

Hinsichtlich des bezugsberechtigten Personenkreises ist für die Absicht des Dienstgebers auch der Zweck von Essensbons beachtlich. Wie schon zu 9 ObA 121/10z dargelegt, liegt dieser im aufrechten Dienstverhältnis in der arbeitsökonomischen Essensversorgung der Mitarbeiter und der Verringerung ihres typischerweise höheren finanziellen Aufwands für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten. Dieser Zweck geht nach der genannten Entscheidung schon bei einer Arbeitsverhinderung im aufrechten Dienstverhältnis ins Leere. Umso mehr gilt das aber im Fall von pensionierten Arbeitnehmern, weil hier weder arbeitsökonomische Erwägungen zur Einnahme von Mahlzeiten in der Nähe des Arbeitsplatzes noch eine arbeitsbedingte Mehrbelastung von einem außer Haus konsumierten Essen noch eine Rolle spielen. Die Ausnützung von Essensbons hängt bei dieser Personengruppe in der Regel von persönlichen Lebensumständen und Gegebenheiten ab, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang mehr stehen (zB zufällige Nähe des Wohnorts zu den Vertrags-Gaststätten, Wunsch nach sozialem Kontakt mit ehemaligen Kollegen, geringes Pensionseinkommen ua). Das führt zu einem Funktionswandel der Essensbons für Pensionisten, der sowohl bei der Belegschaft als auch bei den Pensionisten als bekannt angenommen werden kann. Im konkreten Fall zeigte er sich auch darin, dass nur noch ein kleiner Teil von ca 10 bis 20 Pensionisten die Essensbons in Anspruch nahm und auch der Kläger sie seit seiner Pensionierung nur in geringem Ausmaß, manchmal „nie in der Woche, manchmal auch monatelang nicht“, nachgefragt und genutzt hat. Auch die ehemaligen Mitarbeiter hatten danach überwiegend keine von einem wirtschaftlichen Interesse geprägte Erwartungshaltung mehr, die darauf hindeuten würde, dass die Essensbons nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter als Teil des vertraglichen Austauschverhältnisses von Leistung und Vergütung verstanden wurden.

All das spricht hier aber dafür, dass die Essensbons aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers mit der Pensionierung eines Mitarbeiters zwar noch als Sozialleistung für ehemalige Mitarbeiter, nicht aber als vertraglich geschuldete Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung im Sinne eines aufgesparten, „thesaurierten“ Entgelts aufgefasst werden konnten. Dementsprechend fehlt es aber an Umständen, die auf einen Willen der Beklagten dahin schließen ließen, sich auch gegenüber ehemaligen Mitarbeitern aufgrund des früheren Arbeitsverhältnisses vertraglich zur lebenslangen Ausgabe der Essensbons verpflichtet zu haben.

7.  Auf die Frage, ob die Leistung der Essensbons für die Beklagte wegen der für sie nicht vorhersehbaren Nachfrage ausreichend bestimmbar war, kommt es danach nicht weiter an.

8.  Stand danach insoweit der soziale Charakter der Gewährung von Essensbons im Vordergrund, ist ein individualvertraglicher Anspruch bereits in Pension befindlicher Arbeitnehmer darauf zu verneinen. Die Einstellung der Leistung hält hier auch Billigkeitserwägungen stand, weil der Beklagten zuzugestehen ist, auf ein weniger missbrauchsanfälliges Bezugssystem umzusteigen.

9.  Da der Kläger keinen klagbaren Anspruch auf Essensbons hat, ist Punkt 1. des Klagebegehrens abzuweisen. Weiterer Feststellungen dazu, wann und wie oft er von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum (November 2016 bis November 2017) Essensbons verlangt hatte und diese ihm verweigert worden waren, bedarf es danach nicht.

10.  Daraus folgt weiter, dass der Kläger entgegen Punkt 2. des Klagebegehrens auch keinen Anspruch auf Herausgabe einer S***** Restaurant Pass Card hat, die ihm die um 3 EUR vergünstigte Mahlzeit pro Tag ermöglichen würde. Wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, ließe sich ein solcher Anspruch aber schon aus dem Klagevorbringen nicht ableiten, weil Pensionisten eine Teilnahme an diesem System stets verwehrt wurde und insofern keinesfalls eine betriebliche Übung begründet werden konnte. Die über die Einführung des „S*****‑Systems“ abgeschlossene Betriebsvereinbarung erstreckt sich mangels entsprechender Vertretungsbefugnis des Betriebsrats von vornherein nicht auf Pensionisten. Auch dieser Anspruch besteht danach nicht zu Recht.

11.  Da der Rekurs der Beklagten daher insgesamt berechtigt und die Rechtssache spruchreif ist, ist ihm Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

12.  Die – nach Maßgabe der von der Beklagten verzeichneten Kosten – getroffene Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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