OGH 10Ob73/18k

OGH10Ob73/18k13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen A*, geboren * 2012 und H*, geboren * 2014, beide vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, 1100 Wien, Alfred‑Adler‑Straße 12), wegen Unterhaltsvorschuss, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Februar 2018, GZ 48 R 18/18d, 48 R 19/18a‑16, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Favoriten vom 3. November 2017, GZ 8 Pu 44/17v‑4 und 8 Pu 44/17v‑5, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123334

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die * 2012 – nach der Aktenlage in der Autonomen Republik Tschetschenien – geborene A* ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Ihrem Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG stattgegeben und ihr gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt. Diese wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22. 9. 2016 bis 26. 9. 2018 verlängert.

Auch die * 2014 – bereits in Österreich geborene – H* ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und hat den Status als subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt erhalten. Auch ihre Aufenthaltsbewilligung wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22. 9. 2016 bis 26. 9. 2018 verlängert.

Das Erstgericht gewährte beiden Kindern Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von jeweils monatlich 220 EUR vom 1. 10. 2017 bis 30. 9. 2022 (ON 4 und 5).

Gegen diese Entscheidung erhob der Bund Rekurs mit dem Abänderungsantrag, die Vorschüsse nur bis 30. 9. 2018 (wegen des Auslaufens der befristeten Aufenthaltsbewilligung) zu gewähren.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes nicht Folge. Die Befristung einer Aufenthaltsberechtigung sei nur von Bedeutung, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass mit deren Ablauf auch der gewöhnliche Aufenthalt tatsächlich beendet werde. Dies sei hier nicht der Fall, weil aus dem Akt keine ausreichenden Gründe dafür ersichtlich seien, dass die Aufenthaltsbewilligung für die Kinder nicht auch nach dem 26. 9. 2018 weiter erteilt werde. Vielmehr sei aufgrund der nach dem Akteninhalt gegebenen Integrationsbemühungen der Mutter von der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung für die Kinder auch nach dem 26. 9. 2018 auszugehen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionrekurs mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage, ob bei Vorliegen einer befristeten Aufenthaltsbewilligung auch die Dauer der Unterhaltsvorschüsse im Sinn des § 8 UVG mit Ablauf dieser Aufenthaltsbewilligung zu befristen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Dies gilt auch für den Anwendungsbereich des § 62 Abs 1 AußStrG (5 Ob 87/11x mwN; RIS‑Justiz RS0112769; RS0112921). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 Ob 70/17t– kurz nach der Beschlussfassung durch das Rekursgericht – zu der vom Rekursgericht aufgeworfenen Rechtsfrage mittlerweile wie folgt Stellung genommen:

1.1 Nach § 8 UVG sind Unterhaltsvorschüsse (ganz generell) für die Dauer des voraussichtlichen Vorliegens der Voraussetzungen, jedoch jeweils längstens für fünf Jahre zu gewähren. Das Gericht hat daher im Einzelfall zu bestimmen, für welchen Zeitraum Unterhaltsvorschüsse bewilligt werden sollen. Fallen die Voraussetzungen für die Gewährung voraussichtlich nicht schon früher weg, so soll das Gericht aber grundsätzlich einen Zeitraum in der Dauer der Höchstfrist bestimmen.

1.2 Die in § 8 UVG vorgesehene fünfjährige Höchstfrist soll eine Anpassung der Vorschusslaufzeit an die konkreten Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls ermöglichen, sofern typischerweise erwartet werden kann, dass die Voraussetzungen für die Vorschussgewährung wegfallen oder sich ändern. Insofern ist das Ermessen des Gerichts gebunden (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 8 UVG Rz 5 und 6 mwN).

2. Die Entscheidung über die Dauer der Vorschussgewährung stellt demnach eine von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängige Ermessensentscheidung dar, die – solange der zweiten Instanz kein an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlaufen ist oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde – keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (vgl RIS-Justiz RS0044088).

3.1 Die im vorliegenden Fall vertretene Ansicht des Rekursgerichts, den Kindern seien Unterhaltsvorschüsse über den Zeitpunkt des Auslaufens ihrer befristeten Aufenthaltsbewilligung (26. 9. 2018) hinaus auf die Dauer von fünf Jahren zu gewähren, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Ermessensüber-schreitung dar.

3.2 Wie bereits in der Entscheidung 10 Ob 70/17t ausgeführt sind subsidiär Schutzberechtigte auch im Bereich des UVG Konventionsflüchtlingen rechtlich gleichgestellt und haben daher bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse (RIS‑Justiz RS0126325), solange sie sich im Inland aufhalten (10 Ob 35/12p).

3.3 Die Aufenthaltsberechtigung von subsidiär Schutzberechtigten ist in § 8 Abs 4 AsylG (BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2017/145) geregelt. Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder vom Bundesverwaltungsgericht vorerst eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen, die im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen auf Antrag für jeweils zwei weitere Jahre verlängert wird. Dies entspricht der Überlegung, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen, wie zB eine schlechte Sicherheitslage oder bürgerkriegsähnliche Zustände, jedenfalls in der Tendenz eher vorübergehenden Charakter haben und wiederum beendet sein können (VfGH 28. 6. 2017, E 3297/2016; VfSlg 20.177). Die Aufenthaltsberechtigung besteht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts fort, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist (§ 8 Abs 4 AsylG letzter Satz).

In der Entscheidung 10 Ob 70/17t wies der Oberste Gerichtshof den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts zurück, mit der einem subsidiär schutzberechtigtem Kind (ebenfalls tschetschenischer Abstammung) über das Auslaufen der befristeten Aufenthaltsbewilligung hinaus Unterhaltsvor-schüsse gewährt wurden.

4.1 Von dieser Entscheidung weicht die Entscheidung der Vorinstanzen nicht ab:

Auch im vorliegenden Fall wird im Revisionsrekurs nicht vorgebracht, welche konkreten Umstände dazu führen könnten, dass die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung der Kinder als subsidiär Schutzberechtigte mangels weiteren Vorliegens der Voraussetzungen – etwa wegen zwischenzeitiger Veränderungen der Sicherheitslage im Fall ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat – voraussichtlich abgelehnt werden wird (§ 8 Abs 4 AsylG). Es wird auch nicht dargelegt, welche konkreten Gründe dafür sprechen könnten, dass die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich ab Ende September 2018 von sich aus aufgeben werden, obwohl A* kurz nach der Geburt nach Österreich gekommen ist und– nach der Aktenlage – H* bereits in Österreich geboren ist. Die Ansicht, unter diesen Umständen des gegebenen Einzelfalls lägen keine zwingenden Gründe vor, die Unterhaltsvorschüsse nur bis zum Auslaufen der befristeten Aufenthaltsbewilligung zu gewähren, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Ermessensüberschreitung dar.

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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