OGH 8Ob75/16m

OGH8Ob75/16m17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Staatsanwaltschaft Wien, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, gegen die Erlagsgegner 1) M***** B*****, Belgien, und 2) K***** Autos, *****, wegen Gerichtserlags gemäß § 1425 ABGB, über den Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Juni 2016, GZ 43 R 290/16i‑8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 4. Mai 2016, GZ 26 Nc 8/16a‑4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Das dem Erlagsgesuch zugrunde liegende Fahrzeug der Marke Mercedes ist rechtmäßig auf den Ersterlagsgegner zugelassen. Dieser erstattete im März 2015 Anzeige, dass das Fahrzeug in Antwerpen gestohlen worden sei. In der Folge wurde das Fahrzeug von der Landespolizeidirektion Burgenland sichergestellt. Die internationale Fahrzeug‑Identifizierungsnummer (FIN) war verfälscht. Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs mit verfälschter FIN ist der Inhaber der Zweiterlagsgegnerin. Letzterer wurde das Fahrzeug von R***** S***** verkauft. Dieser betreibt kein Unternehmen. Wie das Fahrzeug in den Besitz von S***** gelangte, kann nicht festgestellt werden. Die Zweiterlagsgegnerin hat keinen Ausfolgungsantrag gestellt.

Die Erlegerin begehrte, das Fahrzeug gemäß § 1425 ABGB gerichtlich in Verwahrung zu nehmen. Sowohl der Beschuldigte (Inhaber der Zweiterlagsgegnerin) als auch der Ersterlagsgegner würden behaupten, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein. Fest stehe lediglich, dass das Fahrzeug dem Ersterlagsgegner gestohlen worden sei. Nicht klar sei aber, ob dieser nach wie vor rechtmäßiger Eigentümer des Fahrzeugs sei, weil die näheren Umstände bisher nicht hätten aufgeklärt werden können.

Das Erstgericht wies den Erlagsantrag ab. Der Ersterlagsgegner sei rechtmäßiger Zulassungsbesitzer. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch die Zweiterlagsgegnerin scheide aus, weil die Voraussetzungen gemäß § 367 ABGB nicht gegeben seien.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Ein Erlagsgrund nach § 1425 ABGB liege vor, wenn mehrere Forderungsprätendenten auftreten würden, die einander ausschließende Ansprüche gegen den Schuldner geltend machten, und im Rahmen einer zumutbaren Prüfung nicht festgestellt werden könne, wer der rechtmäßige Gläubiger sei. Im Anlassfall habe die Erlegerin nicht schlüssig dargelegt, welche Gründe gegen eine Ausfolgung an den Ersterlagsgegner sprechen würden. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch die Zweiterlagsgegnerin liege nicht vor. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den in § 114 Abs 2 StPO normierten Voraussetzungen für einen Gerichtserlag nach § 1425 ABGB keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Erlegerin, der auf eine Stattgebung des Erlagsgesuchs abzielt. Die Erlagsgegner sind zufolge sofortiger Abweisung des Erlagsgesuchs in das Verfahren nicht einbezogen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (8 Ob 113/15y).

2.1 Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit darin, dass das Erlagsgesuch von der Staatsanwaltschaft stammt. Es handelt sich daher um einen „strafrechtlichen Erlag“.

Einem solchen Fall geht eine Verwahrung eines Gutes nach der StPO voran. Sobald es die Sach‑ und Rechtslage gestattet, sind die gebotenen Verfügungen zu treffen, um die Verwahrung zu beenden. Kann das Gut nicht ausgefolgt werden, so ist nach § 1425 ABGB vorzugehen (vgl 1 Ob 376/98w).

2.2 Der hier zu beurteilende strafrechtliche Erlag betrifft das Ermittlungsverfahren. Es gelangen daher § 114 StPO sowie § 2 VerwEinzG iVm § 1425 ABGB zur Anwendung.

Nach § 114 StPO sind beschlagnahmte Gegenstände nach Wegfall des Verwahrungsgrundes grundsätzlich an jene Person auszufolgen, aus deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden. Wenn diese Person allerdings offensichtlich keine Berechtigung über den betreffenden Gegenstand hat, ist er der berechtigten Person auszufolgen, eine gestohlene Sache etwa dem Bestohlenen. Ist der Berechtigte nicht bekannt und auch nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand feststellbar, so ist nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen ( Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 114 Rz 4 f).

§ 2 VerwEinzG normiert keinen eigenständigen Verwahrungsgrund, sondern lediglich einen Anwendungsfall des § 1425 ABGB. Die Voraussetzungen nach der zuletzt genannten Bestimmung müssen daher (von der Person des Erlegers abgesehen) auch im Fall strafrechtlicher Verwahrnisse vorliegen. Dafür genügt das Vorliegen eines Prätendentenstreits, also das Vorhandensein mehrerer Prätendenten, die Eigentums-, Besitz- oder Detentionsansprüche erheben (vgl 6 Ob 105/08x; siehe dazu auch Spenling in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 367 Rz 9).

2.3 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Strafbehörde in ihrem Erlagsgesuch einen tauglichen Hinterlegungsgrund im Sinn des § 1425 ABGB dartun muss (5 Ob 32/00t; vgl Spenling in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 367 Rz 29). Auf den strafrechtlichen Erlag ist § 1425 ABGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Erleger nicht der Schuldner, sondern die Strafbehörde auftritt. Allgemein wird es im gegebenen Zusammenhang als Hinterlegungsgrund nach § 1425 ABGB angesehen, wenn mehrere Personen (Herausgabeprätendenten) Ausfolgungsansprüche erheben, die in schlüssiger Weise miteinander konkurrieren, oder wenn die Berechtigung eines einzelnen „Eigentumsansprechers“ (Herausgabeprätendenten) nach den Umständen zweifelhaft ist, etwa weil sie von einem Dritten schlüssig bestritten wird (vgl 6 Ob 105/08x; siehe dazu auch Spenling in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 367 Rz 10). In solchen Fällen kann die Herausgabeberechtigung erst in einem Zivilrechtsstreit geklärt werden. Demgegenüber ist ein Erlag nicht gerechtfertigt, wenn der Herausgabeberechtigte leicht feststellbar ist (6 Ob 105/08x).

2.4 Das Erlagsgericht hat den Antrag auf seine Schlüssigkeit hin zu prüfen, um zu verhindern, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden (6 Ob 105/08x; vgl auch Spenling in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 367 Rz 29).

3.1 Diese Grundsätze für den strafrechtlichen Erlag sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Die Vorinstanzen sind zutreffend von diesen Grundsätzen ausgegangen. Ihre Beurteilung, dass es dem Erlagsantrag an der Schlüssigkeit mangle, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

3.2 Nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt und der Aktenlage hat die Zweiterlagsgegnerin keinen Ausfolgungsantrag gestellt. Es treten demnach nicht mehrere Herausgabeprätendenten auf.

Davon abgesehen ist eine Berechtigung der Zweiterlagsgegnerin offensichtlich nicht gegeben. Der Herausgabeanspruch des Ersterlagsgegners ist demgegenüber nicht zweifelhaft. Die Erlegerin geht selbst davon aus, dass es sich beim Ersterlagsgegner um den rechtmäßigen Zulassungsbesitzer gehandelt hat und ihm das Fahrzeug gestohlen wurde. Ebenso geht sie davon aus, dass die Zweiterlagsgegnerin von S***** nicht (auch nicht gutgläubig im Sinn des § 367 ABGB) das Eigentum am Fahrzeug erwerben konnte. Nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt hat die Zweiterlagsgegnerin das Fahrzeug aber von dieser Person gekauft. Für eine Berechtigung der Zweiterlagsgegnerin fehlt es an einer schlüssigen Grundlage.

4. Insgesamt fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines Hinterlegungsgrundes. Der Erlegerin gelingt es nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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