European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122507
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 138,98 EUR USt) zu ersetzen.
Begründung:
Der Antragsteller ist der Vater des 1989 geborenen Antragsgegners. Mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte er die Feststellung des Erlöschens seiner Unterhaltspflicht, ursprünglich rückwirkend ab Juni 2008. Das nunmehr nach rechtskräftiger Teilerledigung im zweiten Rechtsgang anhängige Revisionsrekursverfahren betrifft nur mehr den Zeitraum ab dem 1. 9. 2014.
Der Antragsgegner hat im Wintersemester 2014/15 ein Fachhochschulstudium der Medizintechnik begonnen. Die Regelstudiendauer für dieses Bachelorstudium beträgt 6 Semester, in denen insgesamt 180 ECTS-Anrechnungspunkte zu erwerben sind. Studienbeihilfe wird für dieses Studium bis zu 7 Semestern gewährt.
Der Antragsgegner musste das zweite Studienjahr wegen einer negativ beurteilten kommissionellen Prüfung wiederholen. Diese Möglichkeit der Wiederholung wird von etwa 10 bis 15 % der Studierenden eines Jahrgangs wahrgenommen. Bis Juli 2017 hatte er insgesamt 105,5 ECTS‑Punkte erreicht, am 6. 10. 2017 betrug sein ECTS‑Punktestand 116,5.
Neben dem Studium übte der Antragsgegner in den vom Erstgericht näher festgestellten Zeiträumen diverse Beschäftigungen geringfügigen Ausmaßes aus. Der Antragsteller hat seit jeher (unstrittig) seine gerichtlich auferlegten Unterhaltszahlungen nicht geleistet.
Das Erstgericht sprach unter Abweisung des Mehrbegehrens aus, dass der Antragsteller für die Monate März bis einschließlich September 2015, Jänner bis Mai 2016 sowie Dezember 2016 bis Juni 2017 nur zur Zahlung eines gegenüber dem bisherigen Titel reduzierten Unterhaltsbeitrags verpflichtet sei.
Grundsätzlich diene die Aufnahme des Studiums dem besseren Fortkommen des Antragsgegners. Nach dem heranzuziehenden Vergleichsmaßstab einer intakten Familie sei es dem Antragsteller als Akademiker mit entsprechenden Einkommensverhältnissen auch zumutbar, dem Sohn durch Unterhaltsleistungen dieses Studium zu ermöglichen.
Die festgestellte Überschreitung der Regelstudienzeit begründe noch nicht den rechtsvernichtenden Einwand der mangelnden Zielstrebigkeit des Studiums. Es sei dabei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner mangels jeglicher Unterhaltszahlungen des Antragstellers immer wieder neben dem Vollzeitstudium einem Erwerb nachgehen habe müssen.
Das Rekursgericht bestätigte nach ergänzendem Beweisverfahren diese Entscheidung. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu der Rechtsfrage vorliege, bis zu welcher ECTS-Punktezahl bzw wie lange ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium der Medizintechnik angenommen werden könne, wenn der Student die Möglichkeit einer Wiederholung eines Studienjahres in Anspruch nehme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, der die Abänderung der Vorentscheidungen und seine gänzliche Enthebung von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Antragsgegner ab 1. 9. 2014 anstrebt. Der Antragsgegner hat eine Rechtsmittelbeantwortung erstattet.
Nach § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig.
Ob ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es seine Ausbildung nicht zielstrebig betreibt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (RIS‑Justiz RS0008857).
Der Oberste Gerichtshof hat für Bakkalaureatsstudien bereits ausgesprochen, dass bei Fehlen einer Gliederung in Studienabschnitte die erforderliche Kontrolle des periodischen Studienfortgangs durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen erfolgen muss (RIS‑Justiz RS0120928). Wesentlich ist der ex post betrachtete Studienfortgang unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Studiendauer, also weder die kürzest mögliche Studiendauer noch die in den Studienplänen angeführte (Mindest-)Semesteranzahl (3 Ob 51/14t mwN; 3 Ob 8/18z).
Für die Beurteilung ist die Beschlussfassung erster Instanz (§ 53 AußStrG; RIS‑Justiz RS0006801 [T6]) am 17. 7. 2017 der maßgebliche Zeitpunkt.
Konkrete Feststellungen über die durchschnittliche tatsächliche Studiendauer im Fachhochschulstudium Medizintechnik wurden von den Vorinstanzen nicht getroffen. Ausgehend von der Feststellung, dass bis zu 20 % eines Jahrgangs ein Studienjahr wiederholen müssen, beträgt die durchschnittliche Länge des Studiums aber jedenfalls mehr als die Mindestdauer von sechs Semestern, sodass sie vom Antragsgegner im relevanten Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten war.
Nach § 3 Abs 2 Z 2 FHStG hat der Aufwand für ein Bachelorstudium einer Fachhochschule insgesamt 180 ECTS-Anrechnungspunkte zu betragen. Allerdings hat das Beweisverfahren auch ergeben, dass eine Betrachtung des Punktestandes zu einem bestimmten Stichtag nicht genügt, weil Lehrveranstaltungen über längere Zeiträume laufen und Prüfungen ebenfalls nicht völlig gleichmäßig über die Monate verteilt absolviert werden müssen. Im Übrigen ist es dem Antragsgegner nach den Ergebnissen der ergänzenden Beweisaufnahme im Rekursverfahren möglich gewesen, ab Beginn des Wintersemesters 2017 in nur fünf Wochen 11 ECTS-Punkte zu erreichen.
Es ist jedenfalls nicht unvertretbar, wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall (noch) nicht von einer fehlenden Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit des Antragsgegners ausgegangen sind.
Insgesamt bewegt sich die Entscheidung des Rekursgerichts im Rahmen der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Revision zeigt keine im Einzelfall korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung auf.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.
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