OGH 1Ob122/18z

OGH1Ob122/18z26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** H*****, vertreten durch Mag. Johannes Götsch, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Stefan C***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Dr. Walter Platzgummer und Mag. Robert Sellemond, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen restlicher 151.500 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. April 2018, GZ 3 R 281/17w‑55, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 18. August 2017, GZ 29 C 188/16w‑51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00122.18Z.0926.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft. Er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers berief sich der Beklagte auf Arglist bereits in erster Instanz, nämlich in seinem Schriftsatz vom 16. 10. 2014. Ob Tatsachenfeststellungen die Annahme von Arglist rechtfertigen, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0014827 [T4, T8]). Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Kläger dem Beklagten eine Machbarkeitsstudie der Fakultät für Landwirtschaft und Ernährungswissenschaften der Universität Sarajevo präsentierte und eine vom Dekan der Fakultät gefertigte Bestätigung vorlegte, wonach die Studie von der genannten Fakultät ausgearbeitet worden sei. Tatsächlich stammte die Studie – entgegen den Revisionsausführungen – aber nicht von der Universität Sarajevo bzw der genannten Fakultät (dass die Studie nicht „an“ der Fakultät erstellt wurde, stellt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht auf den Ort der Erstellung ab, sondern bringt zum Ausdruck, dass es sich um keine „offizielle“ Studie der Fakultät handelt; dass eine Fakultät keine Machbarkeitsstudie erstellen könne, wurde in erster Instanz nicht behauptet). Hätte der Beklagte dies (nämlich dass es sich bei der Studie um keine „offizielle“ Studie der genannten Fakultät handelt) gewusst, hätte er sich nicht „auf das Projekt eingelassen“, die dem Klagsanspruch zugrundeliegenden Verträge also nicht abgeschlossen. Aus den auch in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen Feststellungen (zur Irrelevanz des Urteilsaufbaus für die Zuordnung einzelner Teile zu den Feststellungen vgl RIS‑Justiz RS0043110) ergibt sich auch, dass der Kläger den Beklagten durch die Unterlassung der Aufklärung über die Entstehungsgeschichte der Studie bewusst „über die Voraussetzungen der Eingehung des Vertrags“ getäuscht hat.

Die Auslegung dieser erstinstanzlichen Feststellungen dahin, dass der Kläger den Beklagten vorsätzlich über die „Herkunft“ der Studie in Irrtum führte, stellt regelmäßig keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0118891 [insb T4, T5]). Da die vorsätzliche Herbeiführung eines Irrtums den Vorwurf arglistigen Verhaltens iSd § 870 ABGB begründet (RIS‑Justiz RS0014790; RS0014805; der Revisionswerber nimmt auf dolus eventualis Bezug; vgl dazu RS0014837) und die Frage, ob der Irreführende vorsätzlich vorgegangen ist, als eine der Beweiswürdigung unterliegende Tatfrage der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist (RIS‑Justiz RS0014776), ist die eine vorsätzliche Täuschung des Beklagten verneinende Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin bezog sich die Täuschung des Beklagten auch nicht bloß auf die Bezeichnung der Machbarkeitsstudie, sondern darauf, welche Institution oder Person mit deren Erstellung (vom Kläger) beauftragt worden war. Dass es dem Beklagten darauf ankam, dass die Studie „offiziell“ von der genannten Fakultät und nicht etwa bloß von einzelnen Universitätsangehörigen stammte, entspricht dem festgestellten Sachverhalt. Soweit der Revisionswerber meint, dass dies für den Beklagten keinen Unterschied machen könne, missachtet die Revision wieder die getroffenen Feststellungen. Die Frage, ob die Annahme einer „offiziellen“ Universitätsstudie einen zum Geschäftsinhalt gehörenden Umstand betrifft, muss hier nicht geprüft werden, weil die Aufhebung des Vertrags wegen Arglist auch bei einem Motivirrtum verlangt werden kann (RIS‑Justiz RS0014807 [T1]; Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 870 ABGB Rz 4; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 870 ABGB Rz 4). Auf einen Irrtum des Beklagten über die inhaltliche Richtigkeit der Studie hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt.

Auch dass das Berufungsgericht von einer unrichtigen Beweislastverteilung ausgegangen sei, verkennt die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen. Ausgehend davon, dass der (hier: listig) Irregeführte für die Voraussetzungen des § 870 ABGB behauptungs‑ und beweispflichtig ist (RIS‑Justiz RS0014792 [T2]; RS0098986 {T8]), gelang dem Beklagten der Nachweis, vom Kläger vorsätzlich darüber getäuscht worden zu sein, dass es sich um eine „offizielle“ Studie der Universität Sarajevo bzw deren Fakultät für Landwirtschaft und Ernährungswissenschaften handelt. Die vom Revisionswerber angesprochenen Negativfeststellungen zum tatsächlichen Autor der Studie und zur Bezahlung des Entgelts für diese ändern daran nichts. Dass das Erstgericht positiv festgestellt hätte, dass die Studie von den darin genannten Autoren stamme (wovon der Kläger an mehreren Stellen seiner Revision ausgeht), ist unrichtig, im Übrigen aber irrelevant, weil damit gerade nicht feststünde, dass es sich – worauf es dem Beklagten beim Vertragsabschluss ankam – um eine „offizielle“ Studie der Fakultät für Landwirtschaft und Ernährungswissenschaften der Universität Sarajevo handelte.

Letztlich geht auch das Argument, die der verbliebenen Klagsforderung zugrunde liegenden Verträge könnten nur ex nunc aufgelöst werden, ins Leere. Der Revisionswerber übersieht nämlich, dass es für die Rückabwicklung eines Dauerschuldverhältnisses ex tunc bereits ausreicht, dass entweder Arglist vorliegt, oder keine Rückabwicklungsschwierigkeiten auftreten (RIS‑Justiz RS0018363 [T5, T9]). Da hier zumindest Ersteres der Fall ist, muss auf allfällige Rückabwicklungsschwierigkeiten nicht eingegangen werden.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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