OGH 11Os151/18t

OGH11Os151/18t29.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelmine D***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, AZ 2 U 123/18g des Bezirksgerichts Urfahr, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 3. August 2018, AZ 23 Bl 18/18p (ON 7 der U‑Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, und des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Helml zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00151.18T.0129.000

 

Spruch:

 

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 3. August 2018, AZ 23 Bl 18/18p, verletzt § 195 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 196 Abs 2 erster Satz StPO.

Der Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Christine H***** auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen Wilhelmine D***** wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB aufgetragen.

 

Gründe:

Wilhelmine D***** stand aufgrund einer am 19. April 2018 erstatteten Anzeige im Verdacht, sie habe am 16. April 2018 einen Gärtner angewiesen, die Thujenhecke der Christine H***** über die Grundstücksgrenze hinaus zurückzuschneiden, wodurch diese zerstört und durch die Tat ein Schaden in der Höhe von 10.724,66 Euro verursacht worden sei (ON 2 der Akten AZ 9 St 88/18m der Staatsanwaltschaft Linz).

Am 17. Mai 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Linz das (wegen Verdachts eines als schwere Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB beurteilten Verhaltens) geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 1) und begründete dies – auf Verlangen des Opfers (§ 194 Abs 2 zweiter Satz StPO; ON 3) – im Wesentlichen damit, dass „der Beschuldigten im Zweifel kein bedingter Beschädigungsvorsatz iSd § 125 StGB nachzuweisen“ sei (ON 4).

Mit Antrag vom 21. Juni 2018 (ON 5) begehrte H***** die Fortführung des Ermittlungsverfahrens aus den Gründen des § 195 Abs 1 Z 1, Z 3 StPO. Verbunden mit beweiswürdigenden Erwägungen behauptete sie eine unrichtige Gesetzesanwendung, weil der Vorsatz der Beschuldigten sich „nachweislich auf eine Sachbeschädigung im Sinn der §§ 125 f StGB“ erstreckt habe. Als „neue Beweismittel“ legte sie einen Kostenvoranschlag vom 25. April 2018 und Lichtbilder der geschnittenen Hecke vor.

Nach Zustellung einer (ablehnenden) Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 6), in welcher die Beurteilung bekräftigt wurde, dass ein Schuldnachweis zur subjektiven Tatseite nicht zu erbringen sei – erstattete die Fortführungswerberin eine Äußerung (nicht journalisiert in AZ 23 Bl 18/18p des Landesgerichts Linz). Darin wiederholte sie unter Hinweis auf die Lichtbilder der Hecke ihre Einschätzung der Beweislage und wies nunmehr darüber hinaus (zur Beachtlichkeit weiteren Vorbringens in der Äußerung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vgl Nordmeyer, WK‑StPO § 196 Rz 24 sowie § 195 Rz 36) darauf hin, dass das Verhältnis zwischen den Nachbarn „stark zerrüttet“ und der Alltag von „ständigen Sticheleien und kleinen Boshaftigkeiten von Seiten der Beschuldigten gegenüber der Familie H*****“ geprägt sei.

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 3. August 2018, AZ 23 Bl 18/18p (ON 7), wurde die Fortführung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigte aufgetragen.

Dies wegen „erhebliche[r] Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen, die der Entscheidung über die Beendigung zugrunde gelegt wurden“. Ausgehend von der Zeugenaussage des Gärtners ergebe sich, dass die Beschuldigte über den Grenzverlauf Bescheid gewusst habe und „nach dem Willen der Beschuldigten generell die Hecke tiefer in das Nachbargrundstück hineingeschnitten werden sollte“. Dass solcherart auch andere (gesunde) Äste betroffen sein könnten, sei „der Beschuldigten damit wohl bewusst“ gewesen. Angesichts dieser Beweisergebnisse lasse sich nicht ableiten, dass es ihr an einem zumindest bedingten Schädigungs-, Verunstaltungs- oder gar Zerstörungsvorsatz gefehlt habe. Dass „Thujen Schaden leiden können, wenn man in den Bereich des Holzes schneidet“, sei Laien bekannt und „ein solches Wissen bei der Beschuldigten, die selbst einräumt, dass sie seit 30 Jahren bereits die Thujen geschnitten hat, ohne weiteres vorauszusetzen“. Zur näheren Abklärung der subjektiven Tatseite „könnte“ auch der Gärtner ergänzend vernommen werden, „ob er die Beschuldigte allenfalls darauf hingewiesen habe, dass ein Zurückschneiden der Äste die Thujenhecke beschädigen könnte ...“. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend geklärt und werde „die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass der Beschuldigten auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse im Zweifel kein Vorsatz nachzuweisen wäre, nicht geteilt“.

Ersichtlich mit Blick auf die vom Landesgericht Linz bereits aus § 195 Abs 1 Z 2 StPO für notwendig erachtete Verfahrensfortführung unterblieb ein Eingehen auf die als neue Beweismittel im Sinn des § 195 Abs 1 Z 3 StPO vorgelegten Lichtbilder (Blg ./B zu ON 5).

 

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt der Beschluss des Landesgerichts Linz das Gesetz.

Als Korrektiv für die ausschließlich in die Kompetenz der Staatsanwaltschaft (vgl Art 90 Abs 2 und Art 90a zweiter Satz B‑VG, § 4 Abs 1 StPO) fallende Verfahrenseinstellung sieht das Gesetz die gerichtliche Überprüfung dieser von einem Organ der Gerichtsbarkeit (Art 90a erster Satz B‑VG) getroffenen Entscheidung aufgrund eines Fortführungsantrags nach § 195 StPO vor (vgl RIS‑Justiz RS0126209; Nordmeyer, WK‑StPO § 196 Rz 15 f mwN), wobei – ohne das Anklagemonopol in Frage zu stellen  – die Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft lediglich einer Missbrauchskontrolle unterworfen werden soll.

Gemäß § 195 Abs 1 StPO hat das Gericht auf Antrag des Opfers die Fortführung eines nach §§ 190 bis 192 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft anzuordnen, wenn das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde (Z 1), erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen bestehen, die der Entscheidung über die Beendigung zugrunde gelegt wurden (Z 2), oder neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, den Sachverhalt soweit zu klären, dass nach dem 11. oder 12. Hauptstück vorgegangen werden kann (Z 3).

Gemäß § 195 Abs 2 dritter Satz StPO muss der Antrag oder die Äußerung (§ 196 Abs 1 StPO) die Gründe einzeln und bestimmt bezeichnen, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind. Werden neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so gilt § 55 Abs 1 StPO sinngemäß.

Aus der geforderten deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Gründe, aus denen die erheblichen Bedenken abzuleiten sind und der entsprechenden Pflicht des Gerichts, darauf gegebenenfalls hinzuweisen (§ 196 Abs 1 zweiter Satz StPO), ist ein auf den Antrag beschränkter Prüfungsumfang abzuleiten (RIS‑Justiz RS0126210, RS0126211 [T1]).

Gegen eine zur Einstellung des Verfahrens führende Beurteilung der Verfahrensergebnisse in tatsächlicher Hinsicht steht im Grunde der Z 2 des § 195 Abs 1 StPO ein gerichtlicher Rechtsschutz nur insoweit offen, als der Fortführungswerber in der Begründung seines Antrags deutlich und bestimmt aufzeigt, warum gegen die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, wonach eine Verurteilung aus bestimmten Tatsachen nicht naheliege, erhebliche Bedenken bestehen. Lediglich in einem die Erheblichkeitsschwelle erreichenden Umfang kann unter der Bedingung und Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Beweismittel auch die Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft thematisiert werden (zum gleichgelagerten Beurteilungsmaßstab der §§ 281 Abs 1 Z 5a und § 362 StPO: RIS‑Justiz RS0126211 [T4]; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 472 und 488 ff). Eine berechtigte qualifizierte Kritik setzt daher voraus, dass der Einstellungsentscheidung eine unerträgliche Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung zugrunde liegt, also im Ermittlungsverfahren gewonnene Beweismittel gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Einstellungsentscheidung aufkommen lassen und diese eine unrichtige Lösung der Verfahrenseinstellung qualifiziert nahelegen (vgl RIS‑Justiz RS0118780; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40).

Indem die Fortführungswerberin bloß andere beweiswürdigende Erwägungen als die Staatsanwaltschaft (ON 4) zu den Aussagen der Beschuldigten und des Zeugen anstellte, wurden erhebliche Bedenken nicht gesetzeskonform aufgezeigt.

Daher wurde durch die (lediglich) solcherart begründete Entscheidung des Landesgerichts Linz den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprochen. Diese Feststellung erübrigt ein Eingehen auf das sonstige Vorbringen der Fortführungswerberin als im Gegenstand ohne Belang.

Die aufgetragene Fortführung des Ermittlungsverfahrens gereicht der Beschuldigten zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO), weswegen sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, den Beschluss aufzuheben und Verfahrenserneuerung aufzutragen.

Vom aufgehobenen Beschluss rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

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