OGH 6Ob94/18v

OGH6Ob94/18v28.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei Mag. G* B*, wegen Feststellung und 16.506,06 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. April 2018, GZ 2 R 41/18y‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122204

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Der Vater der Klägerin errichtete am 7. 5. 2013 vor einem Notar ein Testament, mit dem er seinen Sohn Josef zum Alleinerben bestimmte und die Klägerin und andere Nachkommen auf den Pflichtteil setzte. Am 27. 5. 2013 suchte der Erblasser mit einem weiteren Sohn den Beklagten auf und teilte ihm mit, dass er sein Vermögen doch nicht so verteilen möchte, wie im Testament verfügt, er wisse aber noch nicht wie. Der Beklagte sagte ihm, dass er sein Testament auch gleich widerrufen könne. Der Erblasser wollte dies, weil er aber beim Schreiben Schwierigkeiten hatte, schrieb der Beklagte handschriftlich auf das Testament: „Widerrufe dieses Testament. F* am 27. 5. 13.“ Der Erblasser unterschrieb diesen Zusatz; eine weitere Unterfertigung vor Zeugen fand nicht statt. Besprochen wurde auch, dass die landwirtschaftlichen Liegenschaften des Erblassers dem Anerbengesetz unterliegen. Der Beklagte sagte, dazu jetzt nichts sagen zu können, sondern sich das erst anschauen zu müssen. Er wollte dies tun, wenn der Erblasser wieder einen Termin mit ihm vereinbarte, wozu es jedoch nicht kam. Der Beklagte wurde nicht beauftragt, in dieser Erbschaftsangelegenheit weitere Schritte zu unternehmen. Für den Termin am 27. 5. 2013 verrechnete er kein Honorar und erhielt auch keines.

Der Erblasser verstarb am 2. 1. 2014. Im Verlassenschaftsverfahren bestand Einigkeit darüber, dass der Widerruf des Testaments rechtsunwirksam und der Abhandlung das Testament vom 7. 5. 2013 zugrunde zu legen ist.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus dem nicht formgültig errichteten Widerruf des Testaments sowie aus dem Umstand, dass der Beklagte keine formgültige letztwillige Verfügung für den Erblasser errichtet habe, mit der das Anerbengesetz abbedungen wurde, sowie Zahlung von 16.509,06 EUR sA für bisherige Prozesskosten für die gerichtliche Klärung der Anwendbarkeit des Anerbengesetzes.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass kein Eingriff in ein absolutes Recht vorliege. Im vorliegenden Fall handle es sich aber auch nicht um einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, weil der Erblasser nur das Testament habe widerrufen wollen, dem Beklagten aber keinen Auftrag erteilte, die gesetzliche Erbfolge (unter Ausschluss des Anerbengesetzes) herzustellen. Für den Beklagten sei daher die Klägerin nicht als Begünstigte erkennbar gewesen. Das Gespräch am 27. 5. 2013 habe nur den Charakter eines Erstgesprächs gehabt; der Beklagte sei zu einer Aufklärung über das Anerbengesetz im Detail nicht verpflichtet gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1. Der Erbe erwirbt das Erbrecht nach § 536 Abs 1 ABGB mit dem Tod des Verstorbenen oder mit dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung. In diesem Zeitpunkt entsteht das subjektive Recht (RIS‑Justiz RS0041415). Vor diesem Zeitpunkt hat der Erbe auch kein abgeschwächtes Recht in Form einer Anwartschaft (Werkusch‑Christ in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 536 Rz 1 mwN).

1.2. Damit kommt für eine Haftung des Beklagten nur ein allfälliger Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Betracht. Entscheidend für die Frage, welche vertragsfremden Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags einzubeziehen sind, ist immer die Auslegung des Vertrags nach den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0022814 [T6]). Das bloße Vermögen eines Dritten ist in der Regel nicht in den Schutzbereich eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter einbezogen (RIS‑Justiz RS0022475). Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann gerechtfertigt, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll (RIS‑Justiz RS0022475 [T1], RS0026552 [T2]).

2.1. Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Für den Beklagten war im vorliegenden Fall lediglich erkennbar, dass nicht ein bestimmter Sohn alles erben sollte; der Erblasser wusste aber noch nicht, wie er sein Vermögen stattdessen verteilen wollte. Dass der Erblasser mit dem Widerruf des Testaments die Interessen der Klägerin erkennbar mitverfolgt hätte, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht. Auch hatte der Beklagte nicht den Auftrag, im Interesse der Klägerin tätig zu werden.

2.2. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von der der Entscheidung 6 Ob 292/00k zugrunde liegenden Konstellation. Dort war es für den Rechtsanwalt offenkundig, dass die eingesetzte Erbin hätte begünstigt werden sollen. Im vorliegenden Fall teilte der Erblasser dem Beklagten demgegenüber nur mit, sein Testament widerrufen und später ein neues errichten zu wollen; er wisse noch nicht, wie er sein Vermögen verteilen wolle. Die gesetzliche Erbfolge wollte er nicht eintreten lassen.

2.3. In der Entscheidung 7 Ob 568/86 wurde die Haftung eines Notars gegenüber einer Vermächtnisnehmerin verneint, die dem Notar vorwarf, den Willen der testierenden Erbtante nicht akkurat zu Papier gebracht zu haben. Der 7. Senat ging von einer hinreichenden Aufklärung der Erbtante durch den Notar und davon aus, dass der im Testament festgehaltene Wille dem tatsächlichen Willen der Erblasserin entsprach. Aus dieser Entscheidung ist für den Rechtsstandpunkt der Klägerin daher nichts zu gewinnen.

2.4. Die Entscheidung 6 Ob 21/04p betrifft die Schutzwirkung eines Vertrags zu Gunsten Dritter im Zusammenhang mit der Haftung eines Werkunternehmers für die Verletzung eines Dritten durch die Mangelhaftigkeit einer elektrischen Anlage. Anders als im vorliegenden Fall wurde dort in ein absolutes Recht eingegriffen, sodass sich die Entscheidung schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen lässt. Die in der Revision weiters zitierte Entscheidung 3 Ob 294/01b existiert nicht; dabei handelt es sich offenbar um ein Fehlzitat. Die Entscheidung 4 Ob 206/04d betrifft die Klage einer Mandantin gegen ihren Rechtsanwalt. In diesem Fall war daher lediglich die vertragliche Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seiner eigenen Mandantin, nicht aber eine deliktische Haftung oder eine solche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu beurteilen.

3. Nicht zu beanstanden ist auch, wenn das Berufungsgericht davon ausging, dass den Beklagten keine Verpflichtung zur Aufklärung über das Anerbengesetz traf. Die Feststellungen sind diesbezüglich klar. Er hatte in dem Gespräch darauf hingewiesen, dass es hier spezielle Vorschriften gibt, er sich diese aber erst genau anschauen müsse; einen Auftrag dazu erhielt er nicht. Im Übrigen ist auch insoweit nicht zu erkennen, inwiefern die Klägerin durch das Vorgehen des Erblassers erkennbar begünstigt sein sollte.

4. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

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