European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00025.18P.0410.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rade P***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er – zusammengefasst wiedergegeben – unter dem Einfluss einer geistigen und seelischen Abnormität höheren Grades und damit eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, nämlich einer anhaltend wahnhaften Störung (US 5 und 12), zu nachangeführten Zeitpunkten in K***** und anderenorts
I./ seine Ex-Ehefrau S***** K***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, längere Zeit hindurch zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diese am Vermögen schädigen sollte, wobei K***** keine Zahlungen leistete und schließlich Anzeige erstattete, und zwar
1./ am 12. September 2015 durch die an den Facebook-Account deren Schwester Nevena K***** übermittelte gefährliche Drohung mit dem Tod, in der Absicht, dass sie S***** K***** zur Kenntnis gelangt: „Sag S*****, dass ein Tag meines Gefängnisses 100 € sind und es sind fünf Jahre. Sie soll das ganze Geld vorbereiten .... Sie soll sich keine Sorgen machen, sie soll mir alles bezahlen und sag [wer] das ist, mit dem sie sich getroffen hat und sie einen Plan geschmiedet haben, um mich zu töten. Wenn ich ihn finde, wird ihnen das nie wieder in den Sinn kommen und sie werden auch keine Gelegenheit haben und S***** wird so enden, wie meine Mutter (die ermordet wurde).“;
2./ am 30. September 2016 durch gefährliche Drohung mit ihrem Tod und dem Tod einer Sympathieperson über den Facebook‑Account eines anderen: „Wenn du das Geld nicht bringst, werde ich den Kopf deines Sohnes abhacken und es auf dein Facebook stellen … jetzt sind es nicht 10 sondern 20 tausend Euro … und dich werde ich lebendig begraben … du hast eine Frist von 30 Tagen um das Geld … zu bringen. Wenn nicht, ist dein Kopf ab.“;
3./ am 12. November 2016 durch gefährliche Drohung mit einer Brandstiftung über den Facebook‑Account eines anderen: „Du Sandlerin, überweise heute 10.000 € über die Western Union … du hast 30 Tage Zeit, ansonsten wird die Ilova brennen“;
4./ zwischen September 2015 und November 2016 durch gefährliche Drohung mit ihrem Tod, dem Tod von Sympathiepersonen und mit einer Brandstiftung zum Nachteil von Sympathiepersonen in der Absicht, dass sie S***** K***** zur Kenntnis gelangt, in einem Brief an ihre Schwester S***** V***** des Inhalts: „Sehr geehrte Frau V*****, … ich würde sie ersuchen, dass sie sie anrufen und das Geld zustellen, welches sie schuldet. Sie weiß warum und wo sie das Geld zustellen sollte … sie haben mir das Geld noch nicht zugestellt und es geht um 20.000 €, nur dass ich sie ermahne, dass sie es nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben … Ich habe Information, dass sie einen Polizisten hat, ich habe seinen Namen erfahren, Brane ..., ich werde sie zusammen finden und dorthin bringen, wo sie niemand finden wird. Ema weiß gut wer und was ich bin, ich bin ein Mitglied der Wachabiten … und für alle Konsequenzen die passiert sind, werden sie selbst und insbesondere S***** gerade stehen. … ich habe das Haus ihrer Eltern gefunden und das fotografiert und die Frist, dass das Geld zugestellt wird ist 30 Tage. Nach der Frist schicke ich meine Leute ...“;
II./ am 31. Oktober 2015 S***** K***** durch gefährliche Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung und der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung über den Facebook‑Account ihrer Schwester in der Absicht, dass sie ihr – S***** K***** – zu Kenntnis gelangt, zur Unterlassung einer neuerlichen Anzeigeerstattung gegen ihn genötigt, indem er schrieb: „Sag der Schwester, dass ich ihren Ficker auf den Griller tun werde. Sie wird zuschauen, sie wird mich nie wieder anzeigen und auch keine Gelegenheit haben … Sag, dass ich bei der Polizei angezeigt habe, dass sie den Mord der Mutter bestellt hat … Wie sie mir diese Gefangenschaft bezahlen wird ... ich werde ihr Säure in die „Fut“ schütten, dass sie wie ein kleines Kind in Pampers pinkeln wird.“;
III./ nachstehende Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
1./ am 21. Dezember 2015 S***** K***** durch die an den Facebook-Account ihrer Schwester übermittelte gefährliche Drohung mit dem Tod und einer Brandstiftung zu ihrem Nachteil und zum Nachteil ihrer Eltern, somit Sympathiepersonen, in der Absicht, dass sie S***** K***** zur Kenntnis gelangt: „Janic hat bestellt, dass S***** in Brand gesetzt wird, aber sie haben das Haus verfehlt und das Haus von jemand anderem dort unten bei euch in Brand gesetzt … Sie warten wieder auf sie … S***** hat das alles verdient und dass meine Kinder in Gefahr sind. Frag wessen Haus sie angezündet haben, aber sie sollten eures anzünden.“;
2./ am 23. Dezember 2015 S***** K***** durch die an den Facebook-Account ihrer Schwester übermittelte gefährliche Drohung mit ihrem Tod und dem Tod von Sympathiepersonen, nämlich ihrer Kinder, in der Absicht, dass sie S***** K***** zur Kenntnis gelangt: „Sag S*****, dass die Kinder bald den Kopf verlieren werden … und sie weiß warum und es ist bestellt, dass sie zuerst von fünf vergewaltigt wird, es sind alles Mörder, sie glaubt, dass sie den Leuten ihr Leben zerstören kann und ihr niemand was antun kann, es kommt für alles ein Ende“;
3./ am 5. Oktober 2016 S***** K***** durch Drohung mit dem Tod über den Facebook-Account eines anderen: „Was für Briefe schreibst du an die Polizeistation, dass ich bestellt habe, dass sie dein Haus und deine Eltern in Brand setzen sollen und das die Bestellten sich vertan haben und ein anderes Haus in Brand setzten … Jetzt werde ich dich finden. Du kannst dich nicht verstecken … Du sollst wissen, dass ich dir direkt in den Kopf schießen werde und ich bin bereit lebenslänglich im Gefängnis zu sitzen“;
4./ am 16. Oktober 2016 S***** K***** durch Drohung mit dem Tod von Sympathiepersonen über den Facebook-Account eines anderen: „Deine Frist ist abgelaufen. In Kürze werden deine Mutter und dein Vater getötet werden.“;
5./ am 23. Oktober 2016 S***** K***** durch Drohung mit dem Tod über den Facebook-Account eines anderen: „ … Du bist krank im Kopf. Ich höre, du hast deinen Mann in Gefangenschaft gebracht und wolltest das auch mir antun. Ich werde aus dir eine serbische Wurst machen.“;
6./ am 26. November 2016 S***** K***** durch Drohung mit einer Brandstiftung zum Nachteil von Sympathiepersonen über einen Facebook-Eintrag: „Deine Frist ist abgelaufen, ich schicke dir jetzt die Leute … “;
7./ am 5. Februar 2017 seinen Sohn Danijel P***** durch Drohung mit dem Tod über den Facebook‑Account eines anderen: „Ich werde dir deinen Kopf abhacken und auf Facebook stellen. Diese Hure S***** wird leiden.“
und solcherart Taten begangen, die ihm (wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen) als das Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster und fünfter Fall, Abs 2 Z 2 StGB (I./), das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 zweiter und neunter Fall StGB (II./) sowie die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster und fünfter Fall StGB (III./) zuzurechnen gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf „Anfrage bei Facebook Österreich“ „zwecks Herausgabe aller anmelderelevanten Daten betreffend die in der Anklageschrift angeführten Facebook‑Accounts, insbesondere von wem, wann und wo diese Profile angelegt wurden“ sowie auf „Einvernahme eines informierten Vertreters von Facebook Österreich“, jeweils zum Beweis dafür, dass „die inkriminierten Facebook-Profile nicht vom Angeklagten, sondern von einem Dritten eröffnet worden sind“ (ON 99 S 6), zu Recht der Abweisung. Das Erstgericht ging ohnedies davon aus, dem Angeklagten das Anlegen von Facebook-Profilen nicht nachweisen zu können (US 10; § 55 Abs 2 Z 3 StPO). Inwieweit die begehrte Beweisaufnahme das weitere, im Antrag behauptete Ergebnis erwarten lassen sollte, nämlich dass „die in Rede stehenden gefährlichen Drohungen und Erpressungen nicht vom Angeklagten stammen“ (ON 99 S 6), entbehrte das Vorbringen einer inhaltlichen Erklärung zur Voraussetzung, dass es (technisch) nicht möglich wäre, einen von fremder Seite angelegten Facebook-Account für eigene Nachrichten zu nutzen (§ 55 Abs 1 StPO; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330).
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider stützte das Erstgericht die Feststellung der Täterschaft des Betroffenen – mängelfrei – auf eine Gesamtwürdigung von Schriftbild (soweit handschriftlich verfasst), Inhalt und Diktion der inkriminierten Nachrichten, welche Familieninterna und Konflikte zwischen ihm und S***** K***** betrafen, solcherart ein Sonderwissen erforderten und darüber hinaus auch eine dem Betroffenen von dieser Zeugin eindeutig zugeordnete Wortwahl aufwiesen (US 10). Dass es dem Betroffenen in Haft nicht erlaubt war, über einen eigenen Computer oder ein Mobiltelefon zu verfügen, wurde dabei durchaus ins Kalkül gezogen, aber letztlich für nicht geeignet erachtet, seine Täterschaft auszuschließen, zumal ihm auch sonst illegale Außenkontakte zugeschrieben wurden (US 10). Indem die Beschwerde aus den vom Erstgericht gewürdigten Aspekten andere, für den Betroffenen günstigere Schlüsse einfordert (RIS-Justiz RS0099455), bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung. Inwiefern die (insgesamt als Schutzbehauptung verworfene – US 10) Einlassung des Betroffenen, über den Aufenthalt seiner Ex-Frau in Graz gar nicht informiert gewesen zu sein, der Übermittlung von Facebook-Nachrichten an sie oder ihre Schwester bzw der Versendung von Briefen an ihre Schwester erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte (Z 5 zweiter Fall), erschließt sich nicht. Das darauf bezogene Vorbringen unternimmt ebenfalls nur den Versuch, der vom Erstgericht abgelehnten (leugnenden) Verantwortung des Betroffenen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Zweifelsgrundsatz schließlich kann niemals Gegenstand einer Mängelrüge sein (RIS‑Justiz RS0102162).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt das zur Mängelrüge erstattete Vorbringen und vermag solcherart auch keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Annahme der Täterschaft des Betroffenen zu wecken. Der Einwand, das Gericht habe „unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es jedenfalls Kenntnis hatte bzw haben musste, nicht oder in wesentlichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft, dass dadurch die Überzeugungskraft der Grundlage für den Schuldspruch entscheidend berührt wurde“, lässt weder erkennen, wodurch der Beschwerdeführer an der Ausübung seines Rechts auf zweckdienliche Antragstellung gehindert gewesen (RIS-Justiz RS0115823) sein sollte, noch werden damit (aus Sicht des Nichtigkeitswerbers) erhebliche Bedenken auslösende Verfahrensresultate deutlich und bestimmt bezeichnet.
Inwiefern die Feststellungen, wonach der Betroffene (zu I./) in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) handelte, S***** K***** dahingehend in Furcht und Unruhe zu versetzen, dass sie um ihr Leben, das Leben ihrer Eltern und ihres Sohnes sowie eine Brandstiftung im Sinn eines ausgedehnten Schadensfeuers fürchten musste, sie solcherart zur Zahlung von Geldbeträgen zu nötigen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (US 9 und 11), wobei er auch mit dem Vorsatz agierte, sie längere Zeit hindurch fortgesetzt zu erpressen (US 9), eine rechtliche Beurteilung der Anlasstaten als schwere Erpressung (§§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster und fünfter Fall, Abs 2 Z 2 StGB) nicht tragen sollten, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht.
Auch das zu den Anlasstaten II./ und III./ erstattete Vorbringen (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb es ungeachtet der hier bejahten Vorsatzform der Absicht, S***** K***** und Danijel P***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, damit diese um ihr Leben fürchten mussten und S***** K***** zudem Angst um das Leben ihrer Eltern, ihres Sohnes und vor einer Brandstiftung bekommt, wobei der Betroffene zu II./ auch mit dem Vorsatz agierte, S***** K***** dadurch von einer neuerlichen Anzeigenerstattung gegen ihn abzubringen (US 9), noch weiterer Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Betroffenen bedurft hätte (vgl insofern RIS-Justiz RS0089297, RS0088886).
Soweit sich die Beschwerde (zu II./) gegen die Annahme einer – in der Ankündigung einer verleumderischen Anzeige wegen Auftragsmordes gelegenen – Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung (§ 106 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB) der S***** K***** (US 3 und 9) richtet, vermag sie – auch unter Hinweis auf das Zitat RZ 1992/83 (= 14 Os 138/91) – nicht darzustellen, weshalb es – in Anbetracht der zugleich bejahten (rechtlich gleichwertigen; vgl RIS-Justiz RS0092959) Begehungsform der Drohung mit einer Verstümmelung (§ 106 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB) – für die rechtsrichtige Beurteilung der Anlasstat als schwere Nötigung noch darauf ankommen sollte, ob vorliegend auch angekündigt wurde, Ansehen und Ruf, welche S***** K***** in ihrer sozialen Umgebung genießt, zu zerstören.
Bleibt unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO zu bemerken, dass grundsätzlich mit Strafe bedrohte Handlungen gegen fremdes Vermögen (wozu auch Erpressungen zählen) als Anlasstaten für eine Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB nur in Betracht kommen, wenn sie unter Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) begangen wurden (§ 21 Abs 3 StGB). Diese Voraussetzung ist bei den (nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster und fünfter Fall, Abs 2 Z 2 StGB beurteilten) Anlasstaten I./ nicht gegeben, weil weder Gewalt ausgeübt wurde noch die schriftlichen Ankündigungen einen sofortigen Vollzug des angedrohten Übels in Aussicht zu stellen vermochten (RIS-Justiz RS0094161). Es wurden allerdings vorliegend jeweils Todesdrohungen oder Drohungen mit Brandstiftungen (§ 107 Abs 1, Abs 2 StGB) getätigt, welche ihrerseits – ohne den hier nur hinzukommenden Bereicherungsvorsatz (vgl US 9) – bereits taugliche Anlasstaten nach § 21 Abs 1 StGB sind. Das Urteil begegnet insofern mangels nachteiliger Wirkung für den Betroffenen keinen rechtlichen Bedenken (vgl [ähnlich gelagert] 14 Os 8/14d; anders gelagert: 15 Os 87/15f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)