OGH 15Os37/18g

OGH15Os37/18g23.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jozo K***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Oktober 2017, GZ 37 Hv 45/17b‑38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter, und der Verteidigerin MMag. Battisti zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00037.18G.0523.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Boris P***** betreffenden Freispruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hall in Tirol verwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – Jozo K***** (unbekämpft) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt (A./), weil er in I***** im Zeitraum von 1. November bis 12. Dezember 2015 als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, nämlich als alleiniger Geschäftsführer der K***** GmbH, die Befriedigung deren Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen im Ausmaß von 149.404,63 Euro vereitelt oder geschmälert hat, indem er Bestandteile des Vermögens der GmbH

1./ dadurch beiseite schaffte, dass er nach Aufnahme von 13 Rechnungen des Einzelunternehmens Boris P***** in die Buchhaltung, auf denen tatsächlich nicht erbrachte Leistungen dieses Einzelunternehmens verzeichnet waren, Barauszahlungen aus der Kassa der K***** GmbH vornahm und das Geld vereinnahmte, wodurch ein Befriedigungsausfall von insgesamt 91.000 Euro entstand, und zwar

a./ am 1. November 2015 30.000 Euro,

b./ am 15. November 2015 34.000 Euro und

c./ am 4. Dezember 2015 27.000 Euro;

...

Hingegen wurde Boris P***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe von 1. November bis 4. Dezember 2015 zu der von A./1./ erfassten strafbaren Handlung des Jozo K***** beigetragen, indem er (in H*****) insgesamt 13 Rechnungen an die K***** GmbH über insgesamt 91.000 Euro legte, obwohl keine korrespondierenden Leistungen erbracht wurden, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 „Z 5 zweiter Fall iVm Z 9 lit a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts legte der Angeklagte P***** im Zeitraum von 1. November bis 4. Dezember 2015 insgesamt 13 Rechnungen an die K***** GmbH, mit welchen Werklöhne in der Höhe von 91.000 Euro für angebliche „Subleistungen“ auf von der K***** GmbH betreuten Baustellen geltend gemacht wurden und die zufolge der Buchhaltung der K***** GmbH in drei Tranchen in bar bezahlt worden sein sollen. Tatsächlich waren von P***** oder dessen Arbeitern jedoch keine Leistungen erbracht worden. Vielmehr stellte er gefälligkeitshalber (bloße) Scheinrechnungen aus, wofür er seinerseits einen Betrag von 10.000 Euro erhielt (US 7).

Aus Sicht der Tatrichter konnte nicht festgestellt werden, dass P***** beim Ausstellen dieser Scheinrechnungen wusste, dass „Jozo K***** bzw“ die K***** GmbH Schuldnerin mehrerer Gläubiger war (US 7, 10 f) und dass er eine (wirkliche oder scheinbare) Verringerung des Vermögens des „Jozo K***** bzw“ der K***** GmbH sowie eine dadurch bewirkte Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung „ernsthaft“ für möglich hielt und sich damit abfand (US 8 f).

Ausgehend von den Annahmen zur Herstellung von Lugurkunden durch P***** und der im objektiven Tatbestand als erwiesen angenommenen Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (vgl Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 17, 19), auf die sich der von der Anklage umfasste Lebenssachverhalt bezieht (ON 17 S 8 iVm S 11; RIS‑Justiz RS0102147, RS0120002), macht die Staatsanwaltschaft zu Recht einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) zur subjektiven Tatseite geltend.

Sie begehrt Konstatierungen zu einem auf die Aufnahme der Scheinrechungen in die Buchhaltung der K***** GmbH und deren Gebrauch in einem Abgabenverfahren gerichteten Vorsatz des Angeklagten P***** und zeigt auch in diese Richtung weisende Verfahrensergebnisse auf: Die Verantwortung des Angeklagten P***** in der Hauptverhandlung, wonach „die Finanz […] eben durch diese Vorgangsweise auch weniger von K***** erhalten [hat]“ (ON 37 S 5), indiziert dessen bedingten Vorsatz auf Gebrauch der von ihm (vorsätzlich [vgl ON 37 S 3 iVm US 10]) hergestellten Scheinrechnungen durch K***** gegenüber dem Finanzamt als Abgabenbehörde (vgl zum Begriff des verwaltungsbehördlichen Verfahrens: Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 28, § 289 Rz 4).

Der von der Staatsanwaltschaft angestrebten Verurteilung wegen des Vergehens nach § 293 Abs 1 StGB steht derzeit auch die Subsidiaritätsklausel des § 22 Abs 3 FinStrG (vgl Lässig in WK² FinStrG § 22 Rz 10) nicht entgegen. Anhaltspunkte für einen im Zusammenhang mit der Herstellung der Scheinrechnungen tatsächlich wirksam gewordenen Beitrag des Angeklagten P***** zu einem (zumindest versuchten) Finanzvergehen des Jozo K***** (vgl § 11 dritter Fall FinStrG und § 13 Abs 1 und Abs 2 FinStrG) sind dem Urteil nicht zu entnehmen.

Das Urteil war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hall in Tirol zu verweisen (vgl RIS‑Justiz RS0100318).

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