OGH 8ObA52/18g

OGH8ObA52/18g24.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andrea Komar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. H*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** e.U., *****, vertreten durch Dr. Martin Peter Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juli 2018, GZ 11 Ra 37/18t‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00052.18G.1024.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0106298), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen. Eine solche zeigt der Kläger, dessen Entlassung mit Schreiben vom 13. 7. 2017 durch die Beklagte nach Ansicht der Vorinstanzen berechtigt war, nicht auf.

2. Nach den Feststellungen hatten die– miteinander verheirateten – Streitteile bei Begründung des Dienstverhältnisses des Klägers per 5. 7. 1999 zur – als Einzelunternehmerin die S***** Apotheke betreibenden – Beklagten bzw zu deren Rechtsvorgängerin, der S***** KG, eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden mit einer täglichen Kernarbeitszeit von fünf Stunden vereinbart.

Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 28. 6. 2017 wurde der Kläger aufgefordert, seiner Dienstpflicht von 40 Wochenstunden nachzukommen, wobei Dienstzeiten von 9:00–13:00 Uhr und von 14:00–18:00 Uhr vorgegeben wurden. Dennoch veränderte der Kläger sein Verhalten nicht. Vielmehr kam er an den Folgetagen nicht in die Apotheke. Daraufhin verwarnte die Beklagte den Kläger nochmals mit Schreiben vom 6. 7. 2017 und forderte ihn auf, seinen Dienst anzutreten und seine Arbeitsleistung zu erfüllen und zu erbringen. Dabei wurden dem Kläger alternative Arbeitszeiten von 8:00–12:00 Uhr und von 14:00–18:00 Uhr oder von 8:00–12:00 Uhr und von 13:00–17:00 Uhr vorgeschlagen. Wiederum folgte weder eine Verhaltensänderung des Klägers noch ein klärendes Gespräch zwischen den Streitteilen.

3. Die Auslegung von Feststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RIS‑Justiz RS0118891 [T5]).

Die Auslegung der genannten Feststellungen durch das Berufungsgericht dahin, dass der Kläger über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen (vom 28. 6. bis 13. 7. 2017) seiner Arbeit in der S***** Apotheke zur Gänze fernblieb, ist jedenfalls vertretbar, mag auch der Kläger den Feststellungen ein anderes – das Fehlen einer entsprechenden Feststellung unterstellendes – Verständnis beimessen. Der vom Kläger gerügte sekundäre Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

4. Davon ausgehend ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen, das Verhalten des Klägers verwirkliche den Entlassungstatbestand des § 27 Z 4 erster Fall AngG, nicht zu beanstanden.

Nach § 27 Z 4 erster Fall AngG ist der Dienstgeber zur Entlassung berechtigt, wenn der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt. Erheblich ist ein Versäumnis, wenn es nach der Dauer der versäumten Arbeitszeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder auf Grund des Ausmaßes des infolge des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolgs oder der sonstigen dadurch eingetretenen betrieblichen Nachteile besondere Bedeutung besitzt (RIS‑Justiz RS0029495). Es ist daher nicht die absolute Dauer der Arbeitsversäumnis entscheidend, sondern die Bedeutung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gerade während dieser Zeit. Ein eintägiges Dienstversäumnis wird allerdings im Allgemeinen, von besonders gelagerten Ausnahmefällen abgesehen, immer tatbestandsmäßig sein (8 ObA 220/02i mwN).

Das völlige Fernbleiben von der Arbeit über mehr als zwei Wochen erfüllt hier schon deshalb das Kriterium der Erheblichkeit, weil es der zweimaligen ausdrücklichen Anordnung der Beklagten, der Kläger möge seinen Dienst in der S***** Apotheke antreten und erfüllen, zuwiderlief. Da das Unterlassen der Dienstleistung immer auch eine Dienstverweigerung ist ( Kuderna , Entlassungsrecht 2 104, Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 27 Rz 321), liegt im Verhalten des Klägers zudem eine beharrliche Dienstverweigerung nach § 27 Z 4 zweiter Fall AngG. Weiterer Feststellungen zur Erheblichkeit dieses Verhaltens bedurfte es daher nicht.

5. Daran vermag auch die vom Kläger ins Treffen geführte „Individualübung“ nichts zu ändern.

Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Beklagte mit dem Arbeitsverhalten des Klägers, der sich von Beginn an die Arbeitszeit nach eigenem Gutdünken einteilte, jene Tätigkeiten verrichtete, die er für sinnvoll erachtete, und der seine schriftlich festgelegte Dienstpflicht von 40 Wochenstunden nicht erfüllte, nicht einverstanden war, und dass dies auch gelegentlich Gesprächsthema zwischen den Streitteilen war. Unter dieser Prämisse ist das Berufungsgericht aber vertretbar davon ausgegangen, dass der Kläger nicht im Sinn des § 863 ABGB von einer konkludenten Änderung des Dienstvertrags ausgehen durfte (vgl RIS‑Justiz RS0109021), auch wenn die Beklagte während der aufrechten Ehe lange Zeit keine dienstrechtlichen Konsequenzen setzte.

Der Kläger behauptet nicht, dass die Arbeitszeitvereinbarung aus dem Jahr 1999 hinsichtlich seiner Tätigkeit in der S***** Apotheke anlässlich der Gründung einer – eine weitere Apotheke betreibende – Gesellschaft durch die Streitteile im Jahr 2002, in die der Kläger seine Arbeitskraft „im Volldienst“ einzubringen versprach, dahin abgeändert worden wäre, dass er ab diesem Zeitpunkt gar keine Leistungen für die S***** Apotheke mehr hätte erbringen müssen.

Dem Kläger gelingt es damit nicht, Zweifel daran zu wecken, dass die dem Ausspruch der Entlassung vorangehenden Weisungen der Beklagten, er möge seinen Dienst (auch) in der S***** Apotheke leisten, gerechtfertigt war.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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