OGH 13Os41/18f

OGH13Os41/18f9.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Zviad M***** und weitere Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Davit S*****, Merabi T***** und Murad B***** sowie die Berufungen der Angeklagten Zviad M***** und Umar K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Dezember 2017, GZ 34 Hv 13/17z‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00041.18F.0509.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Davit S*****, Merabi T***** und Murad B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitbeschwerden von Bedeutung – Zviad M***** und Davit S***** jeweils des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (2), Merabi T***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (1 und 3) und nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (2) und Murad B***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach haben am 5. September 2016 in I***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) einem anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt oder (zu 2) zuzufügen versucht, und zwar

(1) Merabi T***** und Umar K***** dem Yahya N*****, indem ihm Merabi T***** Schläge mit einem etwa 60 cm langen Metallrohr sowie Umar K***** zumindest einen Fußtritt versetzte, wodurch Yahya N***** eine mediale Orbitawandfraktur links, sohin eine an sich schwere Verletzung, eine Rissquetschwunde am linken Auge, Blutungen im Gesichtsbereich, eine Lockerung der Schneidezähne sowie Schmerzen im Bereich des Rückens erlitt,

(2) Zviad M*****, Davit S*****, Merabi T***** und Umar K***** dem Mohamed Se***** durch Versetzen von Schlägen mit der Faust und mit einem etwa 60 cm langen Metallrohr, wodurch dieser eine Schädelprellung, eine Rissquetschwunde über dem linken Auge, oberflächliche Abschürfungen am linken Oberarm, Prellungen am Oberkörper sowie kleine oberflächliche Schürfwunden im Bereich der rechten Wange erlitt,

(3) Merabi T***** und Murad B***** dem Abderrahim Ma***** durch Versetzen von Schlägen mit der Faust und mit einem 60 cm langen Metallrohr, wodurch dieser eine mediale Orbitawandfraktur rechts, sohin eine an sich schwere Verletzung, sowie eine Rissquetschwunde an der Oberlippe erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Davit S*****, Merabi T***** und Murad B*****. Diese verfehlen ihr Ziel.

Dem Vorbringen der Mängelrügen (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur Absicht der Angeklagten, Yahya N*****, Mohamed Se***** und Abderrahim Ma***** eine schwere Körperverletzung zuzufügen, aus dem äußeren Tatgeschehen (US 23), also dem Zusammenwirken, dem Versetzen von Schlägen mit einem Metallrohr und Tritten und anderen Attacken gegen das Gesicht unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).

Indem die Subsumtionsrügen (Z 10) die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11, 12 und 13) bestreiten, bringen sie den materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessförmigen Darstellung (RIS‑Justiz RS0099724).

Im Einzelnen sei den Nichtigkeitsbeschwerden noch Folgendes erwidert:

Zur Nichtigkeitbeschwerde des Davit S*****:

Dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieb die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer mit dem mitgeführten Metallrohr auf den Kopf‑ und Oberkörperbereich des Mohamed Se***** einschlug (US 11), nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde aus der Inaugenscheinnnahme der Videoaufzeichnung abgeleitet (US 22). Auch diese Ableitung ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Die Aussage des Mohamed Se***** blieb beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen keineswegs unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), vielmehr folgte der Schöffensenat den Angaben wegen diverser Widersprüche nicht (US 21). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details der Aussage waren die Tatrichter mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642).

Soweit der Beschwerdeführer die tatrichterlichen Erwägungen kritisiert, verlässt er den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.

Dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge zuwider wurde die Verantwortung des Angeklagten Davit S*****, in Verteidigungsabsicht gehandelt zu haben, vom Erstgericht nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern als Schutzbehauptung verworfen (US 17 und 18).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Merabi T*****:

Indem die Mängelrüge (Z 5) einzelne Begründungspassagen hervorhebt und eigene Erwägungen anstellt, zeigt sie keine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen (Z 5 vierter Fall) auf, sondern bekämpft die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Murad B*****:

Nach den Feststellungen kam es den einverständlich zusammenwirkenden Murad B***** und Merabi T***** darauf an, Abderrahim Ma***** durch Schläge mit der Faust oder dem Metallrohr ins Gesicht eine schwere Verletzung zuzufügen (US 13).

Der Vorwurf des Fehlens von Feststellungen zur „Volksgruppenzugehörigkeit der Beschuldigten“ (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a oder Z 10) und dazu, „inwieweit der Beschwerdeführer vom Mitführen der Metallstange aktive Kenntnis hatte“ (nominell Z 5, der Sache nach Z 10), entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil im Rechtsmittel nicht dargelegt wird, weshalb die im Urteil getroffenen Konstatierungen zur Subsumtion nicht genügen sollten (RIS‑Justiz RS0116565).

Indem die Mängelrüge aus der Videoaufzeichnung oder aus Aussagen der Mitangeklagten (vgl dazu US 17 und 18) anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse zieht und jene der Tatrichter kritisiert, verlässt sie den Anfechtungsrahmen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bringt mit der Behauptung, dass keine an sich schwere Körperverletzung eingetreten und die Tat demnach im Versuchsstadium (§ 15 StGB) geblieben sei, keinen Fehler in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes vor, weil die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung die Subsumtion nicht tangiert (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122137 und RS0122138).

Soweit der Beschwerdeführer auf die Judikatur verweist, wonach Knochenbrüche in der Regel an sich schwere Verletzungen sind, außer es handelt sich um einen Knochen von geringer Bedeutung (RIS‑Justiz RS0092410; RS0092611), sei entgegnet, dass es sich beim Orbitaboden gerade nicht um einen derartigen Knochen handelt. Daher kommt es bei der Lösung der angesprochenen Rechtsfrage nicht auf die Dauer der Gesundheitsschädigung, die Art der Behandlung oder die folgenlose Abheilung an (vgl dazu RIS‑Justiz RS0092460, RS0092425).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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