OGH 14Os135/18m

OGH14Os135/18m5.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Jan H***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 19. Juli 2018, GZ 41 Hv 9/18s‑29a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00135.18M.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jan H***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1, § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in B***** und an anderen Orten des Bundesgebiets außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen und vorzunehmen versucht, und zwar

(I) an der am 23. November 2003 geborenen C***** M*****, in dem er sie

1) im September 2016 unter dem T‑Shirt an ihren Brüsten zu berühren versuchte und den Knopf ihrer Hose öffnete, um sie im Intimbereich zu betasten, wobei es beim Versuch blieb, weil die Genannte seine Hand wegschob und sich von ihm entfernte;

2) von September 2016 bis zum 19. Mai 2017 etwa zwei Mal wöchentlich oberhalb der Kleidung im Genitalbereich berührte und dabei jeweils kreisende Bewegungen mit seinen Fingern vollführte;

(II) an dem am 1. März 2003 geborenen N***** G*****, indem er im September 2016 mit seinen Fingern dessen Penis oberhalb der Kleidung streichelte und dies im September oder Oktober 2016 sowie zwischen den Herbst- und Weihnachtsferien 2016 versuchte, was jeweils daran scheiterte, dass der Genannte seine Hand wegdrückte.

Der dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

 

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der N***** S***** Verteidigungsrechte nicht verletzt. Diesen hatte der Verteidiger des Angeklagten zum Beweis dafür gestellt, dass die ihm zu I/2 vorgeworfenen sexuellen Übergriffe nicht stattgefunden hätten, und dazu ausgeführt, dass S*****, welche im Tatzeitraum täglich zu den vom Opfer behaupteten Tatzeiten mit dem Bus zur Arbeit gefahren sei, die Vorfälle von ihrer Position aus wahrnehmen hätte müssen. Außerdem habe die Genannte den Beschwerdeführer mit der Begründung vor C***** M***** gewarnt, dass diese sich offenbar in ihn verliebt und für ihn geschwärmt habe (ON 29 S 11).

Die Tatrichter gingen auf Basis der Angaben des Tatopfers davon aus, dass der von der Anklage umfasste sexuelle Missbrauch nur dann stattfand, wenn M***** mit dem Angeklagten alleine im Bus war, worauf der Beschwerdeführer in der Begründung für die abweisliche Entscheidung hingewiesen wurde, ohne dass er ein ergänzendes Vorbringen erstattet hätte (erneut ON 29 S 11). Aus welchem Grund

die beantragte Beweisaufnahme dennoch das vom Antragsteller behauptete Ergebnis

erwarten ließ, wurde nicht dargelegt (RIS‑Justiz

RS0099454, RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327, 342).

Die – zudem unerhebliche – unter Beweis gestellte Warnung durch S***** hielt das Erstgericht für erwiesen (ON 29 S 11; US 11).

Weitere in der Beschwerdeschrift zur Antragsfundierung nachgetragene Ausführungen unterliegen dem

Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Ob der Angeklagte den Knopf der Hose des Tatopfers öffnete, bevor er versuchte, es im Intimbereich zu betasten, ist – auch mit Blick auf das weitere zum diesbezüglichen Schuldspruch I/1 festgestellte Täterverhalten (US 3, 5) – für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage irrelevant. Diesbezügliche Unsicherheiten der Zeugin M***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Befragung (ON 16 S 41 f), bei der sie im Übrigen die Richtigkeit ihrer unmissverständlichen Angaben vor der Kriminalpolizei ausdrücklich bestätigte (ON 16 S 11 iVm ON 2 S 33), waren daher entgegen dem Beschwerdestandpunkt nicht gesondert erörterungsbedürftig im Sinn der Z 5 zweiter Fall (RIS‑Justiz RS0117593).

Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der vom Erstgericht – mit ausführlicher Begründung – bejahten Glaubwürdigkeit der Genannten (US 7 ff) wird keine entscheidende Tatsache angesprochen. Ausschließlich eine solche wäre aber tauglicher Bezugspunkt des Einwands der Unvollständigkeit bei der Beurteilung der Überzeugungskraft dieser Aussage (RIS‑Justiz

RS0119422 [T4]).

Gleiches gilt für die weiters als übergangen reklamierten Bekundungen der Genannten zur Häufigkeit der zu I/2 angelasteten sexuellen Missbrauchshandlungen.

Dieser Schuldspruch umfasst nämlich eine gleichartige Verbrechensmenge nur

pauschal individualisierter Taten (zum Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33), weshalb der

mit dem Vorbringen angestrebte Wegfall einzelner sexueller Übergriffe ohne Auswirkung auf den Schuldspruch und die Subsumtion wäre (RIS‑Justiz RS0116736).

Von der Zeugin M***** geschilderte (weitere) Berührungen ihres Intimbereichs mit dem Ellenbogen des Angeklagten, die nach ihren Angaben auch „zufällig“ passiert sein könnten (ON 16 S 43 ff, 48), wurden dem Angeklagten nicht vorgeworfen, sodass auch insoweit keine Verpflichtung zu einer Erörterung darauf bezogener Aussagen der Genannten bestand.

Zum Schuldspruch II macht die Beschwerde nicht klar, inwiefern die insoweit entscheidungswesentlichen Feststellungen (US 4) zufolge Fehlens einer Klarstellung „wie und in welcher Position der kleine Finger an der geschlechtlichen Handlung beteiligt gewesen sein soll“, undeutlich (nominell „Z 5 lit a“, der Sache nach Z 5 erster Fall) sein sollten.

Soweit sie in diesem Zusammenhang die These aufstellt, die konstatierte Berührung des Genitalbereichs des Tatopfers G***** mit der Rückseite des Ring- und des Mittelfingers sowie dem kleinen Finger sei „anatomisch … nicht möglich“, zumal der Angeklagte nach den Urteilsannahmen währenddessen ein Handy in der Hand hielt, wird Widersprüchlichkeit der „Beschreibung bzw der Feststellung der Tathandlung“ (ersichtlich gemeint im Sinn der Z 5 dritter Fall) nicht geltend gemacht (vgl dazu RIS‑Justiz

RS0119089),

sondern Beweiswürdigungskritik nach Art einer im Schöffenverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung geübt.

Der zu allen Schuldsprüchen erhobene Vorwurf bloßer „

Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) legt nicht dar, weshalb die Erwägungen der Tatrichter, die sich im Wesentlichen auf die – für glaubwürdig und nachvollziehbar erachteten – belastenden Aussagen der Opfer stützten (US 7 ff), den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollen (RIS‑Justiz RS0118317; vgl auch

RS0106588).

Mit der teilweisen Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge, dem Hinweis auf angebliche – nicht das eigentliche Tatgeschehen betreffende – Widersprüche in den Aussagen der Zeugin M***** und dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) zu den Schuldsprüchen I/1 und 2 nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Mit der Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz wird Nichtigkeit aus Z 5a gleichfalls nicht aufgezeigt, sondern insgesamt (abermals) bloß in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 454; RIS‑Justiz RS0098483, RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 

9 lit a) bestreitet – deutlich und bestimmt nur zu den Schuldsprüchen I/2 und II – die Tatbestandsmäßigkeit des konstatierten Täterverhaltens (nach § 207 Abs 1 StGB), weil – angesichts der Position von Angeklagtem und Opfer im Bus (I/2) und des Umstands, dass der Beschwerdeführer anlässlich der vom Schuldspruch II umfassten Tathandlungen ein Handy in der Hand hielt – die festgestellten Berührungen nicht die erforderliche

Intensität erreicht hätten. Sie hält damit nicht am Urteilssachverhalt fest, wonach H***** jeweils den (bekleideten) Genitalbereich der – im Tatzeitraum 12‑ bis 13‑jährigen – Opfer M***** und G***** berührte und dabei (zu I/2) mit dem Finger kreisende Bewegungen ausführte, (zu II/1) etwa vier Mal mit drei Fingern über den Penis des Letztgenannten streichelte und dies (zu II/2 und 3) versuchte (US 3 ff).

Aus welchem Grund diese Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB nicht ausreichen sollten (vgl dazu RIS‑Justiz RS0102141), erklärt die Beschwerde nicht (RIS‑Justiz RS0116565). Dass Berührungen des Genitalbereichs oberhalb der Kleidung nur „ausnahmsweise eine geschlechtliche Handlung begründen“, die hiefür erforderliche „entsprechende Intensität des Eingriffs“ jedoch „hier“ nicht vorliege, wird ohne methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (vgl dazu RIS‑Justiz RS0095733 [T10], RS0095186).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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