European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122467
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Erleger hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung:
Der Erlagsantragsteller ist der mit Beschluss des Bezirksgerichts Gmünd bestellte Prozesskurator für die verpflichtete Partei „Verein *“, der sich mit Generalversammlungsbeschluss vom 11. 10. 1979 zum 1. 1. 1980 freiwillig aufgelöst hatte. Die Bestellung eines Prozesskurators erfolgte, weil der aufgelöste Verein noch über Liegenschaftsbesitz verfügt hatte und dieser exekutiv versteigert wurde. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Gmünd vom 17. 3. 2015, GZ 1 E 268/14b‑43, wurde der bisherige Prozesskurator zum „Abwesenheitskurator“ bestellt, um ihm eine Hyperocha von 6.587,97 EUR zuzuweisen. Dieser Betrag langte am 12. 5. 2015 auf einem Konto des Erlagsantragstellers ein.
Über Anregung des Exekutionsgerichts, wegen der Beendigung der Tätigkeit des Prozesskurators nunmehr (auch) nach § 5 Abs 2 Z 2 AußStrG einen Abwesenheitskurator zu bestellen, fasste das – für den ehemaligen Vereinssitz örtlich zuständige – Bezirksgericht Innere Stadt Wien am 29. 3. 2016 zur GZ 3 P 257/15i‑4 einen abweisenden Beschluss. Es bestehe eine gesetzliche Zuständigkeit der Vereinsbehörde nach §§ 29, 30 VereinsG für die Abwicklung des nachträglich hervorgekommenen Vermögens eines bereits aufgelösten Vereins, sodass kein Fall der mangelnden Vertretung vorliege.
In der Folge bot der Erleger der örtlich zuständigen L* als Vereinsbehörde die Überweisung der Hyperocha zur Durchführung der Nachtragsliquidation an. Mit informellem Schreiben vom 30. 8. 2016 lehnte diese Behörde eine Annahme ebenso wie die Einleitung weiterer Schritte ab.
Der Revisionsrekurswerber stellte daraufhin am 6. 6. 2017 unter Benennung der Vereinsbehörde als Erlagsgegnerin den Antrag auf gerichtlichen Erlag des Betrags vom 6.587,97 EUR. Alle gesetzlichen Voraussetzungen lägen vor, die Erlagsgegnerin verweigere die Annahme des Betrags ungerechtfertigt.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Zwischen Antragsteller und Erlagsgegnerin bestehe kein Schuldverhältnis. Die Klärung der strittigen Rechtsfrage, ob die nachträgliche Abwicklung des Vereins im gerichtlichen Abwesenheitspflegschaftsverfahren oder im Wege der vereinsbehördlichen Liquidation zu besorgen wäre, sei nicht Gegenstand eines Erlagsverfahrens.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Erlegers keine Folge.
Das Erstgericht habe den Erlagsantrag zutreffend als rechtlich unschlüssig beurteilt. Der Antragsteller sei als bestellter Abwesenheitskurator selbst der Vertreter des Vereins und habe als solcher dessen Interessen einschließlich der Verteilung des ehemaligen Vereinsvermögens „unter Aufsicht des Pflegschaftsgerichts“ wahrzunehmen. Die Erlagsgegnerin sei lediglich eine hoheitlich agierende Behörde und könne nach dem Antragsvorbringen nicht die Gläubigerin der Hyperocha sein.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Fallkonstellation vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Erlegers ist zulässig, weil die Rechtslage im vorliegenden Fall einer Klarstellung bedarf. Der Revisionsrekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Nach § 1425 ABGB kann der Schuldner einer Verbindlichkeit die abzutragende Schuld bei Gericht hinterlegen, wenn der Gläubiger unbekannt, abwesend oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann.
Der Erleger hat nach § 3 VerwEinzG in seinem Antrag den Erlagsgrund und den zu erlegenden Gegenstand sowie den Erlagsgegner anzuführen. Auch eine Unklarheit der Rechtslage kann einen wichtigen Grund für den Erlag bilden (RIS‑Justiz RS0033545; auch: RS0033557), jedenfalls muss es sich um ein Hindernis handeln, das nicht in der Person des Erlegers selbst begründet ist (RIS‑Justiz RS0112197).
Die Hinterlegungsvoraussetzungen müssen konkret und schlüssig behauptet werden, schon um zu verhindern, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden (6 Ob 105/08x; 8 Ob 75/16m; Frauenberger in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG II § 3 VerwEinzG Rz 8).
2. In diesem Sinn ist den Vorinstanzen aber beizupflichten, dass das Antragsvorbringen insofern rechtlich unschlüssig ist, als die als Erlagsgegnerin genannte Vereinsbehörde offenkundig nicht Gläubigerin der Hyperocha ist.
Die Behörde ist nicht Vertreterin des Vereins. Sie käme erst dann als Empfangsberechtigte für das zu liquidierende Vereinsvermögen in Frage, wenn sie ein Nachtragsliquidationsverfahren nach § 30 Abs 6 VereinsG eingeleitet hätte und dazu kein externer Liquidator bestellt würde. Ein solches Verfahren ist nach dem Antragsvorbringen aber gerade nicht anhängig und aufgrund der Stellungnahme der Behörde auch nicht zu erwarten.
Ob die erklärte Weigerung der Vereinsbehörde, eine Nachtragsliquidation durchzuführen, in ihrer Begründung und im Hinblick auf § 29 Abs 4 VereinsG auf einer zutreffenden Rechtsansicht beruht, ist im Erlagsverfahren nicht zu prüfen.
3. Tatsächlich ist aber nach dem Antragsvorbringen der berechtigte Gläubiger der Hyperocha, nämlich der Verein, ohnehin bekannt (9 Ob 147/06t). Wegen des bei seiner freiwilligen Auflösung noch vorhandenen Liegenschaftsvermögens und der sich daraus zwingend ergebenden Notwendigkeit einer Nachtragsliquidation ist seine Rechtspersönlichkeit noch nicht endgültig beendet (vgl § 27 VereinsG). Das derzeit vorliegende Hindernis, an den Verein zu leisten, kann gleich einer Abwesenheit des bekannten Gläubigers iSd § 1425 ABGB behandelt werden (6 Ob 105/08x; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 1a).
4. Im (jüngeren) Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, dass im Fall der Abwesenheit ein Wahlrecht des Schuldners zwischen einer Kuratorbestellung und der Hinterlegung besteht (Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 VI § 1425 Rz 7, 9; Reischauer aaO, § 1425 Rz 1, 21; Stabentheiner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.04 § 1425 Rz 8, 9) Entscheidet sich der Schuldner für die gerichtliche Hinterlegung, so sei vom Gericht aber im Erlagsverfahren ein Kurator zu bestellen, um diesen von der Hinterlegung zu verständigen. Nur dann, wenn für einen abwesenden Gläubiger bereits aus anderen Gründen ein Kurator für die Vermögensverwaltung bestellt sei, der abwesende Gläubiger also ohnehin einen Vertreter habe, dem die Leistung angeboten werden kann, komme eine primäre Hinterlegung nicht in Betracht.
Die Rechtsprechung (6 Ob 105/08x) ist dieser Auffassung mit der Einschränkung gefolgt, dass in der Regel aus ökonomischer Sicht die Bestellung des Nachtragsliquidators für eine gelöschte Gesellschaft gegenüber einer gerichtlichen Verwahrung des hervorgekommenen Vermögens den Vorzug haben muss und daher ein Erlagsgrund erst zu bejahen wäre, wenn zumutbare Versuche, die Durchführung einer Nachtragsliquidation zu erreichen, fehlgeschlagen sind oder der Liquidator die Annahme der Leistung verweigert.
5. Hier hat der Erlagsantragsteller diese besonderen Voraussetzungen erfüllt. Die Bestellung eines Abwesenheitskurators durch das im Außerstreitverfahren zuständige Bezirksgericht wurde rechtskräftig abgewiesen und die Einleitung der Nachtragsliquidation von der Vereinsbehörde abgelehnt.
Entgegen der Begründung des Rekursgerichts ist der Erleger aufgrund seiner Kuratorbestellung durch das Exekutionsgericht aber nicht auch zur Verwaltung und Liquidation des Vermögens des Vereins berechtigt und verpflichtet.
Für die wirksame Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG fehlte dem Exekutionsgericht in seinem laufenden Verfahren die Zuständigkeit (RIS‑Justiz RS0124759 = 10 Ob 91/08t mwN; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 5 Rz 27), wogegen das auf Anregung des Exekutionsgerichts eingeschrittene Pflegschaftsgericht die Bestellung ausdrücklich versagt hat.
Unbeschadet der Frage seiner Wirksamkeit ermächtigte der Beschluss des Exekutionsgerichts vom 17. 3. 2015 den Antragsteller zwar zur Entgegennahme des Verwertungsüberschusses, aber nicht auch zur Liquidation des hervorgekommenen Vereinsvermögens.
6. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Antragsteller einen schlüssigen Erlagsgrund darlegen konnte, seinen Antrag aber gegen einen untauglichen Forderungsprätendenten gerichtet hat, auch wenn die Vereinsbehörde zur Wahrung ihrer Aufgaben von einer Hinterlegung zu verständigen sein wird.
Eine amtswegige Änderung oder Ergänzung des bezeichneten Erlagsgegners ist dem Gericht nicht möglich. Ein Antrag des Erlegers auf Nachnennung eines (weiteren) Forderungsprätendenten (RIS‑Justiz RS0110883) liegt nicht vor.
Ob in der Fehlbezeichnung des Antragsgegners bei weitester Auslegung ein verbesserungsfähiger Inhaltsmangel iSd § 10 Abs 4 AußStrG erblickt werden hätte können, muss hier nicht geprüft werden. Das Unterbleiben eines Verbesserungsauftrags ist nicht als allfälliger Verfahrensmangel wahrzunehmen, wenn der Rechtsmittelwerber ihn nicht rügt und außerdem zu erkennen gibt, auf die Verbesserung keinen Wert zu legen, sondern (nur) die sofortige Stattgebung seines Antrags anstrebt (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 10 Rz 55). Ein neuerlicher Antrag steht dem Erleger im Übrigen frei.
Die Entscheidung des Rekursgerichts war daher im Ergebnis zu bestätigen.
Die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit iSd § 78 AußStrG liegen nicht vor (vgl auch Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 78 Rz 224).
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