OGH 9ObA283/97a

OGH9ObA283/97a17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Georg Genser und Dr. Jörg Wirrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich P*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt *****, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (S 300.000 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 1997, GZ 8 Ra 81/97h-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Oktober 1996, GZ 29 Cga 277/95g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klage(haupt)begehren, zwischen den Streitteilen werde festgestellt, daß die den Kläger betreffenden Dienstbeschreibungen vom 13. 5. 1993 und vom 20. 8. 1993, erstellt durch die beklagte Partei, nichtig seien, und das Eventualbegehren auf Aufhebung der genannten Dienstbeschreibungen werden abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 60.429,60 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 10.071,60 Umsatzsteuer) sowie die mit S 22.870,80 bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin S 3.811,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 8. 10. 1973 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt; auf sein Dienstverhältnis ist die DO.A anzuwenden. Vom 10. 5. 1983 bis Ende 1991 war er dem Büro des damaligen Generaldirektors der Beklagten zugeteilt und faktisch als dessen persönlicher Referent tätig. Etwa ab 1991 kam es infolge einer verschleppten Kieferhöhleneiterung zu gehäuften Krankenständen des Klägers, wobei es vorkam, daß er sich nicht unverzüglich krank meldete. Nach der Pensionierung des bisherigen Generaldirektors Ende 1991 wurde Rudolf H***** unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers, der den weit überwiegenden Teil des Jahres 1992 im Krankenstand und dazwischen auch im Urlaub war und insgesamt vom 1.1.1992 bis zum 15. 3. 1993 nur 40 Tage am Arbeitsplatz verbrachte. H***** brachte es zuwege, daß der Kläger - ohne seinen Willen - mit 15. 3. 1993 in die Abteilung Meritorik versetzt wurde. Für die Arbeit als Referent dieser Abteilung sind detaillierte Kenntnisse des zwischenstaatlichen Rechts und des Lohnsteuerrechts erforderlich, über die der Kläger nicht verfügte. Im Hinblick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers erachtete die Abteilungsleiterin bei ihm aber keine besondere Einschulungszeit als erforderlich. Auch während der Tätigkeit in der Abteilung Meritorik war der Kläger oft krankheitshalber, teilweise auch wegen Urlaubs oder anderer privater Gründe, abwesend; es gab auch neuerlich Beanstandungen wegen verspäteter Krankmeldungen. Zudem wies der Kläger deutliche Anzeichen von Alkoholmißbrauch auf. Es kam auch vor, daß er am Schreibtisch schlief. Daß der Kläger im Dienst akut alkoholisiert war, ist aber nicht feststellbar. Auf wiederholte Vorhalte leugnete der Kläger Alkoholprobleme und begründete seinen Zustand mit seiner Erkrankung und der Einnahme von unverträglichen Medikamenten. Die ihm zugeteilten Arbeiten erledigte der Kläger zwar teilweise richtig, allerdings nicht mit dem von einem Referenten der Abteilung üblicherweise zu erwartenden Tempo. Mit 29. 8. 1993 wurde er in die Schulungsabteilung versetzt.

Rudolf H***** erstellte über den Kläger die Dienstbeschreibung vom 13. 5. 1993, in der im Hinblick auf die umfangreichen Krankenstände des Klägers der Verwendungserfolg als nicht beurteilbar bezeichnet wurde. Wegen wiederholter Absenzen ohne vorherige Verständigung des Dienstgebers habe die Gesamtbeurteilung auf "entsprechend" zu lauten.

Die Leiterin der Abteilung Meritorik erstellte über den Kläger die Dienstbeschreibung vom 20. 8. 1993, in der er als "nicht entsprechend" beurteilt wurde. Diese Gesamtbeurteilung wurde mit dem Fehlen der für die Abteilung Meritorik erforderlichen Vorkenntnisse, aber auch mit dem Vorwurf der Selbstüberschätzung und der mitunter gegebenen Alkoholbeeinträchtigung begründet.

Beide Dienstbeschreibungen wurden vom Generaldirektor der Beklagten genehmigt. Einsprüche des Klägers gegen diese Beschreibungen wurden vom Personal- und vom Verwaltungsausschuß der Beklagten abgewiesen.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Feststellung der Nichtigkeit der Dienstbeschreibungen vom 13. 5. 1993 und vom 20. 8. 1993, in eventu, deren Aufhebung. Diese Dienstbeschreibungen seien formal rechtswidrig und inhaltlich unrichtig. Sie hinderten sein berufliches Fortkommen, seien rufschädigend und brächten ihm im Hinblick auf § 40 DO.A (Aufschub der Vorrückung durch Gesamtbeurteilung "nicht entsprechend") finanzielle Nachteile.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Dienstbeschreibungen seien ordnungsgemäß zustande gekommen und inhaltlich richtig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach - in "Verdeutlichung" des Klagebegehrens - aus, daß die Dienstbeschreibungen "im Rahmen des Dienstrechtsverhältnisses der Streitteile unwirksam sind". Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Dienstbeschreibung vom 13. 5. 1993 materiell keine Beschreibung iS des § 24 DO.A sei, weil sie inhaltlich lediglich als Tadel gewisser Ordnungswidrigkeiten, nicht aber als Beurteilung des Verwendungserfolges anzusehen sei. Die Dienstbeschreibung vom 20. 8. 1993 enthalte zwar eine Beurteilung der fachlichen Fähigkeiten und Leistungen des Klägers; sie stütze sich aber wesentlich auf das Fehlen von Kenntnissen und Fähigkeiten, über die der Kläger angesichts seines bisherigen Werdeganges und seiner überraschenden Versetzung innerhalb der nicht einmal eineinhalb Monate dauernden Verwendung in der Abteilung Meritorik gar nicht verfügen habe können. Beide Dienstbeschreibungen seien daher iS § 879 ABGB nichtig. Das Klagebegehren sei zu verdeutlichen gewesen, weil gemäß § 228 ZPO nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, nicht aber einer Rechtshandlung geklagt werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Eine Dienstbeschreibung habe eine inhaltlich richtige und nachvollziehbar begründete Darstellung der Erfüllung der dienstlichen Obliegenheiten durch den Beurteilten zu enthalten, wobei ein angemessener, eine verläßliche Aussage ermöglichender Beobachtungszeitraum zur Verfügung gestanden haben müsse. In Abwägung der Interessen des betroffenen Dienstnehmers und des Dienstgebers könne eine nicht diesen Grundsätzen entsprechende Dienstbeschreibung unwirksam sein. Die Dienstbeschreibung vom 13. 5. 1992 sei in diesem Sinne unwirksam, weil sie keine Beschreibung des ausdrücklich als nicht beurteilbar bezeichneten Verwendungserfolges enthalte, trotzdem aber die Gesamtbeurteilung "entsprechend" aufweise. Auch die Dienstbeschreibung vom 20. 8. 1993 sei unwirksam, weil ein die verläßliche Beurteilung erlaubender Verwendungserfolg nicht zur Verfügung gestanden sei und der Kläger, dem die Möglichkeit einer Einarbeitung nicht gegeben worden sei, über die für die Tätigkeit in der Abteilung Meritorik erforderlichen Spezialkenntnisse gar nicht habe verfügen können. Die Revision sei zulässig, weil zu den zu beurteilenden Fragen - abgesehen von der Entscheidung 4 Ob 182/82 vom 9. 11. 1982 (gemeint offenbar: 4 Ob 147/82) - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist im Ergebnis auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der zulässig ausgeführten Rechtsrüge des Revisionswerbers hat der Oberste Gerichtshof die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Gründe zu prüfen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 504 mwN). Dabei sind folgende Erwägungen anzustellen:

Eine Dienstbeschreibung nach § 24 DO.A ist eine vom Dienstgeber nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmende Beurteilung des Verwendungserfolges bzw. der Leistung des Angestellten. Es handelt sich dabei um eine auf der Grundlage der DO.A vorzunehmende Rechtshandlung des Dienstgebers, die in mehrfacher Hinsicht für das Rechtsverhältnis zwischen dem Dienstgeber und dem Angestellten von Bedeutung ist (Aufschub der Vorrückung bei Gesamtbeurteilung "nicht entsprechend" iS § 22 DO.A) bzw. unter bestimmten Voraussetzungen von Bedeutung sein kann (vgl § 22 DO.A, wonach die zweimalige Gesamtbeurteilung "nicht entsprechend" innerhalb von drei Jahren zur Aberkennung des Kündigungsschutzes führen kann bzw. § 45 DO.A, wonach Voraussetzung die Dienstalterszulage ua zur Voraussetzung hat, daß der Angestellte seit der Einstufung in die Bezugsstufe 18 für einen Zeitraum von 4 aufeinanderfolgenden Jahren mindestens die Gesamtbeurteilung "gut" erhalten hat).

In der schon vom Berufungsgericht angesprochenen Entscheidung 4 Ob 147/82 ließ der Oberste Gerichtshof die Frage, ob und inwieweit eine Dienstbeschreibung iS des § 24 DO.A, insbesondere wenn eine bestimmte Qualifikation die Voraussetzung eines materiellrechtlichen Anspruches bildet, offen, hielt aber fest, daß "sittenwidrige (§ 879 ABGB), denkgesetzwidrige oder unschlüssige Begründungen einer Gesamtbeschreibung" jedenfalls der gerichtlichen Überprüfung unterliegen und "zu einer entsprechenden Berücksichtigung bei der Beurteilung eines davon berührten Anspruches führen".

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Für den hier zu beurteilenden Fall ist überdies festzuhalten, daß eine gerichtliche Überprüfung der Dienstbeschreibung ausschließlich im Rahmen der Beurteilung eines von ihr berührten Anspruches möglich ist, während eine wie immer geartete Anfechtung oder Bekämpfung einer Dienstbeschreibung losgelöst von der Geltendmachung eines hievon berührten Anspruches nicht in Betracht kommt: Gegenstand einer Feststellungsklage iS § 228 ZPO können nur Rechte oder Rechtsverhältnisse sein (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 228 mwN). Ein Rechtsverhältnis iSd § 228 ZPO ist die bestimmte, durch den vorgegebenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte, rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von Personen und Sachen (SZ 47/63; Kuderna, ASGG**2 Anm 6 zu § 54). Eine Rechtshandlungen hingegen kann nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein, weil es sich dabei nicht um ein Recht oder Rechtsverhältnis, sondern nur um eine Vorfrage für dessen Bestand handelt (Arb 10.806; SZ 52/191; SZ 53/171; RdW 1991,55; Ris-Justiz RS0038804). Das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit oder der Unwirksamkeit einer Dienstbeschreibung iS § 24 DO.A zielt aber iS der dargestellten Ausführungen auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Rechtshandlung ab und ist daher - was auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist (ARD 4795/32/96) - abzuweisen (Kuderna, aaO Anm 6 zu § 54). Gleiches gilt für das auf (rechtsgestaltende) Aufhebung der Dienstbeschreibungen gerichtete Eventualbegehren: Rechtsgestaltungsklagen dürfen nur dort erhoben werden, wo das Gesetz sie entweder ausdrücklich zuläßt oder sie anhand bestimmter Ausnahmekriterien in vorsichtiger und einschränkender Analogie zugelassen werden können (SZ 69/4; Kuderna, aaO Anm 16 zu § 50). Für den hier geltend gemachten Rechtsgestaltungsanspruch fehlt es aber an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.

Die vom Kläger angestrebte Überprüfung der Dienstbeschreibung ist somit nur im Wege der Geltendmachung eines von der bekämpften Beschreibung betroffenen Anspruches - gegebenenfalls auch mittels einer Feststellungsklage - möglich. Einen konkreten Anspruch hat aber der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht schlüssig geltend gemacht, sodaß sein Klagebegehren auch nicht umgedeutet werden kann.

In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen iS der Abweisung der Begehren des Klägers abzuändern.

Stichworte