European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00018.18I.0227.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Der Beklagte ist Vertragsbediensteter der Erstklägerin und wurde der Zweitklägerin von Gesetzes wegen zur Dienstleistung zugewiesen. Bei dieser ist er als Straßenbahnfahrer tätig und Mitglied ihres Betriebsrats.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerinnen, zur Entlassung, in eventu zur Kündigung des Beklagten iSd § 122 Abs 1 Z 2 und Z 5 bzw § 121 Z 3 ArbVG die gerichtliche Zustimmung zu erteilen, ab. In ihrer außerordentlichen Revision zeigen sie keine entscheidungsrelevante erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Klägerinnen vermissen Rechtsprechung zur Frage, ob eine Beleidigung gegen Vertretungsorgane der Erstklägerin durch Bedienstete, die mittels Zuweisungsgesetz der Zweitklägerin zugewiesen sind, eine Ehrverletzung gegen den Betriebsinhaber iSd § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG darstellt.
Der Tatbestand des § 122 Abs 2 Z 5 ArbVG erfordert für die Zustimmung zur Entlassung eines Betriebsratsmitglieds, dass sich das Betriebsratsmitglied Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Betriebsinhaber (ua) zuschulden kommen lässt, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist. Mit dem zuletzt wiedergegebenen Halbsatz wird ein zusätzliches Tatbestandserfordernis gegenüber den allgemeinen einschlägigen Entlassungstatbeständen des § 27 Abs 6 AngG und des § 82 lit g GewO (erhebliche Ehrverletzung) geschaffen. Entscheidend ist, inwieweit durch die Ehrverletzung die betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied beeinträchtigt wird (8 ObA 76/13d mwN). Eine sinnvolle Zusammenarbeit setzt voraus, dass beide Teile ungeachtet der Ehrverletzung weiterhin in der Lage sind, den von ihnen im gemeinsamen Zusammenwirken zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben gerecht zu werden ( Wolliger in ZellKomm 2 ArbVG § 122 Rz 73).
Zu diesem Punkt vermisste das Berufungsgericht ein Vorbringen der Klägerinnen dazu, aus welchen Gründen eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und dem Betriebsinhaber im Hinblick auf die behaupteten Ehrverletzungen nicht mehr zur erwarten sei und verneinte auch deshalb eine Verwirklichung des Tatbestands § 122 Abs 2 Z 5 ArbVG. Dazu bringen die Klägerinnen in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision (Pkt 2. der Revision) nichts vor. Mit der im Rahmen der Ausführung der Revisionsgründe angestellten Überlegung, die Beleidigungen seien als Entlassungsgrund angeführt worden, „was deutlich macht, dass die Klägerinnen jedenfalls davon ausgehen, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist“ (Pkt 3.2.4. der Revision), wird weder die Erwägung des Berufungsgerichts, dass keine Gründe dafür vorgebracht worden seien, widerlegt noch sonst eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Auf die Frage der Definition des „Betriebsinhabers“ und die Beurteilung einzelner Ehrverletzungen iSd § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG ist danach nicht weiter einzugehen, sind sie doch für die Verwirklichung dieses Entlassungstatbestands vom Ausschluss einer weiteren sinnvollen Zusammenarbeit abhängig.
2. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass das Berufungsgericht § 500a ZPO unrichtig angewandt habe, weil sich seine Begründung nicht mit jener des Erstgerichts decke. Ob den Anforderungen des § 500a ZPO entsprochen wurde, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Obersten Gerichtshof nur bei einer grob fehlerhaften Anwendung der dem Berufungsgericht eingeräumten Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0123827). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat in seinen über den Verweis auf § 500a ZPO hinausgehenden Ausführungen Gründe ergänzt, warum es – übereinstimmend mit dem Erstgericht – die jeweiligen Entlassungsgründe als nicht gegeben ansah. Eine gegenüber dem Ersturteil „grundlegend andere“ Beurteilung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Die Argumentation des Berufungsgerichts auf den Seiten 4 und 12 des Berufungsurteils ist auch wesentlich enger gehalten als in der Revision (Pkt 2.3.1.) dargestellt. Eine Verkennung der Anwendbarkeit des § 500a ZPO wird damit nicht begründet.
3. Der weitere hier geltend gemachte Entlassungstatbestand des § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG setzt eine mit Vorsatz begangene, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte oder mit Bereicherungsvorsatz begangene gerichtlich strafbare Handlung voraus, sofern die Verfolgung von Amts wegen oder auf Antrag des Betriebsinhabers zu erfolgen hat. Die Staatsanwaltschaft Wien, der die Äußerungen des Beklagten zur Prüfung ihres strafrechtlichen Gehalts angezeigt wurden, stellte das Verfahren gegen den Beklagten mangels Strafbarkeit der Äußerungen ein (ON 7). Die Vorinstanzen gelangten ihrerseits zur rechtlichen Beurteilung, dass der Beklagte keine gerichtlich strafbare Handlung von der in § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG verlangten Qualifikation zu verantworten habe. Die Klägerinnen sind anderer Rechtsauffassung, ohne allerdings zur Begründung der Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision darzulegen, welche Straftatbestandsmerkmale hier in grober Verkennung der Rechtslage falsch beurteilt worden wären, aufgrund derer sonst die Verwirklichung einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieser Bestimmung zu bejahen gewesen wäre.
4. So verwerflich die feindseligen Äußerungen des Beklagten auch sind, zeigen die Klägerinnen damit insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, die hier einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Ihre außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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