OGH 9ObA33/18w

OGH9ObA33/18w21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Kerle, Dr. Stefan Aigner ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 6.674,31 EUR brutto sA, 2.970 EUR netto und Feststellung (Interesse: 4.360 EUR), infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 28. Februar 2018, K I 5/2017‑12, über den verneinenden Kompetenzkonflikt zwischen dem Obersten Gerichtshof (Beschluss vom 24. Juni 2016, 9 ObA 52/16m), und dem Verfassungsgerichtshof (Beschluss vom 27. September 2017, A 9/2017), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Februar 2016, GZ 15 Ra 62/15b, 15 Ra 63/15z‑20 idF des Berichtigungsbeschlusses ON 22, mit dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 16. Juli 2015, GZ 48 Cga 120/14h‑12, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00033.18W.0321.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird keine Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekurses der Beklagten ist die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs für das Begehren des Klägers als mit Bescheid der Beklagten vom 19. 12. 2012 bis zur Versetzung in den Ruhestand karenzierter Beamter,

1. die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 6.674,31 EUR brutto sA und 2.970 EUR netto zu verpflichten,

2. festzustellen, dass sie ihm für sämtliche Schäden und Nachteile aus der Untersagung einer Nebentätigkeit bei Postpartnern im Rahmen von Vertretungsdiensten, insbesondere bei Urlaubsvertretung oder krankheitsbedingter Vertretung von Postpartnern und deren Mitarbeitern, hafte,

3. festzustellen, dass sie nicht berechtigt sei, in Hinkunft Abzüge von der dem Kläger auf Grundlage des sogenannten Übergangsmodells gemäß Sozialplan‑BV 11–12 geschuldeten Überbrückungsleistung vorzunehmen, die darauf beruhten, dass er eine Nebentätigkeit als Vertreter bei Postpartnern entfalte; in eventu, die darauf beruhten, dass er auf diesem Ansinnen beharre, jedoch die gegenteilige Weisung der Beklagten, solange sie nicht aufgehoben bzw erfolgreich bekämpft werden, befolge.

Zum Vorbringen der Streitteile, der Entscheidungen der Vorinstanzen und zum Verfahrensgang wird auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 24. Juni 2016, 9 ObA 52/16m, verwiesen, mit dem die Zulässigkeit des Rechtswegs verneint und der klagszurückweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wurde.

Gestützt auf Art 137 B‑VG, begehrte der Kläger beim Verfassungsgerichtshof, den Bund zur Zahlung der ungerechtfertigt von seiner Überbrückungsleistung abgezogenen Beträge (9.389,20 EUR sA) an ihn zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 27. September 2017, A 9/2017, wies der Verfassungsgerichtshof die Klage als unzulässig zurück. Beim Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus Pkt X. und XI. der Betriebsvereinbarung handle es sich um eine bürgerliche Rechtssache iSd § 1 JN.

Der Kläger beantragte sodann beim Verfassungsgerichtshof die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes, den dieser mit Beschluss vom 28. 2. 2018, K I 5/2017‑12, im Sinne der Zulässigkeit des Rechtswegs entschied. Der entgegenstehende Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 24. Juni 2016, 9 ObA 52/16m, wurde aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluss des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist daher zulässig , jedoch nicht berechtigt .

Zur Begründung wird auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 28. Februar 2018, K I 5/2017, und den bezughabenden Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 27. September 2017, A 9/2017, verwiesen. Darin wurde ausgeführt:

„Entgegen der Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist über den geltend gemachten Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung nicht im Verwaltungsweg abzusprechen, weil der Anspruch nicht auf der öffentlich-rechtlichen Stellung des Beamten zu seinem Dienstgeber beruht und der Kläger keine Ansprüche nach dem BDG 1979 oder GehG 1956 geltend macht. Vielmehr leitet sich der Anspruch des Klägers auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 ab.

[…] Auch in der Judikatur haben sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass durch § 1 PBVG der Anwendungsbereich für die kollektive Rechtsgestaltung durch Betriebsvereinbarung nicht auf privatrechtliche Verträge eingeschränkt werde, sondern auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse erfasse. Entsprechend § 72 Abs 1 PBVG iVm §§ 97 und 109 ArbVG können auch Beamte, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, von Regelungen durch Betriebsvereinbarungen (bzw. Sozialpläne) erfasst sein (vgl. OGH 29. 3. 2004, 8 ObA 77/03m; 27. 2. 2012, 9 ObA 4/12x; VwSlg. 16.891 A/2006; VwGH 20. 12. 2006, 2006/12/0183).

Der Arbeitnehmerbegriff des PBVG umfasst daher öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Auf Grund der besonderen Konstruktion des PBVG ergibt sich aus dem bloßen Umstand des Vorliegens einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach dem PBVG nicht schon die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges. Vielmehr kommt es in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH 11. 5. 2010, 9 ObA 137/09a, sowie die vorliegende Rechtssache betreffend OGH 24. 6. 2016, 9 ObA 52/16m) auf das Wesen des erhobenen Anspruches an.

[…] Konkret leitet der Kläger als Beamter seinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Überbrückungsleistung aus Punkt X. iVm Punkt XI. der Betriebsvereinbarung ab. Rechtstechnisch erfolgt die Inanspruchnahme des Überbrückungsmodells bei Beamten durch eine Karenzierung gemäß § 75 BDG 1979, wobei für Beamte, die nach dem PTSG dienstzugewiesen sind, in § 230b BDG 1979 Sonderbestimmungen für die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte vorgesehen sind. Während der Zeit eines Karenzurlaubes (wie auch bei sonstigen Urlauben sowie bei Dienstbefreiungen) ruhen jene Dienstpflichten, die unmittelbar mit der Besorgung von 'dienstlichen Aufgaben' in Zusammenhang stehen (wie zB die sich aus §§ 43 Abs 1 und Abs 3 BDG 1979 und den §§ 48 bis 51 BDG 1979 ergebenden Dienstpflichten; vgl. VwGH 15. 2. 2013, 2013/09/0001 mwN). In der Zeit einer Karenzierung entfallen die Bezüge gemäß § 75 BDG 1979. Im vorliegenden Fall hat sich der ausgegliederte Rechtsträger, die Österreichische Post AG, zur Bezahlung der im Sozialplan zugesagten Leistung während der Karenzierung verpflichtet (vgl. dazu Zankel, aaO, 216). Die dem Kläger gekürzte Überbrückungsleistung hat daher ihre ausschließliche Grundlage im Sozialplan der Betriebsvereinbarung.

[…] Da die Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 – wie bereits der Präambel zu entnehmen ist – sowohl auf privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse anwendbar ist – wird in Punkt XI. iVm Punkt X. der Betriebsvereinbarung lediglich an das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis angeknüpft. Bei der Überbrückungsleistung selbst handelt es sich aber um eine auf Grund einer im Privatrecht wurzelnden Verpflichtung erbrachten Leistung aus einer zwischen der Österreichischen Post AG und dem Zentralausschuss der Bediensteten der Österreichischen Post AG abgeschlossenen Vereinbarung gemäß § 72 PBVG iVm §§ 97 Abs 1 Z 4 und 109 ArbVG.

[…] Gemäß §§ 50 Abs 2 ASGG sind Arbeitsrechtssachen auch Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II., V., VI., VII. oder VIII. Teil des ArbVG (betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten), oder aus gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften ergeben. Die Bestimmungen des PBVG werden als solche gleichartige Regelungen angesehen (vgl. Neumayr in: Neumayr/Reissner [Hrsg.], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht2, 2011, § 50 ASGG Rz 26). Auch § 51 Abs 1 ASGG definiert als Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des Bundesgesetzes 'alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind'. Die Erwähnung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses steht im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche von und gegen öffentlich-rechtliche Bedienstete (vgl. Neumayr, aaO, § 51 ASGG Rz 4). In der Entscheidung vom 29. März 2004, 8 ObA 77/03m, hat der Oberste Gerichtshof selbst die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Klärung der Frage, ob und in welcher Höhe dem Beamten auf Grund einer im Rahmen einer solchen Betriebsvereinbarung geschlossenen Vereinbarung ein Zahlungsanspruch zusteht, in Anspruch genommen (vgl. auch VwSlg. 16.891 A/2006; VwGH 20. 12. 2006, 2006/12/0183; 5. 9. 2008, 2005/12/0068).

[…] Wenngleich eingewendet werden könnte, dass der Kläger seinen Antrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes unter Entfall der Bezüge nicht gestellt hätte, wenn ihm von der Österreichischen Post AG kein Ausgleich seines Gehaltes zugesichert worden wäre, ist die Bezahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung durch den ausgegliederten Rechtsträger von seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund getrennt zu betrachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses darin gelegen, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften (Gesetz, Verordnung) geltend gemacht werden können. Einen derartigen bezugsrechtlichen Anspruch nach dem BDG 1979 oder GehG 1956 oder einer sonstigen gesetzlichen Vorschrift auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Vielmehr beantragte der Kläger den Entfall seiner Bezüge für die Dauer des Karenzurlaubes unter gleichzeitiger Ruhestellung seiner Dienstpflichten, die unmittelbar mit der Besorgung von dienstlichen Aufgaben in Zusammenhang stehen. Auch Betriebsvereinbarungen nach dem PBVG sind nicht geeignet, öffentlich-rechtliche Ansprüche gegenüber dem Bund wirksam zu gestalten (vgl. VwGH 5. 9. 2008, 2005/12/0068 mwN); sie sind vielmehr privatrechtlicher Natur.

[…] Es handelt sich bei dem Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus Punkt X. und XI. der Betriebsvereinbarung um 'bürgerliche Rechtssachen' iSd § 1 JN; öffentlich-rechtliche Ansprüche, die vor dem Verfassungsgerichtshof zu entscheiden wären, können daraus nicht abgeleitet werden (VfSlg 3528/1959, 5608/1967). Daran ändert auch nichts, dass der Oberste Gerichtshof die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges bereits zurückgewiesen hat (vgl. die Möglichkeit der Antragstellung zur Lösung eines Kompetenzkonfliktes gemäß Art 138 Abs 1 Z 2 VG).“

Dem Rekurs der Beklagten war danach keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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