OGH 14Os8/14d

OGH14Os8/14d25.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Patrick W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 5. Dezember 2013, GZ 35 Hv 58/13d‑63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Patrick W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er in H***** und an anderen Orten unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht,

(A) am 28. April 2013 Jürgen K***** (I) sowie zwischen 9. und 10. Mai 2013 Sandro Ho***** (II) jeweils durch gefährliche Drohung mit einer Gefährdung durch Sprengmittel und teilweise mit dem Tod der Genannten und weiterer Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehren D***** und H***** zur Abschaltung des Funks zu nötigen versucht, indem er telefonisch ankündigte, widrigenfalls den Funkturm (I) oder die Freiwillige Feuerwehr H***** und deren Mitarbeiter (II) in die Luft zu sprengen;

(B) am 18. Mai 2013 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sandro Ho***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod sowie mit dem Tod der Mitarbeiter mehrerer Freiwilliger Feuerwehren und mit einer Gefährdung durch Sprengmittel zu einer Handlung, die ihn oder einen anderen am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht, indem er telefonisch sinngemäß die Zahlung von 200.000 Euro forderte, widrigenfalls er die Gebäude mehrerer im Urteil genannter Freiwilliger Feuerwehren sprengen und die darin aufhältigen Personen auf diese Weise töten werde,

und dadurch die Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A) und der Erpressung nach §§ 15 Abs 1, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (B) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht im Recht.

Eine erfolgversprechende Rüge der Abweisung oder Nichterledigung von Beweisanträgen setzt (unter anderem) voraus, dass die Anträge vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung deutlich und bestimmt mündlich vorgetragen worden sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 305, 311). Indem die Verfahrensrüge (Z 4) ausschließlich auf in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge rekurriert, die ‑ nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung ‑ bloß vom Vorsitzenden des Schöffengerichts „dargestellt“ wurden (ON 62 S 8), übersieht sie, dass eine solche Verlesung einer Antragstellung im Sinn des § 238 StPO nicht gleich zu halten ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 313).

Dass das Schöffengericht über die schriftlichen Anträge ein (abweisendes) Zwischenerkenntnis fasste, ändert am Mangel der Legitimation zur Verfahrensrüge nichts (RIS‑Justiz RS0099099).

Im Übrigen wäre die Beschwerde auch bei gesetzeskonfomer Antragstellung nicht berechtigt:

Das Begehren um Vernehmung des Verfassers des kriminalpolizeilichen Anlassberichts, Martin S*****, zur Klärung der Dauer des inkriminierten Telefonats vom 18. Mai 2013 (B; ON 57), blieb ohne Vorbringen zur nicht ohne weiteres erkennbaren Relevanz des Beweisthemas für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321, 327). Die hiezu im Rechtsmittel nachgetragene Begründung unterliegt dem sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.

Ebenso wenig bezog sich der weitere Antrag auf Vernehmung der Ingeborg W***** zum Beweis dafür, dass diese dem Betroffenen zu den Tatzeitpunkten „kein Mobiltelefon verborgt hat“ (ON 60), auf schuld- oder subsumtionserhebliche Tatsachen weil dieser Umstand selbst im Fall seiner Erweislichkeit dem festgestellten Tatgeschehen nicht entgegenstehen würde. Dass der Beschwerdeführer angab, über keinen Festnetzanschluss zu verfügen, und im Protokoll über die ‑ seinen eigenen Mobiltelefonanschluss betreffende ‑ Rufdatenrückerfassung zwischen 9. und 10. Mai 2013 (A/II) kein Anruf bei der Feuerwehr H***** aufscheint, ändert daran ‑ vom Erstgericht zutreffend erkannt ‑ nichts.

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge begegnet die Ableitung der Feststellungen zum Wortlaut und dem ‑ alleine subsumtionsrelevanten ‑ Bedeutungsinhalt der dem Betroffenen angelasteten Äußerung vom 28. April 2013 (A/I; US 2, 4 f, 8; im Sinn der Kundgebung eines Willensentschlusses, ein Übel für einen anderen herbeizuführen, das der Drohende unmittelbar selbst oder durch eine Mittelsperson zu verwirklichen vermag; vgl dazu (Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 23 ff) aus den für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugen Jürgen K***** und Sandro Ho***** (US 7 f) sowie jener zur subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen (US 9) unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken. Dass sich der erstgenannte Zeuge anlässlich seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht mehr mit Sicherheit daran erinnern konnte, ob der Betroffene wörtlich sagte, dass er den Funkturm sprengen werde oder dass dieser gesprengt werden soll (vgl aber dessen Aussage ON 33 S 35), steht nicht im Widerspruch zur kritisierten Urteilsannahme und bedurfte daher keiner gesonderten Erörterung im Sinn der Z 5 zweiter Fall. Gleiches gilt für die von der Beschwerde hervorgehobene ‑ isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte und sinnentstellt interpretierte ‑ Passage aus den Erläuterungen des psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung, die Verantwortung des Betroffenen, er habe lediglich Warnungen aussprechen wollen, stimme mit seinem Krankheitsbild überein und passe gut zu seinem Wahn (ON 62 S 7).

Mit dem weiteren Einwand fehlender Begründung der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer der Anrufer war, der Sandro Ho***** zwischen 9. und 10. Mai (A/II) und am 18. Mai 2013 (B) durch gefährliche Drohung mit einer Gefährdung durch Sprengmittel und dem Tode zu nötigen und zu erpressen versuchte (Z 5 vierter Fall), geht die Mängelrüge prozessordnungswidrig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504) nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus. Diesen ist dem Beschwerdestandpunkt zuwider hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die Tatrichter insoweit auf die Aussage des Zeugen Jürgen K***** (der in der Hauptverhandlung die Stimme des Betroffenen eindeutig wieder erkannte; ON 62 S 3) sowie die Verantwortung des Betroffenen selbst stützten, der nicht die Anrufe an sich oder die Forderung nach Abschaltung des Funkturms, sondern bloß die damit verbundene Äußerung von Drohungen bestritten hatte (US 3 iVm US 7 f). Diese Erwägungen verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen grundlegende Erfahrungssätze (RIS‑Justiz RS0118317, RS0116882).

Indem der Beschwerdeführer aus einzelnen Verfahrensergebnissen andere für ihn günstigere Schlüsse zieht als jene des Erstgerichts und spekulative Überlegungen dazu anstellt, dass eine andere Person Urheber der Anrufe war, bekämpft er bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

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