OGH 3Ob137/18w

OGH3Ob137/18w21.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch, Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Kodek und den Hofrat MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Verena Brauner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H*****verein *****, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, I.) über die Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Wien (3 Nc 20/18y), und II.) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 14. Mai 2018, GZ 13 Nc 11/18v‑2 (3 Ob 137/18w), den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00137.18W.0921.000

 

Spruch:

I. Die Ablehnung „sämtlicher weiterer“ (vom Kläger nicht namentlich genannter) Richter des Oberlandesgerichts Wien wird zurückgewiesen.

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Ablehnung der Mitglieder des Senats 15 des Oberlandesgerichts Wien Senatspräsidentin Dr. P*****, Mag. W***** und Mag. O***** zurückgewiesen wird.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt, einen näher bezeichneten Beschluss des beklagten Vereins für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären. Im ersten Rechtsgang wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren statt. Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung des Klägers gegen den abweisenden Teil des Ersturteils nicht Folge, hob über Berufung des Beklagten den stattgebenden Teil des Ersturteils auf und trug dem Gericht erster Instanz die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Dieses wies im zweiten Rechtsgang auch das Eventualbegehren ab.

In seiner gegen dieses Endurteil erhobenen Berufung lehnte der Kläger sechs namentlich genannte Richter des Oberlandesgerichts Wien, darunter jene drei Mitglieder des Senats 15, die die Berufungsentscheidung im ersten Rechtsgang gefällt hatten, und darüber hinaus auch pauschal „sämtliche weiteren Richter des Oberlandesgerichts Wien bzw das Oberlandesgericht Wien“ als befangen ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach der zuständige Senat des Oberlandesgerichts Wien (im Folgenden: Erstgericht) aus, dass die drei genannten Richter des Oberlandesgerichts Wien nicht befangen seien. Die Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichts sei unzulässig. Mangels ausreichender Substanzierung der Ablehnungserklärung bedürfe es keiner Äußerung der abgelehnten Richter. In einem solchen Fall einer unzulässigen Pauschalerklärung sei auf die Ablehnungserklärung meritorisch gar nicht einzugehen. Der Ablehnungswerber bringe ausdrücklich vor, dass er die abgelehnten Richter des Senats 15 gar nicht persönlich kenne, und dass er davon ausgehe, dass diese im ersten Rechtsgang nicht deshalb gegen ihn entschieden hätten, weil sie sich von in seiner Person gelegenen Gründen leiten hätten lassen. Er begründe die behauptete Befangenheit der Mitglieder des Senats 15 ausschließlich damit, dass diese im ersten Rechtsgang zu seinen Lasten inhaltlich unrichtig entschieden hätten. Damit behaupte er aber gar keinen tauglichen Ablehnungsgrund.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers, in dem er geltend macht, mit dem Ausspruch, dass drei der von ihm abgelehnten Richter „nicht befangen“ seien, enthalte der angefochtene Beschluss keine gesetzeskonforme Erledigung der Ablehnung. Das Erstgericht habe sich auch mit den Ablehnungsgründen nicht wirklich auseinandergesetzt. Außerdem habe der Kläger nicht nur die drei genannten Richter abgelehnt, sondern darüber hinaus weitere drei namentlich genannte Richter und überdies alle anderen Richter des Oberlandesgerichts Wien. Über die– nach Meinung des Erstgerichts unzulässige – Ablehnung sämtlicher Richter habe es zutreffend nicht abgesprochen; diese Ablehnung sei daher noch unerledigt. Da die Ablehnung sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts Wien auch die drei den angefochtenen Beschluss fassenden Richter umfasse, seien sie vor rechtskräftiger Erledigung der Ablehnung nicht zur Entscheidung befugt gewesen. Die Ablehnung sämtlicher Richter eines Gerichtshofs sei im Übrigen nicht generell unzulässig, sondern nur, soweit es sich um eine undifferenzierte Pauschalablehnung handle, die hier aber nicht vorliege.

Die von der beklagten Partei erstattete, mit 20. Juni 2018 datierte, jedoch erst am 26. Juni 2018 – und damit erst nach Ablauf der vierzehntägigen Frist des § 521a Abs 1 ZPO – (und außerdem nur per Fax) eingebrachte Rekursbeantwortung ist verspätet und daher zurückzuweisen.

Die Ablehnung „sämtlicher weiterer“ Richter des Oberlandesgerichts Wien ist unzulässig. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Zur Ablehnung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zur Entscheidung über die Pauschalablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Wien (hier: mit Ausnahme der im Ablehnungsantrag namentlich genannten sechs Richter) ist der Oberste Gerichtshof berufen (RIS‑Justiz RS0109137; jüngst 10 Ob 4/17m). Aus Anlass der Vorlage des Rekurses ist deshalb zunächst darüber abzusprechen.

1.2. Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn nach objektiver Prüfung und Beurteilung ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist nur bei Ablehnung eines jeden einzelnen seiner Richter unter Angabe detaillierter und konkreter Ablehnungsgründe möglich (RIS‑Justiz

RS0045983 [T6];

RS0046005 [T1]).

1.3. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die von ihm namentlich genannten Richter des Oberlandesgerichts Wien (Mitglieder der Senate 15 und 16) hätten, zumal er sie nicht persönlich kenne, offenbar nicht aus in seiner Person gelegenen Gründen gegen ihn entschieden, sondern deshalb, um den Beklagten zu schützen und ihn keinesfalls „verlieren“ zu lassen. Diese Absicht ziehe sich wie ein „roter Faden“ durch die beiden Verfahren. Daraus müsse aber abgeleitet werden, dass eine nicht nur an bestimmte Richter gebundene Voreingenommenheit des Oberlandesgerichts Wien zugunsten des beklagten Vereins bestehe und dass diese Befangenheit– aus welchen Gründen auch immer – beim gesamten Oberlandesgericht bzw dessen Richtern bestehe.

Entgegen der Ansicht des Klägers reichen diese Behauptungen nicht aus, um konkret darzutun, dass die von ihm befürchtete Befangenheit tatsächlich hinsichtlich jedes einzelnen Richters des Oberlandesgerichts Wien vorliegen könnte. Die Ablehnungserklärung ist daher nicht ausreichend substanziiert, weshalb es keiner Äußerung der abgelehnten Richter zum Ablehnungsantrag (§ 22 Abs 2 JN) bedurfte.

2. Zum Rekurs:

2.1. Der Rekurswerber macht grundsätzlich zutreffend geltend, dass die von ihm erklärte Pauschalablehnung auch die Mitglieder jenes Senats betraf, die über die Berechtigung der Ablehnung der drei namentlich genannten Mitglieder des Senats 15 abzusprechen hatten, weshalb diese gemäß § 25 JN den angefochtenen Beschluss (noch) nicht fassen hätten dürfen.

Trifft ein abgelehnter Richter entgegen § 25 JN vor rechtskräftiger Erledigung der gegen ihn gerichteten Ablehnung die Endentscheidung in der Hauptsache (hier also die Entscheidung über die Ablehnung), und wird in der Folge der gegen ihn gerichtete Ablehnungsantrag rechtskräftig zurückgewiesen, ist die Entscheidung nicht nichtig (RIS‑Justiz RS0046044; jüngst 2 Ob 13/17a).

Da die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Pauschalablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Wien unanfechtbar ist, kann sogleich über den Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts entschieden werden.

2.2. Die vom Kläger – an sich ebenfalls zutreffend – monierte Fassung des Spruchs des angefochtenen Beschlusses bewirkt nicht die Berechtigung des Rechtsmittels, sondern führt zu der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabebestätigung.

2.3. Dass das Erstgericht über die Ablehnung bezüglich der drei namentlich genannten Mitglieder des Senats 16 nicht abgesprochen hat, schadet nicht, weil es nur darauf ankommt, ob die konkret zur Entscheidung über die Berufung des Klägers berufenen Richter – hier also die drei namentlich abgelehnten Mitglieder des Senats 15 – befangen sind.

2.4. Das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die (behauptete) inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des abgelehnten Senats 15 im ersten Rechtsgang per se keinen Ablehnungsgrund darstellt (RIS‑Justiz RS0111290). Entgegen dem Standpunkt des Rekurswerbers kann keine Rede davon sein, dass die mangelnde Objektivität der drei abgelehnten Richter „völlig zweifelsfrei“ zu erkennen wäre.

2.5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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