OGH 3Ob155/18t

OGH3Ob155/18t21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 134.363 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 137.848 EUR sA) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. Mai 2018, GZ 2 R 13/18a‑37, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. November 2017, GZ 20 Cg 4/16i‑32 teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00155.18T.1121.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die ihnen im Rekursverfahren entstandenen Verfahrenskosten endgültig selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Auch die Zurückweisung eines solchen Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RIS‑Justiz RS0043691):

1. Das Berufungsgericht begründet den Zulassungsausspruch damit, seine Rechtsansicht könnte gegen den vom Obersten Gerichtshof formulierten Grundsatz verstoßen, wonach eine Haftung des beklagten Krankenanstaltsträgers für die aus der Behandlung der Klägerin resultierenden Folgen grundsätzlich voraussetze, dass sich jenes Risiko verwirklichte, über das aufzuklären gewesen wäre (5 Ob 231/10x). Hier sei die Klägerin über das Risiko aufgeklärt worden, das sich bei ihr dann verwirklicht habe, nicht aber über eine alternative Operationsmethode, die ebenfalls dieses Risiko (der eingetretenen Komplikation) aufgewiesen habe; daher könnte unter diesen Gesichtspunkten (allenfalls) eine Haftung der Beklagten aufgrund der zitierten Entscheidung (wegen fehlenden Rechtswidrigkeits-zusammenhangs) verneint werden, ohne dass es der angeordneten Verfahrensergänzung (zur Frage der Indikation der alternativen Operationsmethode) bedürfte.

1.1 Grundsätzlich gilt, dass der Umfang der vom Arzt geschuldeten Aufklärung nicht pauschal festgelegt werden kann, sondern von den Umständen des konkreten Falls abhängt (RIS‑Justiz RS0026529). Der Arzt muss nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern, er muss ihn aber, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat; eine solche Verpflichtung besteht gerade bei einem Unterschied im Risiko, den Folgen, vor allem aber in der Erfolgssicherheit und der Schmerzbelastung (RIS‑Justiz RS0026426). Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist erforderlich, wenn für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben (RIS‑Justiz RS0026426 [T11]). Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so ist eine umfassende Aufklärung notwendig (RIS‑Justiz RS0026772 [T6]). Wurde der Patient nicht ausreichend aufgeklärt, so ist die Behandlung grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn der Eingriff selbst medizinisch indiziert war und lege artis durchgeführt wurde (RIS‑Justiz RS0026783).

Das Berufungsgericht vertritt den Standpunkt, dass eine Ergänzung der Tatsachengrundlage zur Frage erforderlich ist, ob die – der Klägerin vor dem Eingriff nicht erklärte – alternative Behandlung (die bereits als „wesentlich andere Operationsmethode“ mit einer in Bezug auf die mögliche „größere Gewichtsabnahme“ anderen Erfolgschance feststeht) aufgrund der vorhandenen Beschwerden als gleichfalls indizierte Vorgangsweise in Betracht kam. Dem kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042333 [T1]; RS0043414 [insb T7 und T8]), weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflichten im Einklang steht: Die in der Zulassungsbegründung zitierte Rechtsprechung bezieht sich nämlich auf die unterbliebene ärztliche Aufklärung zu den mit einer Behandlungsmethode verbundenen Risiken; (nur) wenn der Arzt über eine mögliche Komplikation nicht aufklärte, setzt die Haftung voraus, dass sich gerade dieses Risiko verwirklichte.

2. Auch dem Rekurs des Beklagten gelingt es nicht, eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

2.1 Nach dem Sachverhalt war zwar – wie das Rechtsmittel hervorhebt – die Behandlung mit der gewählten Operation „am besten“ geeignet, um die Beschwerden der Klägerin zu beherrschen. Dies ist allerdings nicht darin zu verstehen, dass damit ein Vergleich zu anderen Behandlungsalternativen gezogen worden wäre; es fehlen nämlich Feststellungen dazu, ob (auch) andere Methoden „geeignet“ gewesen wären, um das Krankheitsbild der Klägerin zu behandeln. Ebenso ungeklärt ist die Frage, wofür sich die Klägerin bei entsprechender Aufklärung über die mögliche Alternative (mit möglicher größerer Gewichtsabnahme) entschieden hätte. Zunächst ist allerdings zu prüfen, die Frage, ob die andere Operationsmethode bei der Klägerin überhaupt medizinisch indiziert war, weil auch diese Frage – entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers – noch nicht geklärt ist.

2.2 Auch eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Risiko der (konkreten) Komplikation, die bei der Klägerin schließlich eingetreten ist und die auch bei der Alternative hätte auftreten können, wäre nicht geeignet, eine (mögliche, erst durch die Verfahrensergänzung zu klärende) Rechtswidrigkeit des Eingriffs – wegen fehlender wirksamer Einwilligung der Klägerin in die gewählte Operation (RIS‑Justiz RS0026499) – zu beseitigen. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist daher im vorliegenden Fall der Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Umfangs der ärztlichen Aufklärungspflicht im konkreten Einzelfall nicht überschritten.

3. Der Kostenausspruch beruht auf § 40 und § 50 Abs 1 ZPO. Im vorliegenden Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gibt es zwar keinen Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO (RIS‑Justiz RS0123222 [T2, T4]; RS0035976 [T2]); dennoch findet ein Kostenersatz hier nicht statt, weil die Klägerin auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten nicht hingewiesen hat (RIS‑Justiz RS0123222 [T8]).

Stichworte