European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00013.18F.0913.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Robert M***** der Verbrechen des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (1./ und 2./) schuldig erkannt.
Danach hat er in D***** seine Gattin Irene M***** zu töten versucht, indem er
1./ ihr am 26. Jänner 2016 ein stromführendes Elektrokabel (mit „Manderl/Manderl-Stecker“) unterhalb der rechten Achsel ansetzte und dadurch Strom durch ihren Körper leitete, wodurch Irene M***** eine Strommarke im Bereich der hinteren Axillarfalte und durch den daraufhin erfolgten Sturz mehrere Hautabschürfungen am Körper erlitt, wobei die Tat beim Versuch blieb, weil Irene M***** und Robert M***** zu Sturz kamen;
2./ sie am 2. Februar 2016 mit einer Hand festhielt und sie mit einem stromführenden Elektrokabel (mit „Manderl/Manderl-Stecker“), das er mit einer isolierten Rohrzange in der anderen Hand hielt, zu berühren versuchte, wobei die Tat beim Versuch blieb, weil Irene M***** das Elektrokabel aus der Steckdose treten konnte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit auf Z 6, Z 8 und Z 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Fragenrüge (Z 6) legt der Verfahrensordnung zuwider nicht deutlich und bestimmt dar (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23), welche in der Angeklageschrift enthaltenen (oder in der Hauptverhandlung vorgekommenen), die Tatvollendung (infolge absoluter Untauglichkeit der vorliegenden Verwendung eines Stromkabels zur Herbeiführung des Todes eines Menschen) hindernden Umstände (vgl insoweit die vom Beschwerdeführer selbst ins Treffen geführte Entscheidung 13 Os 193/97; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 30) in die einzig zu stellenden (RIS‑Justiz RS0090470) Hauptfragen 1./ und 12./ wegen Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB aufzunehmen gewesen wären, geht doch die Anklagebehörde von der grundsätzlichen Eignung der vorgeworfenen Handlung aus, den Tod zu verursachen (ON 75 S 4).
Die Instruktionsrüge (Z 8) releviert zum (einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch ausschließenden; vgl Kienapfel/Höpfel/Kert AT15 Z 23 Rz 20 f) fehlgeschlagenen Versuch eine unvollständige Rechtsbelehrung dahingehend, dass ein Verweis auf die zur Beurteilung des genannten Strafaufhebungsgrundes erforderliche ursprüngliche „Tatplanperspektive“ fehlt. Dabei ignoriert sie jedoch prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119071; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65) die weiteren Ausführungen der hinsichtlich ihrer Richtigkeit nur als Ganzes zu betrachtenden Rechtsbelehrung (RIS‑Justiz RS0100695, RS0125434, Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 57 f), wonach allein strafaufhebende Freiwilligkeit eines solchen Rücktritts – erkennbar auch zur Beurteilung des Vorliegens eines fehlgeschlagenen Versuchs maßgeblich (arg: „... wenn der Täter erkennt oder auch bloß irrig annimmt, dass seine Ausführungshandlung nicht zum Erfolg führen kann ...“ [S 21 der Rechtsbelehrung zu ON 86]) – dann gegeben ist, wenn „beim Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten blieb, dass eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre“ (S 20 f der Rechtsbelehrung).
Mit Verweis auf den in diesem Zusammenhang relevierten Inhalt der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO kann der Nichtigkeitsgrund gemäß § 345 Abs 1 Z 8 StPO nicht geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0100846; Philipp, WK‑StPO § 331 Rz 7; Ratz aaO § 345 Rz 71).
Weshalb es der Instruktion bedurft hätte, dass die Eventualfrage 3./ nach versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung (§§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB) und 5./ nach versuchter schwerer Körperverletzung (§§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB) nicht nur bei Verneinung der Hauptfrage nach versuchtem Mord (§§ 15 Abs 1, 75 StGB), sondern auch bei Bejahung dieser Hauptfrage und der Zusatzfrage 2./ nach Rücktritt vom Versuch zu beantworten seien, legt die Rüge schon mit Blick auf die eingetretenen (leichten) Verletzungsfolgen nicht dar.
Der Vorwurf unrichtiger Belehrung durch den Hinweis, die Eventualfrage 7./ nach schwerer Körperverletzung nach § 84 Abs 5 Z 1 StGB sei nur zu beantworten, wenn die Hauptfrage 1./ und die Eventualfrage 3./ verneint wurden, übergeht ebenso die Gesamtheit der Instruktion, wonach dies unter den angeführten Voraussetzungen zusätzlich zur Eventualfrage 5./ zu erfolgen habe (S 42 der Rechtsbelehrung), wie der Einwand, die Ausführungen zur Eventualfrage 8./ nach dem Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) hätten sich darauf beschränkt, sie sei nur zu beantworten, wenn die Hauptfrage 1./ und Eventualfragen 3./, 5./ und 7./ verneint wurden, enthalten sie doch unmittelbar darauf die vermisste Belehrung, dass dies unter anderem auch bei Bejahung der Hauptfrage 1./ sowie der Zusatzfrage 2./ der Fall ist (S 44 der Instruktion).
Dass es einer Belehrung dahin bedurft hätte, die Eventualfrage 9./ nach fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall StGB sei nicht nur bei Verneinung der Hauptfrage 1./ und der entsprechenden Eventualfragen, sondern auch bei Bejahung der Hauptfrage 1./ nach versuchtem Mord und der Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch zu beantworten, wird von der Instruktionsrüge nicht nachvollziehbar zur Darstellung gebracht.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) verkennt das Wesen dieses (formellen) Nichtigkeitsgrundes, der in seiner prozessualen Reichweite durch Art 91 Abs 2 B‑VG – wonach über die Schuld die Geschworenen alleine (§ 329 StPO) zu entscheiden haben – beschränkt ist und dessen Wirkungsbereich erst dort beginnt, wo die Grenze der freien Beweiswürdigung überschritten wird; der genannte Nichtigkeitsgrund liegt demnach nur vor, wenn ein objektiver Beobachter aufgrund aktenkundiger Beweisergebnisse die Lösung der Schuldfrage vernünftiger Weise zu teilen nicht im Stande wäre (RIS‑Justiz RS0118780 [T13 und T16], RS0119583 [T7]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 470 ff).
Mit isoliertem Verweis auf die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er, nachdem er seine Frau mit dem Stecker berührt und sodann zu seinem Schrecken festgestellt hatte, dass das Kabel stromführend sei, und es daher sofort herausgezogen habe (ON 86 S 35), sowie auf die (vom Experten selbst so bezeichneten) spekulativen Erwägungen des Sachverständigen Univ.‑Prof. Dr. Harald M*****, wonach der Angeklagte unter Umständen zu, möglicherweise bloß teilweisen, kontrollierten Bewegungen infolge einer deutlich geringeren Durchströmung seines Körpers mit Strom fähig gewesen sein könnte (ON 86 S 118), gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, in Ansehung des von den Geschworenen mehrheitlich verneinten freiwilligen Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) erhebliche Bedenken im oben aufgezeigten Sinn gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Auf das als „Beilage und Ergänzung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ bezeichnete und der Rechtsmittelschrift des Verteidigers über dessen Auftrag angeschlossene persönliche Vorbringen des Angeklagten war keine Rücksicht zu nehmen, weil § 285 Abs 1 StPO nur eine einzige, zwingend von einem Verteidiger vorzunehmende (§ 61 Abs 1 Z 6, § 285a Z 3 StPO) Ausführung der Beschwerdegründe kennt (RIS‑Justiz RS0100216, RS0100175, RS0100172, RS0100046 [T7]; Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 6).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Über die Berufungen wird daher das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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