OGH 9ObA31/18a

OGH9ObA31/18a25.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Nicolai Wohlmuth als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Christoph U. Kuhn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 21.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2017, GZ 9 Ra 52/17h‑20, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 21. Februar 2017, GZ 28 Cga 116/16g‑16, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00031.18A.0425.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die am ***** 1970 geborene Klägerin ist seit 7. 5. 1990 bei der Beklagten als Versicherungsangestellte im Innendienst beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmen (KVI) anzuwenden.

Mit Schreiben vom 2. 5. 2013 stellte die Beklagte der Klägerin wegen mehrmaliger Minderleistung eine nicht zufriedenstellende Dienstbeschreibung aus. Dagegen erhob der Klagevertreter namens der Klägerin Einwendungen und ersuchte die Beklagte um fristgerechte Unterrichtung vom Termin der gemäß § 17 Abs 3 KVI anzuberaumenden Anhörung vor dem Ausschuss. Die Beklagte teilte dem Klagevertreter mit, dass die Klägerin im zu bildenden Ausschuss, wie es im KVI vorgesehen sei, gehört werde, auch ein Mitglied des Betriebsrates dem Ausschuss beobachtend und intervenierend beiwohnen werde, dabei eine anwaltliche Vertretung und Anwesenheit des Klagevertreters aber nicht üblich und nicht gestattet sei. Da die Klägerin in der Folge erkrankte und zwischen den Parteien zwei Arbeitsgerichtsverfahren geführt wurden, wurde das Dienstbeurteilungsverfahren bislang nicht fortgesetzt; zu einer Anhörung der Klägerin kam es bisher nicht.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren auf Feststellung, dass die Klägerin berechtigt sei, sich in einem von der Beklagten geführten Dienstbeschreibungsverfahren gemäß § 17 KVI durch einen von ihr zu wählenden Rechtsanwalt vertreten zu lassen (Punkt 1) und die Beklagte verpflichtet sei, den Termin der Anhörung der Klägerin durch den Ausschuss gemäß § 17 KVI zumindest 72 Stunden vorab der Klägerin und den von ihr mit ihrer Vertretung beauftragten Personen schriftlich nachweislich bekanntzugeben (Punkt 2), ab. Da gemäß § 17 Abs 3 letzter Satz KVI für das Dienstbeschreibungsverfahren keine Verfahrensvorschriften bestünden, sei die Beklagte auch nicht verpflichtet, eine anwaltliche Vertretung der Klägerin zuzulassen. Anders als beim Disziplinarverfahren handle es sich beim Dienstbeschreibungsverfahren bloß um eine interne Vorgehensweise zur Überprüfung und Feststellung der Qualität der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

Abgesehen davon unterlägen sittenwidrige, denkgesetzwidrige oder unschlüssige Begründungen einer Dienstbeschreibung ohnehin der gerichtlichen Überprüfung und könnten zu einer entsprechenden Berücksichtigung bei der Beurteilung eines davon berührten Anspruchs führen. Auch im Falle einer Kündigungsanfechtung sei die Dienstbeschreibung einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass zur Rechtsfrage, ob sich der Angestellte im Dienstbeschreibungsverfahren nach § 17 KVI durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann und den Dienstgeber die Verpflichtung trifft, den gewählten Vertreter zu einer Anhörung des Angestellten gesondert einzuladen, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Eine andere Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird auch in der Revision nicht geltend gemacht.

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 18 Abs 3 lit a) KVI können Angestellte, die das 20. Dienstjahr bei ihrem Arbeitgeber und das 45. Lebensjahr vollendet haben – beide Voraussetzungen erfüllt die Klägerin –, nur wegen mindestens zweimaliger nicht zufriedenstellender Dienstbeschreibung (§ 17), zwischen denen mindestens 3 Monate liegen müssen und die innerhalb von 3 Jahren erfolgt sind, gekündigt werden.

§ 17 KVI enthält folgende Regelungen zur Dienstbeschreibung:

(1) Zum Zweck der objektiven Feststellung, ob und inwieweit der Angestellte seine dienstlichen Obliegenheiten erfüllt, ist der Arbeitgeber in angemessenen Abständen zu schriftlichen Dienstbeschreibungen berechtigt. Die Dienstbeschreibung ist grundsätzlich vom jeweiligen Dienstvorgesetzten oder dessen Vorgesetzten vorzunehmen, letzteres nur, wenn dies aus sachlich-organisatorischen oder sonstigen Gründen zweckdienlich erscheint.

(2) Jede Dienstbeschreibung im Sinne des Abs 1 ist dem Angestellten nachweislich zur Kenntnis zu bringen und in Abschrift (Kopie) auszuhändigen. Der Betriebsrat ist vom Vorliegen einer nicht zufriedenstellenden Dienstbeschreibung zu informieren. Auf Verlangen ist dem Betriebsrat mit Zustimmung des Angestellten Einsicht zu gewähren.

(3) Hat der Angestellte binnen zwei Wochen schriftliche Einwendungen gegen die Dienstbeschreibung erhoben, entscheidet ein Ausschuss, der aus dem Vorgesetzten des Verfassers der Dienstbeschreibung und dem Leiter der Personalabteilung besteht, endgültig. Dieser Ausschuss hat den Angestellten auf angemessene Weise anzuhören sowie das Überwachungsrecht des Betriebsrates nach § 89 ArbVG und gegebenenfalls auch dessen Interventionsrecht nach § 90 ArbVG zu beachten. Eine Bindung an besondere Form- oder Verfahrensvorschriften besteht jedoch nicht.

(4) Eine weitere Dienstbeschreibung ist erst zulässig, wenn das vorherige Dienstbeschreibungsverfahren abgeschlossen ist.

(5) Nach der ersten, nicht zufriedenstellenden Dienstbeschreibung ist dem Angestellten nach Möglichkeit und Zweckmäßigkeit eine Chance zu geben, sich entsprechend seiner Qualifikation auf einem anderen Arbeitsplatz zu bewähren.

2. Das grundsätzliche Vertretungsrecht des Klagevertreters nach § 8 RAO in einem Dienstbeschreibungsverfahren der Klägerin nach § 17 KVI wird – nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin (Seite 2 in ON 13) – von der Beklagten gar nicht in Frage gestellt. Die Beklagte und deren Rechtsvertreter nahmen auch direkt Kontakt mit dem die Klägerin vertretenen Rechtsanwalt auf (Blg ./D, ./F und ./H). Lediglich die Anwesenheit des Klagevertreters unmittelbar bei der Anhörung vor dem Ausschuss nach § 17 Abs 3 KVI wird von der Beklagten in Abrede gestellt. Insofern mangelt es dem viel zu weiten Feststellungsbegehren (Punkt 1 des Klagebegehrens) schon am Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0038968; RS0039228), sodass auf weitere Einwände nicht eingegangen werden muss.

3. Was Punkt 2 des Klagebegehrens betrifft, so bestimmt der KVI nur, dass der Angestellte in angemessener Weise vor dem Ausschuss zu hören ist, nicht aber, dass er (oder sein Vertreter) zumindest 72 Stunden vorab schriftlich verständigt werden müssten. Insbesondere besteht im Verfahren vor dem Ausschuss nach § 17 Abs 3 letzter Satz KVI ausdrücklich keine Bindung an besondere Form- oder Verfahrensvorschriften. Für das Feststellungsbegehren der Klägerin fehlt daher die geltend gemachte Rechtsgrundlage im KVI. Schon insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung 9 ObA 201/94 zugrunde lag.

4. Dazu kommt, dassder Oberste Gerichtshof bereits – ua im Zusammenhang mit § 22 Abs 2 DO.A, wonach die zweimalige Gesamtbeurteilung „nicht entsprechend“ innerhalb von drei Jahren zur Aberkennung des Kündigungsschutzes führen kann – ausgesprochen hat, dass eine gerichtliche Überprüfung der Dienstbeschreibung ausschließlich im Rahmen der Beurteilung eines von ihr berührten Anspruchs möglich ist. Gegenstand einer Feststellungsklage iSd § 228 ZPO können nur Rechte oder Rechtsverhältnisse sein. Eine Rechtshandlung, wie sie die vom Dienstgeber nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmende Beurteilung des Verwendungserfolgs bzw der Leistung des Angestellten ist, kann hingegen nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein, weil es sich dabei nicht um ein Recht oder Rechtsverhältnis, sondern nur um eine Vorfrage für dessen Bestand handelt (9 ObA 283/97a; vgl 9 ObA 93/98m). An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof auch in jüngster Zeit festgehalten (9 ObA 100/17x; RIS‑Justiz RS0039036; RS0038804; RS0109205).

Wenn daher selbst eine Dienstbeschreibung als solche nur im Rahmen eines hievon berührten Anspruchs gerichtlich überprüft werden kann, gelten diese Grundsätze umso mehr für das der Dienstbeschreibung vorangehende interne Verfahren beim Dienstgeber.

Die Revision der Klägerin ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).

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