European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124656
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,72 EUR (darin enthalten 55,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Streitteile sind Nachbarn von Liegenschaften, wobei der Keller auf der klägerischen Liegenschaft seit 1940 durch eine lose ins Erdreich gegrabene, mittlerweile verfallene Kellerröhre unter dem Grundstück der Beklagten (Straße) mit einem Keller eines anderen Grundstücks verbunden ist. Letzteres stand 1940 noch im Eigentumsrecht der Rechtsvorgänger des Klägers und wurde von diesem Ende der 80iger Jahre verkauft. Im Zeitpunkt der Errichtung der Kellerröhre durch den Rechtsvorgänger des Klägers hatte die Beklagte von der Bauführung keine Kenntnis. An der als Verbindungsgang mittlerweile nicht mehr nutz- und betretbaren Kellerröhre mit einer Zugangsöffnung im Durchmesser von 60 cm sind keine Eigentumsrechte (gesondert) verbüchert.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Kellerröhre bzw ihre Reste im Eigentum der beklagten Gemeinde stehe, hilfsweise die Feststellung, dass die Röhre nicht im Eigentum des Klägers stehe. Er brachte vor, dass es sich bei der Röhre um kein sonderrechtsfähiges Bauwerk handle. Sie sei daher nur dem Grundstückseigentümer zurechenbar. Selbst wenn der Hohlraum sonderrechtsfähig sei, sei die Beklagte wegen Ersitzung Eigentümerin.
Das Feststellungsinteresse ist in dritter Instanz nicht mehr strittig.
Die Beklagte wendet ein, dass die Kellerröhre von den Rechtsvorgängern des Klägers errichtet und ausschließlich genutzt worden sei. Sie habe erst 2016 von der Existenz der Röhre gewusst.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass die Röhre bzw ihre Reste als Superädifikat dem Kläger zuzuordnen seien. Es stützte diese Rechtsansicht auf den Umstand, dass der Wegfall der Funktion der Röhre als Verbindungskeller durch den (nach über 40 Jahren erfolgten) Verkauf einer der beiden Liegenschaften für die mangelnde Belassungsabsicht spreche.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn ab, wobei es in Präzisierung des Klagebegehrens das Urteil dahin formulierte, dass die Röhre unter dem Grundstück der Beklagten ein unselbständiger Bestandteil dieser Liegenschaft sei. Wegen Belassungsabsicht liege kein Superädifikat vor, wobei der Beginn der Arbeiten am Bauwerk maßgeblich sei. Auch sei der Kläger nicht nach § 300 ABGB Eigentümer. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und ließ die ordentliche Revision zur Frage der Belassungsabsicht einer verbindenden Kellerröhre bzw ihrer allfälligen Eigenschaft als selbstständiges Bauwerk und auch zum Umfang der Zulässigkeit der Präzisierung einer Klagsforderung zu.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revision, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach Ansicht der Beklagten ist die vom Berufungsgericht gewählte Urteilsformulierung nicht vom Begehren gedeckt. Die Revisionswerberin macht eine Nichtigkeit „bzw“ einen wesentlichen Verfahrensmangel geltend. Das gesamte erstinstanzliche Verfahren habe sich auf das Vorliegen eines selbständigen Rechtsobjekts Kellerröhre und nicht auf das Vorliegen eines nicht sonderrechtsfähigen Rechtsobjekts bezogen.
1.2 Nach gesicherter Rechtsprechung bedeutet ein Verstoß gegen § 405 ZPO keine Nichtigkeit, sondern eine Mangelhaftigkeit (RIS‑Justiz RS0041240, RS0041089 [T2]). Der Vorwurf der Nichtigkeit begründet somit nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels.
1.3 Auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor.
1.3.1 Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist. Eine in diesem Rahmen geänderte Formulierung durch das Gericht ist keine Überschreitung des Begehrens im Sinne des § 405 ZPO (RIS‑Justiz RS0037440).
1.3.2 Im Gegensatz zu den Ausführungen im Rechtsmittel zielte der Rechtsschutzantrag des Klägers auf die Zuordnung der Kellerröhre zum Eigentum der Beklagten ab. Seinen Standpunkt begründete der Kläger in erster Linie damit, dass die Hohlräume nicht sonderrechtsfähig seien bzw kein sonderrechtsfähiges Eigentumsobjekt vorhanden sei. Der Kläger argumentierte damit, dass die Beklagte nach § 297 ABGB Eigentümerin der Röhre sei.
1.3.3 Die Formulierung des Spruchs findet somit Deckung im Begehren und begründet daher keine Mangelhaftigkeit.
2. Zu einer Liegenschaft gehören nach § 297 ABGB grundsätzlich auch die darauf errichteten Gebäude (superficies solo cedit). Davon sieht das Gesetz Ausnahmen für Superädifikate (§ 435 ABGB) und für Räume und Bauwerke unter der Erdoberfläche (§ 300 ABGB) vor (zB 4 Ob 111/12w, 7 Ob 145/14w uva). Ob eine solche Ausnahme vorliegt, hat jene Partei, die sich darauf beruft, zu behaupten und zu beweisen; verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten (1 Ob 513/93; RIS‑Justiz RS0009887).
2.1 Mit dem Vorbringen in der Revision, dass ein Keller unter fremdem Grund und Boden ein selbständiges Rechtsobjekt sein kann, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Eine Kelleranlage wird nämlich erst bei Verbücherung durch eine besondere Grundbuchseinlage zu einer (sonderrechtsfähigen) unbeweglichen Sache (1 Ob 513/93; 5 Ob 160/12h; RIS‑Justiz RS0009887). Eine solche Verbücherung ist hier aber nicht erfolgt. Die Frage, ob Kellereigentum im Sinne des § 300 ABGB allenfalls auch außerbücherlich begründet werden kann (vgl Zöchling‑Jud/Kogler, Begründung und Übertragung von Kellereigentum, FS Bittner [2018] 891), wird in der Revision nicht ansatzweise angeschnitten, sodass in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 ZPO ausscheidet.
2.2 Auch die Ausführungen zur behaupteten Eigenschaft der Röhre als Superädifikat können die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Maßgeblich für die Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat ist das Fehlen der Belassungsabsicht durch den Erbauer im Zeitpunkt der Errichtung (RIS‑Justiz RS0011252; RS0012258 [T1]), was in der Revision nicht bestritten wird. Die Beklagte argumentiert vielmehr damit, dass die Verbindung 1940 nur temporär während Kriegszeiten als Fluchtweg errichtet worden sein soll. Ein entsprechendes Vorbringen wurde im erstinstanzlichen Verfahren allerdings nicht erstattet, sodass schon wegen des Verstoßes gegen das Neuerungsverbot in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (zuletzt 4 Ob 16/19k mwN).
2.3 Die in der Revision vertretene Zuordnung der Röhre als unselbständiger Bestandteil zum klägerischen Keller als damit verbundene Hauptsache setzt die Sonderrechtsfähigkeit des Kellers (auf dem Grundstück des Klägers) voraus. Die dafür beweisbelastete Beklagte (vgl Punkt 2) hat jedoch gar nicht behauptet, dass der Grundsatz superficies solo cedit im Anlassfall (auch) hinsichtlich des Bereichs unter der Erdoberfläche des klägerischen Grundstücks durchbrochen sein soll.
Schließlich bieten im Hinblick auf die Regel des § 297 ABGB auch die übrigen, sehr allgemein gehaltenen, Ausführungen, wonach die unter dem Grundstück der Beklagten liegende (und dieses daher in Anspruch nehmende) Röhre der klägerischen Liegenschaft zugeordnet sei, keinen Anlass zur Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, wobei als Bemessungsgrundlage allerdings 5.000 EUR heranzuziehen waren.
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