OGH 7Ob222/17y

OGH7Ob222/17y24.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** OG, *****, vertreten durch Aigner Fischer Aigner Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Modelhart & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 14.775,91 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2017, GZ 22 R 218/17s‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 9. Mai 2017, GZ 35 C 23/17w‑8 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00222.17Y.0524.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin, deren Geschäftszweck auf „Wellness, Schwimmbad- und Saunabau“ lautet, ist bei der Beklagten betriebshaftpflichtversichert. Die Versicherungs-bedingungen lauten auszugsweise:

„Allgemeine und ergänzende Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB2004.1 und EHVB2004.1)

Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB)

Artikel 1

Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?

1. Versicherungsfall

1.1. Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.

2. Versicherungsschutz

2.1. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.

Artikel 7

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

1.2. Ansprüche soweit sie (…) über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen;

1.3. die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.

Allgemeine Haftpflicht Besondere Bedingungen AH815.3

9. Reine Vermögensschäden

1. Reine Vermögensschäden, die durch Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Ladung, Entladung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, sind abweichend von Art 1 AHVB mitversichert.

2.3. Ausgeschlossen bleiben Schäden aus der Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verträgen sowie aus der Nichteinhaltung von Fristen und Terminen.

...

Die Klägerin war beauftragt, mit einer Folie ein Ausgleichsbecken wasserdicht auszukleiden. Die Klägerin hat diese Arbeiten mangelhaft ausgeführt, sodass es zu Wasseraustritten kam. Die Klägerin begehrt den Ersatz der Kosten für die Leckortung und die Errichtung eines provisorischen Ausgleichsbeckens. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt habe gefunden werden können und unter Umständen auch die Auffassung vertreten werden könnte, dass die strittigen Kosten für die Errichtung des provisorischen Ausgleichsbeckens auch zur Behebung der Durchfeuchtung des Mauerwerks als Mangelfolgeschaden notwendig gewesen seien oder zur Hintanhaltung bzw Geringhaltung von dadurch verursachten Vermögensschäden gedient haben.

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsgericht von den in der Entscheidung 7 Ob 190/16s zur Betriebshaftpflicht-versicherung entwickelten Grundsätzen betreffend die Unterscheidung von Mangelfolgeschäden und Erfüllungssurrogat abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigen das Berufungsgericht und die Klägerin die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.1.  Ob das provisorische Ausgleichsbecken zur Beseitigung eines Mangelfolgeschadens, nämlich zur Behebung der Durchfeuchtung des Mauerwerks, notwendig gewesen ist, ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Klägerin – keine Rechts-, sondern eine Tatfrage, die das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu begründen vermag.

1.2.  Das Erstgericht hat eine Feststellung, wonach es der Zweck des provisorischen Ausgleichsbeckens gewesen sei, die Durchfeuchtung des Mauerwerks zu beheben, nicht getroffen; es hat vielmehr als erwiesen angenommen, das provisorische Ausgleichsbecken sei errichtet worden, „damit der Badebetrieb im neu errichteten Hotel aufrecht erhalten werden konnte“. In diesem Punkt liegt auch der von der Klägerin behauptete sekundäre Feststellungsmangel nicht vor, weil diese vor dem Erstgericht gar nicht konkret behauptet hat (vgl RIS‑Justiz RS0053317 [T2]), dass das provisorische Ausgleichsbecken zur Beseitigung der Durchfeuchtung des Mauerwerks notwendig gewesen wäre.

2.  In der Betriebshaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert (RIS‑Justiz RS0081685 [T4]). Die Versicherung erstreckt sich daher nicht auf Erfüllungssurrogate (RIS‑Justiz RS0081685 [T1]). Der Versicherungsschutz umfasst bei der Berufshaftpflichtversicherung nur jenen Schaden, der über das Erfüllungsinteresse des Dritten an der Leistung des Versicherungsnehmers hinausgeht (RIS‑Justiz RS0081898). Die Kosten für die von einem Dritten vorgenommene Verbesserung der mangelhaften Leistung des Versicherten fallen daher ebenfalls nicht in die Betriebshaftpflichtversicherung (RIS‑Justiz RS0081685). Unter „Ansprüche aus der Gewährleistung für Mängel“ fallen nicht nur die Kosten der Behebung des Mangels an sich, sondern auch jene der vorbereitenden Maßnahmen, die zur Mängelbehebung erforderlich sind (RIS‑Justiz RS0021974). Demnach ist hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten, die versicherungsrechtlich der Gewährleistung und dem Erfüllungssurrogat zuzuschlagen sind, wie folgt zu differenzieren: Ausgeschlossen sind jene Kosten, die ausschließlich der Verbesserung der bedungenen Werkleistung dienen. Hat die mangelhafte Werkleistung des Versicherungsnehmers hingegen bereits Folgeschäden an anderen Sachen angerichtet, dann sind diese Schäden gedeckt und nur jene Kosten ausgeschlossen, die für die Beseitigung des Mangels selbst aufgewendet werden (7 Ob 190/16s = RIS‑Justiz RS0131237). Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze der Betriebshaftpflichtversicherung nicht nur zutreffend dargestellt, sondern im vorliegenden Einzelfall auch vertretbar angewendet:

3.1.  Die Klägerin hatte mit einer Folie ein Ausgleichsbecken wasserdicht auszukleiden. Die Klägerin hat die Folie nicht wasserdicht ausgeführt. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten betrafen den Aufwand für die Leckortung und für das provisorische Ausgleichsbecken. Gegen die Rechtsansicht, dass es sich bei der Leckortung um eine (vorbereitende) Maßnahme der Mängelbehebung handelte, wird in der Revision nichts Substanzielles vorgetragen.

3.2.  Das provisorische Ausgleichsbecken diente dazu, den Badebetrieb im neu errichteten Hotel aufrecht zu erhalten (vgl Punkt 2.2.). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das provisorische Ausgleichsbecken vorläufig die ursprünglich mangelhafte Leistung der Klägerin ersetzte und daher Erfüllungssurrogat ist, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.

Die durch einen Betriebsausfall verursachten Vermögensschäden der Hotelbetreiberin, auf die sich die Argumentation der Klägerin auch bezieht, wären als reine Vermögensschäden, die allein durch die mangelhafte Leistung des Klägers entstanden und daher nicht auf einen versicherten Personen‑ oder Sachschaden zurückzuführen sind, ebenfalls nicht gedeckt (7 Ob 114/08b mwN).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist auch durch die Entscheidung des Fachsenats 7 Ob 46/13k (keine Deckung für Kosten eines Ersatztraktors nach mangelhafter Motorreparatur) gedeckt.

4.  Aus den AH815.3 folgt keine abweichende Beurteilung, weil nach deren Punkt 9.2.3 „reine Vermögensschäden“ (ua) aus der Schlechterfüllung von Verträgen jedenfalls ausgeschlossen bleiben sollten (vgl 7 Ob 143/14a).

5.  Auf die Nachbesserungsbegleitschädenklausel (AH813.3) hat sich die Klägerin in ihrer Berufung nicht gestützt; auf diese ist daher nicht mehr einzugehen (RIS‑Justiz RS0043480 [T22]; RS0041570 [T12]).

6.1.  Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und daher zurückzuweisen.

6.2.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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