European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00049.18X.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochten Urteil wurde die Unterbringung des Stefan P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Demnach hat der Genannte unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, in G***** Dr. Angelika W***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
1. am 8. März 2016 durch die Äußerung „Ich bringe dich um. Du bist eine tote Frau. Ich finde dich und schicke dir die Hells Angels. Du wirst die Hölle erfahren!“;
2. am 28. März 2016 durch die Äußerung „Frau Doktor, du bist so tot!“,
sohin Taten begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung von in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen Verteidigungsrechte nicht geschmälert.
Die Vernehmung der Dr. Julia A***** als Zeugin zum Beweis dafür, dass es am 28. März 2016 (2) „zu keiner gefährlichen Drohung gekommen“ ist (ON 63 S 12), konnte abgelehnt werden, weil der Beschwerdeführer nicht klar machte, weshalb die Genannte zu seiner Entlastung beitragen könnte (RIS-Justiz RS0118444), obwohl sie die inkriminierte Äußerung von ihrer damaligen Position aus nicht gehört haben soll (ON 43 S 4 f iVm ON 63 S 5, 12; ON 63 S 13).
Mit der Vernehmung des am 27. und 28. Februar 2016 diensthabenden Portiers des „LSF“ als Zeugen wollte der Betroffene beweisen, dass er bei einem den Vorgängen zu 1. und 2. vorangehenden Vorfall „lediglich einen Kanister zum Nachfüllen eines Benzinfeuerzeugs in Händen gehabt hat, von dem keine Feuergefahr ausgegangen ist, und dass der Betroffene auch nicht die Äußerung getätigt hat, er werde das LSF [sic:] nicht in die Luft sprengen“ (ON 63 S 12).
Diese Beweisaufnahme durfte unterbleiben, weil nicht auf der Hand lag, weshalb der tatsächlichen Größe des vom Betroffenen an jenem Tag manipulierten Benzingefäßes oder dabei allenfalls getätigten Äußerungen, die von der Anklage nicht inkriminiert waren, für die Feststellung entscheidender Tatsachen zu 1. und 2. erhebliche Bedeutung (RIS-Justiz RS0116503, RS0116877) zukommen sollte. Es oblag somit dem Antragsteller, die Bedeutung der angeführten Beweisthemen für die Beurteilung des Tatverdachts darzutun (ON 63 S 13).
Das die Beweisanträge ergänzende Vorbringen der Verfahrensrüge hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).
Mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch – im Sinn einer logischen Unverträglichkeit – besteht (RIS‑Justiz RS0119089).
Kein Urteilsmangel im oben dargestellten Sinn liegt vor, wenn das Gericht bestimmte Beweise überhaupt nicht aufgenommen hat (RIS-Justiz RS0099400).
Soweit die Beschwerde (Z 5) die Feststellungen zu einem weiteren als erheblich eingestuften Vorfall vom 26. Februar 2016 (US 3, 7 ff) als „unvollständig“ und „widersprüchlich“ kritisiert, weil der Betroffene dazu in der Hauptverhandlung nicht befragt worden sei, scheitert die der Sache nach vorgebrachte Aufklärungsrüge (Z 5a) schon daran, dass sie nicht deutlich macht, wodurch der Genannte an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823). Abgesehen davon wurde der in Rede stehende Vorfall mit dem Betroffenen ohnehin erörtert (ON 43 S 4 f iVm ON 63 S 3, 12 sowie ON 63 S 4 iVm ON 12 S 7).
Indem der Beschwerdeführer (nominell Z 5 zweiter und dritter Fall; der Sache nach Z 5a) aus den Angaben der Zeugin W***** – anders als die Tatrichter (US 3, 7 f) – ableitet, die Genannte hätte den Vorfall vom 27. Februar 2016 überhaupt nicht beobachtet (vgl aber ON 63 S 5, 7), und darauf aufbauend das Unterbleiben einer Befragung des diensthabenden Portiers zur Frage des Entzündens einer brennbaren Flüssigkeit bemängelt, ist er darauf zu verweisen, dass sein Beweisantrag bloß die im Zug der Verfahrensrüge dargestellten Beweisthemen umfasste. Wodurch er an sachgerechter Antragstellung zur Frage des (vorsätzlichen) Entzündens der mitgebrachten Flüssigkeit gehindert gewesen wäre, erklärt der Beschwerdeführer nicht.
Entgegen dem weiteren Einwand der Mängelrüge liegen weder Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; RIS‑Justiz RS0118316) oder Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall; RIS‑Justiz RS0099547) noch eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall; RIS‑Justiz RS0118317) vor, wenn die Tatrichter der leugnenden Verantwortung des Betroffenen mit Blick auf die Angaben der Zeuginnen W***** (1. und 2.) und S***** (1./) sowie die Begleitumstände keinen Glauben schenkten (US 3 f, 8).
Ebensowenig liegt ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Feststellung, wonach der Betroffene nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 5), und jenen zum Tatbildvorsatz (US 4 f) vor, weil diese Konstatierungen einander gerade nicht ausschließen.
Dass nach Ansicht des Betroffenen „kein hinreichendes Beweisergebnis belegt, dass er die Anlasstat begangen hat“, bedeutet gleichfalls keinen Begründungsmangel.
Insgesamt stellt das Vorbringen der Mängelrüge bloß einen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu bekämpfen.
Durch den Hinweis auf einzelne Passagen der Aussagen des Betroffenen sowie der Zeugen S***** und Dr. W***** gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0118789, RS0119583).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen einer Drohungsabsicht behauptet, ihren Einwand aber nicht aus den Urteilsfeststellungen (US 4 f), sondern bloß aus Angaben des Betroffenen in der Hauptverhandlung entwickelt, orientiert sie sich nicht an den Kriterien der Geltendmachung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Gleiches gilt für die – nicht am festgestellten Bedeutungsinhalt (US 4 f; RIS-Justiz RS0092437, RS0092588) – orientierte Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), es liege bloß eine Drohung mit einer Misshandlung und damit „höchstens eine Beleidigung nach § 115 StGB“ vor.
Weiters negiert die Beschwerde (Z 11) die für die Sanktionsbefugnis festgestellten Tatsachen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen und zum Einfluss der Erkrankung des Betroffenen auf die Begehung der Anlasstaten (US 5) und führt damit ihre Kritik an der Zulässigkeit der vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB (Z 11 erster Fall) nicht prozessordnungskonform aus.
Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall liegt vor, wenn die in Frage gestellte
Gefährlichkeitsprognose zumindest eine der in § 21 Abs 1
StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Ableitung der Befürchtung, also die rechtliche Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde (zumindest) eine Handlung begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wäre, als willkürlich erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0113980, RS0118581; 13 Os 165/11f, 13 Os 107/16h). Die Sanktionsrüge behauptet hinsichtlich der Prognoseentscheidung weder Willkür noch das Übergehen einer Erkenntnisquelle, sondern bestreitet bloß die darin angestellte
Gefährlichkeitsprognose. Damit verlässt sie den dargelegten Anfechtungsrahmen.
Zuletzt wird mit dem Hinweis auf die Bereitschaft des Betroffenen, sich einer Therapie zu unterziehen, nicht dargetan, dass bei der Ablehnung einer bedingten Nachsicht der Maßnahme in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen worden sei (Z 11 dritter Fall), sondern bloß ein Berufungsgrund aufgezeigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
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