OGH 4Ob163/18a

OGH4Ob163/18a25.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O* D*, vertreten durch Dr. Matthias Paul Hagele, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I* R*, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehenichtigkeit, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juli 2018, GZ 2 R 134/18x‑48, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122922

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger ist Österreicher, die Beklagte Litauerin. Als die Parteien im Jahr 2000 heirateten, war die Vorehe der Beklagten nach ihrem Personalstatut zwar mit Urteil eines litauischen Gerichts geschieden gewesen, diese Scheidung wurde jedoch erst einen Monat nach der Eheschließung der Streitteile durch das litauische „Organ der Eintragung von Zivilstandsakten“ nach Art 199 des hier anzuwendenden litauischen Ehe- und Familiengesetzbuches vom 16. Juli 1969 (lit EheFamG 1969) registriert. Nach Art 40 lit EheFamG 1969 gilt eine Ehe erst im Zeitpunkt dieser Registrierung als aufgelöst.

Sowohl nach litauischem als auch nach österreichischem Recht ist eine bereits bestehende Ehe ein Eheschließungshindernis (Art 17 lit EheFamG 1969 bzw Art 3.16 des am 1. 7. 2001 in Kraft getretenen litauischen Zivilgesetzbuches vom 18. 7. 2000 [lit ZGB 2000]; § 8 EheG), eine dennoch geschlossene Doppelehe ist nach litauischem Recht „ungültig“ bzw „unwirksam“ (Art 42lit EheFamG 1969 bzw Art 3.37 lit ZGB 2000) und nach österreichischem Recht nichtig (§ 24 EheG). Nach Art 3.41lit ZGB 2000 kann das Gericht das Begehren, eine Ehe für unwirksam zu erklären, zurückweisen, wenn während des Verfahrens in der Sache die Umstände fortfallen, welche nach diesem Gesetzbuch Ehehindernisse waren.

Rechtliche Beurteilung

1. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Ehe nach beiden hier maßgeblichen Personalstatuten zufolge Verstoßes gegen das Verbot der Doppelehe ungültig bzw nichtig sei und eine allfällige nachträgliche Heilung nach litauischem Recht am Verstoß gegen § 8 EheG als insofern strengerem Recht nichts ändern könnte, führt die Revision der Beklagten nichts Stichhältiges ins Treffen.

2.1. Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet das „verletzte“ Recht, also jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden. Bei Verletzung zweier Personalstatuten ist zunächst zu prüfen, welche Sanktionen wirksam werden. Hängt die Sanktion der beiden Statuten von der Geltendmachung ab, so entscheidet zunächst das zeitliche Zuvorkommen. Werden– wie hier – abweichende Rechtsfolgen beider Personalstatuten gleichzeitig ausgelöst, so gilt der Grundsatz des „ärgeren Rechtes“ (RIS‑Justiz RS0077156). Von der Wirkung einer derartigen Verletzung wird immer das gesamte Eheverhältnis erfasst, unabhängig davon, ob die Verletzung beide Personalstatuten – wenn auch aus verschiedenen Gründen – oder nur eines von ihnen betrifft (RIS‑Justiz RS0077156 [T1]). Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet das „verletzte“ Recht, also jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden (RIS‑Justiz RS0077156 [T2, T3]).

2.2. Im vorliegenden Fall verlangten im Zeitpunkt der Eheschließung die Personalstatuten beider Ehegatten die Geltendmachung der Doppelehe, was nach beiden Rechtsordnungen zur ex tunc wirkenden Ungültigkeit der Ehe führte. Für das österreichische Recht gilt dies auch noch im Zeitpunkt der Erhebung der Klage.

2.3. Ein allfälliges Fortfallen des Ehehindernisses zufolge Art 3.41 lit ZGB 2000 ändert nichts an der nach dem insofern strengeren österreichischen Recht bereits eingetretenen Nichtigkeit der Ehe: § 24 EheG setzt nur voraus, dass die erste Ehe zur Zeit der zweiten Eheschließung noch aufrecht bestanden hat; eine spätere Auflösung dieser Ehe ist belanglos (RIS‑Justiz RS0056142; vgl auch – zum umgekehrten Fall des Entstehens einer Doppelehe durch nachträglichen Wegfall eines die erste Ehe beseitigenden Urteils – RIS‑Justiz RS0044459).

3.1. Die von der Revisionswerberin wiederholt und ausführlich ins Treffen geführte 4. DVEheG gehört bereits seit 1. Jänner 2005 nicht mehr dem Rechtsbestand an (§ 199 Abs 1 iVm § 200 Abs 1 Z 3 AußStrG, BGBl I 2003/111).

3.2. Eine ausländische Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe wird nunmehr nach § 97 Abs 1 AußStrG in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung iSd § 97 Abs 2 AußStrG vorliegt.

3.3. Mit den Ausführungen in der Revision, § 24 EheG habe nicht den Zweck, Parteien „über nicht nachvollziehbare juristische Fußangeln ehemals sowjetischer Bestimmungen in Litauen fallen zu lassen“, wird keine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufgezeigt, einen solchen schwerwiegenden Verweigerungsgrund iSd § 97 Abs 2 AußStrG nicht angenommen zu haben.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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