OGH 5Ob27/19k

OGH5Ob27/19k20.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Painsi, Dr. Steger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. A* GesmbH, *, 2. A*aktiengesellschaft, *, beide vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einverleibung eines Bestandrechts ob EZ *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 27. November 2018, AZ 14 R 98/18i, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125041

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag, das Bestandrecht gemäß Vertragspunkten II und V der Zusatzvereinbarung vom 28. 9. 2018 für die Zweitantragstellerin ob der Liegenschaft der Erstantragstellerin einzuverleiben, ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Judikatur, die nur solchen Bestandverträgen die Verbücherungsfähigkeit zuerkennt, deren zeitliche Dauer bestimmt oder zumindest bestimmbar ist, akzeptiert die Vertragsklausel, innerhalb einer bestimmten Frist nicht zu kündigen, als ausreichende zeitliche Bindung. Sie lässt die Eintragung des Bestandrechts schon dann zu, wenn der Vermieter für sich und seine Rechtsnachfolger im Eigentum der Bestandliegenschaft für eine bestimmte Zeit auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sein Rechtsnachfolger bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags heranziehen könnte (RIS‑Justiz RS0108658 [T2]; RS0020428 [T3, T4]; jüngst 5 Ob 142/17v; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 19 GBG Rz 18 f mwN). Die Prüfung eines Gesuchs auf Eintragung eines Bestandvertrags hat nach den Erfordernissen der §§ 26 ff GBG zu erfolgen und muss § 32 GBG genügen (5 Ob 157/07k; 5 Ob 269/08g). Gemäß § 26 Abs 2 GBG bedarf die vorgelegte Urkunde eines gültigen Rechtsgrundes, darüber hinaus ist nach § 32 Abs 1 lit b GBG eine ausdrückliche Aufsandungserklärung Voraussetzung für die Eintragung. § 31 Abs 1 GBG fordert für die Einverleibung aufgrund von Privaturkunden, dass die Unterschriften der Parteien auf den Urkunden gerichtlich oder notariell beglaubigt sind. Die Vorinstanzen hatten auf Basis dieser Rechtslage anhand der vorgelegten Urkunden zu prüfen, ob sich daraus eine wirksame Vereinbarung einer zeitlichen Bindung des Bestandverhältnisses ergibt. Dass sie das verneinten, hält sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung:

2.1. Die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag – abgeschlossen zwischen den beiden Antragstellern – weist als einzige der vorgelegten Urkunden zwar die notarielle Beglaubigung der Unterschrift der vertretungsbefugten Organe auf, regelt allerdings lediglich die Anmietung zusätzlicher Geschäftsräumlichkeiten von ca 98 m² und sieht unter dem Punkt II „Beginn des Mietverhältnisses, Mietdauer“ wörtlich vor: „Das Mietverhältnis für diese Zusatzfläche hat bereits am 1. 1. 2018 begonnen und wird analog zum bestehenden Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.“ Dass sich allein daraus die Vereinbarung einer zeitlichen Bindung in Form einer Kündigungsbeschränkung mit der für das Grundbuchsverfahren gebotenen Eindeutigkeit (RIS‑Justiz RS0060573) nicht ergibt, ist nicht zu beanstanden.

2.2. Die Zusatzvereinbarung nimmt – in der Präambel – zum Inhalt des Bestandvertrags noch auf eine– ebenfalls vorgelegte – Vereinbarung aus 2010, abgeschlossen zwischen beiden Antragstellern und der I* Gesellschaft mbH (damals Leasinggeberin und offenbar auch Eigentümerin der Liegenschaft) Bezug. Die Unterschriften der Parteien dieser Vereinbarung sind weder gerichtlich noch notariell beglaubigt. Als Grundlage für diese Vereinbarung erwähnt die Zusatzvereinbarung noch ein – ebenfalls vorgelegtes – Schreiben der Zweitantragstellerin an die I* vom 18. 7. 2006, das vom (damaligen) Vorstand der Zweitantragstellerin ebenfalls in nicht beglaubigter Form unterfertigt wurde. Dort wurde der I* der Abschluss eines Mietvertrags über spätestens am 30. 6. 2016 zu äußernden Wunsch angeboten. Aus Punkt II dieses Schreibens ergibt sich, dass der Abschluss des Mietvertrags zwar auf unbestimmte Zeit beabsichtigt war, wobei die Aufkündigung durch jede Seite unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Quartalsende vorgesehen wurde, eine Kündigung durch die Vermieterin jedoch ausschließlich aus dem im Mietrechtsgesetz genannten Gründen (ausgenommen Eigenbedarf) möglich sein sollte. Die Vereinbarung 2010 regelte den Übergang des zwischen der I* und der Erstantragstellerin bestehenden Immobilienleasingverhältnisses auf die Zweitantragstellerin in Form eines Mietverhältnisses, wobei die Erstantragstellerin dort als „zukünftiger Vermieter“ bezeichnet wurde und sich verpflichtete, im Zusammenhang mit diesem Mietvertrag gegenüber der Zweitantragstellerin die Kündigungsbeschränkung gemäß Punkt II des Schreibens vom 18. 7. 2006 einzuhalten.

2.3. Die auf 5 Ob 269/08g bzw RIS‑Justiz RS0124536 gestützte Auffassung des Rekursgerichts, angesichts dieser Urkundenlage liege zwar eine Nachtragsurkunde vor, die eine nach § 31 Abs 1 GBG beglaubigte und wirksame Aufsandungserklärung enthalte, allerdings ausdrücklich Bezug auf die Urkunde über das Titelgeschäft nehme, sodass zu verlangen sei, auch diese Urkunde als Grundbuchsurkunde in einer Form vorzulegen, die eine Eintragung zulässt, ist nicht korrekturbedürftig. Auch die Entscheidungen des Fachsenats 5 Ob 36/07s und 5 Ob 114/11t stehen dem nicht entgegen. Entgegen dem Revisionsrekurs ist die höchstgerichtliche Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich:

2.4. In dem zu 5 Ob 114/11t (= NZ 2012/95 [zust Hoyer] = immolex 2012/19 [zust Edelhauser]) beurteilten Fall lagen dem Einverleibungsgesuch (unter anderem) ein nicht beglaubigter Mietvertrag und eine beglaubigte Aufsandungserklärung zugrunde. Dort bewilligte der Fachsenat den Antrag, weil zufolge § 32 GBG die ausdrückliche Erklärung desjenigen, dessen Recht beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden soll, dass er in die Einverleibung einwilligt, in welcher Urkunde auch immer sie abgegeben wird, die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 GBG erfüllen muss. Allerdings bedarf die Unterfertigung des durch die Einverleibung Berechtigten nur einmal einer gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung, wobei diese entweder in der Titelurkunde, der Aufsandungserklärung oder auch erst im Grundbuchsgesuch abgegeben werden kann.

5 Ob 36/07s verlangte, dass die Echtheit der Unterschrift sowohl des berechtigten als auch des belasteten Teils unzweifelhaft feststehen muss. Wird ein Nachtrag erforderlich, bedarf dieser nur dann einer neuerlichen Beglaubigung der Unterschrift des berechtigten Teils, wenn aufgrund des Nachtrags eine Aufsandungserklärung mit neuem Inhalt erforderlich wird.

Der hier zu beurteilende Fall ist aber dadurch gekennzeichnet, dass eine Titelurkunde über den Abschluss eines Bestandvertrags zwischen den beiden Antragstellern, aus der sich eine zeitliche Bindung der Vermieterin ergeben hätte, nicht in grundbuchsfähiger Form vorliegt:

2.5. Hier kommt als Titel für das einzuverleibende Bestandrecht (jedenfalls in seinem ursprünglichen Umfang vor dem Nachtrag vom 8. 8. 2018) überhaupt nur die Vereinbarung vom 29. 11./6. 12./19. 12. 2010 in Betracht, wobei die Unterschriften der Beteiligten unleserlich und nicht beglaubigt sind. Selbst wenn man im Gegensatz zu dem zu 5 Ob 269/08g entschiedenen Fall hier nicht von Zweifeln an der Vertretungsmacht der für die Beteiligten dieser Vereinbarung einschreitenden physischen Personen ausgehen wollte, würde dies nichts daran ändern, dass – auch nach dem Vorbringen der Antragsteller – das Mietverhältnis zwischen ihnen auf einer Dreiparteieneinigung beruhen soll, die in der Zusatzvereinbarung abgegebene Aufsandungserklärung allerdings nur das Bestandrecht laut Zusatzvereinbarung gemäß dessen Vertragspunkten II und V – somit hinsichtlich der Zusatzfläche – erfasst. Nur diese Aufsandungserklärung liegt in notariell beglaubigter Form vor. Eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Aufsandungserklärung der damaligen Leasinggeberin (und Eigentümerin) zur Einverleibung des angeblich schon 2006 mit ihr begründeten Bestandverhältnisses liegt hingegen nicht vor.

3. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte