OGH 10ObS93/18a

OGH10ObS93/18a13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Johannes Paul, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 2018, GZ 12 Rs 50/18m‑70, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00093.18A.0913.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die Frage, ob ein angelernter Beruf vorliegt, keine Tat‑, sondern eine Rechtsfrage ist. Grundlage für die Lösung dieser Frage bilden Feststellungen über die Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte im Einzelfall verfügt, und über die Anforderungen, die an einen gelernten Arbeiter in diesem Beruf üblicherweise gestellt werden (RIS‑Justiz RS0084563).

2. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen hat die Klägerin die von ihr am 1. 9. 1977 begonnene Lehre als Kellnerin (Restaurantfachfrau) nicht abgeschlossen. Sie hat auch den Beruf der Köchin nicht erlernt. Die Klägerin verfügt über maximal 30 % der Fähigkeiten und Kenntnisse einer gelernten Köchin.

Die Klägerin hat im Rahmenzeitraum von 1. 6. 1997 bis 31. 5. 2012 gesamt 105 Monate der Pflichtversicherung erworben. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin in diesem Zeitraum überwiegend (§ 255 Abs 2 Satz 2 ASVG) in einem angelernten Beruf tätig war, ist ihre Tätigkeit bei einer OEG im Zeitraum von 29. 4. 2003 bis 27. 12. 2004. Die Klägerin arbeitete bei dieser OEG als Altenpflegerin im 24‑Stunden‑Takt. Neben der medizinischen Betreuung bereitete sie für die zu pflegenden Personen auch die Mahlzeiten zu und servierte diese. Fallweise bereitete sie die Mahlzeiten auch für deren Familienmitglieder zu.

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können dann, wenn in der Berufung die Rechtsrüge nur in bestimmten Punkten ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, jedenfalls wenn es um selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RIS‑Justiz RS0043338 [T11, T13]).

3.2 Die Klägerin hat in ihrer Berufung weder die Feststellung, dass sie den Beruf der Kellnerin (Restaurantfachfrau) nicht erlernt hat, bekämpft, noch die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass sie den Beruf der Köchin nicht angelernt hat. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass sie durch ihre Tätigkeit als Altenpflegerin von 29. 4. 2003 bis 27. 12. 2004 einen Berufsschutz als „Köchin/Restaurantfachfrau“ erhalten habe.

3.3 Der Aspekt des Erwerbs des Berufsschutzes (hier: durch Ausübung einer angelernten Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG, RIS‑Justiz RS0114289 [T3]) ist – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – von jenem des Erhalts eines einmal erworbenen Berufsschutzes durch später ausgeübte Tätigkeiten (RIS‑Justiz RS0116791) zu unterscheiden. Die Frage des Erhalts des Berufsschutzes stellt sich nur, wenn ein solcher zuvor erworben wurde.

4.1 Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass sie eine angelernte Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 2 Satz 1 ASVG ausgeübt habe, weil sie „Kenntnisse und Fähigkeiten als Kellnerin aufgrund ihrer Ausbildung“ und Kenntnisse als Köchin aufgrund ihrer Berufserfahrungen erworben habe. Die Berufe „Köchin“ und „Kellnerin“ seien derselben „Berufsgruppe“ zuzurechnen, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangten. Es fehle Rechtsprechung, in welchem Ausmaß „qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten“ vorhanden sein müssten, damit vom Vorliegen eines „angelernten Berufs“ im Sinn dieser Bestimmung ausgegangen werden könne.

4.2 Soweit die Klägerin mit diesen Ausführungen jedoch den Erwerb des Berufsschutzes als angelernte Köchin oder Restaurantfachfrau geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie diesen rechtlich gesondert zu beurteilenden Aspekt in der Berufung nicht mehr aufgegriffen hat, sodass dies nicht in der Revision nachgeholt werden kann. Daher bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der von der Klägerin erkennbar aufgestellten Behauptung, sie habe den Berufsschutz durch eine Tätigkeit erworben, die sich als Mischtätigkeit von Teiltätigkeiten mehrerer Lehrberufe darstelle (vgl 10 ObS 286/00g, SSV‑NF 14/132). Kann aber vom Erwerb des Berufsschutzes nicht ausgegangen werden, bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der von der Revisionswerberin ebenfalls erkennbar aufgeworfenen Frage des Erhalts eines Berufsschutzes durch von ihr ausgeübte Tätigkeiten.

4.3 Mit ihren weiteren Ausführungen, dass sie nicht mehr in der Lage sei, die vom Erstgericht festgestellten Verweisungstätigkeiten auszuüben, weicht die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt ab, sodass darauf nicht einzugehen ist.

Stichworte