OGH 8ObA76/13d

OGH8ObA76/13d28.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Angelika Neuhauser und Mag. Dr. Rolf Gleißner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei v*****, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. Oktober 2013, GZ 12 Ra 51/13a‑34, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 18. April 2013, GZ 9 Cga 48/11w‑29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

1. Das Klagebegehren, der Entlassung der beklagten Partei durch die klagende Partei werde die gerichtliche Zustimmung erteilt, wird abgewiesen.

2. Der Kündigung der beklagten Partei durch die klagende Partei wird die Zustimmung erteilt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 1974 bei der Klägerin als Metallarbeiter beschäftigte Beklagte ist seit November 1986 Mitglied des Arbeiterbetriebsrats, ab 2000 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender sowie ab April 2008 (vgl 12 Ra 33/11) bis 22. 12. 2009 Betriebsratsvorsitzender.

Im März 2010 brachte die Klägerin erstmals eine Klage auf Zustimmung zur Entlassung des seither dienstfreigestellten Beklagten ein. Diese Klage, die primär auf sein Verhalten und seine Äußerungen gegenüber einer Betriebsratssekretärin gestützt wurde („Dich zwinge ich auch noch in die Knie“; sie solle sich „schleichn/putzn“), wurde abgewiesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin wurde vom Obersten Gerichtshof mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Verhalten und die Äußerungen des Beklagten im Gesamtzusammenhang zu sehen seien. Das Verhalten des Beklagten sei von der Sekretärin insofern provoziert worden, als diese ihn in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender nicht als Chef akzeptiert habe, illoyal gewesen sei und Gesprächsversuche abgeblockt habe, während der Beklagte gesprächsbereit gewesen sei (9 ObA 121/11a).

Anfang des Jahres 2011 kam es zu Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans. Das Verhandlungsteam bestand aus zwei Vertretern der Klägerin, dem Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden und dem Arbeiter-betriebsratsvorsitzen. In einer Verhandlungsversion der Betriebsvereinbarung von Anfang März 2011 wurde im Zusammenhang mit der Bemessung des dem Sozialplan zugrunde zu legenden Monatsbruttolohns nicht klar festgehalten, ob ein als „Kompetenzlevel“ bezeichneter Lohnbestandteil erfasst sein soll. Der Beklagte, der nicht Mitglied des Verhandlungsteams war, sah den Entwurf des Sozialplans und holte darüber Informationen beim Betriebsratsvorsitzenden und beim Leiter der Personalabteilung ein. Dabei erfuhr er, dass dieser Lohnbestandteil nicht Teil der Berechnungsgrundlage sein sollte. Daraufhin wandte er sich an eine Gewerkschaftssekretärin, um ihre Meinung zu hören, ob dieser Lohnbestandteil als „Zulage“ nicht erfasst sein sollte. Diese vertrat die Meinung, dass dies nicht klar sei, dass aber die Nichterfassung eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeiter und Angestellten bewirken würde. Daraufhin schrieb der Beklagte am 22. 3. 2011 E‑Mails an den Generaldirektor der Klägerin sowie an den Konzernbetriebsratsvorsitzenden, in denen er sich für die Einbeziehung dieses Lohnbestandteils einsetzte. Dabei wies der Beklagte auch darauf hin, dass er es als äußerst ungerecht empfinde, dass ein ehemaliger Konzernbetriebsratsvorsitzender 2009 für den Kauf seines Dienstwagens eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 18.000 EUR erhalten habe, nun aber bei den betroffenen Mitarbeitern dieser Lohnbestandteil nicht in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden solle. Diesen E‑Mails fügte der Beklagte einen Auszug aus dem Lohnkonto des früheren Arbeiter‑ und Konzernbetriebsratsvorsitzenden an, aus dem sich die Zusatzzahlung ergab. Der Beklagte sah in diesem Auszug aus dem Lohnkonto ein Druckmittel. Es ging ihm dabei nicht darum, im Unternehmen der Klägerin Unruhe zu stiften oder dessen Ansehen zu schaden. Eine entsprechende Mail samt dem genannten Auszug aus dem Lohnkonto sendete der Beklagte auch noch an den Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden.

Der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrats ist befugt, in die Lohnkonten der Arbeiter, nicht jedoch in jene der Angestellten Einsicht zu nehmen.

In früheren Jahren war der Beklagte auch einmal Mitglied der Datenschutzkommission der Klägerin gewesen.

Nachdem Anfang April 2011 über Veranlassung einer Fraktion der Betriebsrat aufgelöst worden war, wurde der Beklagte von Mitarbeitern der Feuerverzinkungsanlage ersucht, sie über ein geplantes neues Arbeitszeitmodell zu informieren. Am 26. 4. 2011 kam der Beklagte in die Feuerverzinkungsanlage, wobei er mit Helm, Arbeitsmantel und Sicherheitsschuhen bekleidet war. Er meldete sich beim Meister der Abteilung an, unterzog sich aber keiner Sicherheitsunterweisung. Zu dieser Zeit begannen andere Betriebsratsmitglieder der Fraktion, die die Auflösung des Betriebsrats veranlasst hatten, mit der Abstimmung über das neue Arbeitszeitmodell. Sie forderten den Beklagten auf, die Anlage zu verlassen, da er sich keiner Sicherheitsunterweisung unterzogen habe. Nachdem sich der Beklagte weigerte, informierten die Betriebsratsmitglieder die Hauptwache, worauf der Beklagte vom Werkschutz angewiesen wurde, sich einer Sicherheitsunterweisung zu unterziehen, was er jedoch ablehnte und den Bereich verließ. Schon im Vorfeld hatten sich Mitglieder der genannten Fraktion dagegen ausgesprochen, dass andere Betriebsratsmitglieder den Bereich betreten dürfen.

Grundsätzlich müssen im Betrieb der Beklagten nach den Sicherheitsinstruktionen betriebsfremde Personen im betroffenen Bereich aus Sicherheitsgründen an‑ und abgemeldet werden. Dies ist auch schriftlich zu dokumentieren. Ohne persönliche Schutzausrüstung und ohne notwendige Sicherheitsunterweisung dürfen sie die Anlage nicht betreten. In weiterer Folge wurde die Anordnung jedoch dahin geändert, dass sich Betriebsräte dann, wenn sie eine entsprechende Schutzkleidung tragen und sich auf dem Sicherheitsweg befinden, nicht mehr anmelden müssen, außer sie begeben sich in den Sicherheitsgefährdungsbereich.

Am darauffolgenden Tag, dem 27. April, sendete der Beklagte eine E‑Mail an den Generaldirektor der Klägerin und an etwa 25 bis 30 führungsverantwortliche Mitarbeiter der Klägerin und sprach sich dagegen aus, dass er sich anmelden und einer Sicherheitsbelehrung unterziehen müsse. Nach 37 Jahren als Mitarbeiter der Klägerin wisse er, wie er sich verhalten müsse; er sei aber bereit eine einmalige Sicherheitsbelehrung für den gesamten Bereich zu machen und zuzusichern, dass er sich nur in den Steuerständen und auf den Wegen zu diesen aufhalte. Im Hinblick auf seine Tätigkeit als Betriebsrat müsse er sich aber keiner Extra‑Sicherheitsschulung unterziehen. Das Verhalten der Betriebsräte ihm gegenüber verglich er mit „Stasi-Methoden“.

Am 25. 3. 2011 brachte die Klägerin die vorliegende Klage auf Zustimmung zur Entlassung, in eventu zur Kündigung, ein.

Bereits am darauffolgenden Tag erschien in einer Zeitung ein Artikel über die neue Klage der Klägerin. Etwa zwei Wochen später wurde auf der Homepage einer politischen Partei die allfällige Bereicherung des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden mit Abfertigungszahlungen in den Raum gestellt. Wenngleich der Beklagte punktuell mit einer der betroffenen politischen Partei nahestehenden Betriebsratsliste zusammenarbeitet, hatte er weder dieser Partei noch der genannten Zeitung Informationen über die Vorkommnisse zukommen lassen, sondern nur in Betriebsratssitzungen darüber diskutiert. Abgemahnt oder verwarnt wurde der Beklagte nicht.

Ihre Klage auf Zustimmung zur Entlassung des Klägers stützt die Klägerin darauf, dass der Beklagte durch die Versendung der E‑Mails am 22. 3. (Kontodaten des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden) das Datengeheimnis gemäß § 15 DSG verletzt habe. Die unberechtigten Vorwürfe des Beklagten schadeten dem Ansehen des Unternehmens und stifteten in der Belegschaft Unruhe. Außerdem habe der Beklagte Schutzvorschriften unterlaufen und unzumutbare Unterstellungen geäußert. Die negativen Zeitungsberichte seien auch auf den Beklagten zurückzuführen. Es liege eine Verletzung der Betriebs‑ und Geschäftsgeheimnisse und eine beharrliche Pflichtverletzung vor. Die Weiterbeschäftigung des Beklagten sei der Klägerin nicht mehr zumutbar.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass er seine E‑Mails in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied versendet habe. Es sei um die Durchsetzung vertretungspolitischer Anliegen gegangen. Auch sei er nie abgemahnt worden.

Das Erstgericht wies das Klagehaupt- und das Eventualbegehren ab. Der Klägerin sei der Nachweis, dass der Beklagte Informationen an Medien und politische Fraktionen weitergegeben habe, nicht gelungen. Die Weitergabe der Daten aus dem Lohnkonto sei nur an Personen erfolgt, die davon Kenntnis oder Zugang zu ihnen gehabt hätten. Die Äußerungen in den E‑Mails seien nicht als erhebliche Ehrverletzungen, sondern als Äußerungen des Betriebsrats im Interesse der Arbeitnehmer zu verstehen. Es liege daher weder der Entlassungsgrund der Verletzung von Betriebs‑ und Geschäftsgeheimnissen noch jener der Untreue oder jener der Ehrverletzung vor. Das Hauptbegehren sei daher nicht berechtigt. Auch das Eventualbegehren sei abzuweisen: Der Kündigungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung sei nicht verwirklicht, weil die behauptete Weitergabe von Informationen an die Medien nicht festgestellt worden sei, die dem Beklagten angelasteten Äußerungen nicht ehrverletzend seien und auch keine unbefugte Weitergabe von Daten festgestellt habe werden können. Vor allem sei der Beklagte nie abgemahnt oder verwarnt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass es der Entlassung des Beklagten die Zustimmung erteilte. Es ging ebenfalls davon aus, dass dem Beklagten Untreue im Dienst im Sinne des § 122 Abs 1 Z 3 ArbVG nicht anzulasten sei. Die Übermittlung der E‑Mail vom 22. 3. 2011 mit dem Auszug aus dem Lohnkonto an den Generaldirektor der Klägerin könne keinem Entlassungstatbestand unterstellt werden, sondern sei in Ausübung des Mandats erfolgt, um legitime Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen. Zwar stelle die Weiterleitung des Lohnkontos an den Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden eine Datenschutz-verletzung dar; es handle sich aber nur um eine Ordnungswidrigkeit, die den Entlassungstatbestand der Untreue nicht verwirkliche. Auch Geheimnisverrat liege nicht vor, da die Weitergabe der Gehaltsdaten einzelner Arbeitnehmer noch keinen Einfluss auf die geschäftliche Position des Arbeitgebers im wirtschaftlichen Wettbewerb habe.

Im Ergebnis sei jedoch der Entlassungstatbestand der erheblichen Ehrverletzung nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG verwirklicht. Der Beklagte habe mit seiner E‑Mail vom 27. 4. 2011 gegen den Generaldirektor der Klägerin und gegen andere führungsverantwortliche Mitarbeiter, somit also gegen die Spitze eines börsennotierten internationalen Konzerns, den Vorwurf von Stasi-Methoden erhoben, mit denen seine Betriebsratstätigkeit behindert werde. Der Begriff „Stasi“ sei ein Synonym für Bespitzelung und totalitäre, menschenrechtswidrige und repressive Methoden. Dadurch, dass der Beklagte die Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen in seinem Fall gegenüber der Führungsriege des Unternehmens mit diesem herabwürdigenden Ausdruck bezeichnete, habe er die Reputation des Unternehmens und der angesprochenen Personen massiv beschädigt. Eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit mit dem Beklagten sei angesichts der Schwere der Ehrverletzung nicht mehr zu erwarten.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, weil keine in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage zu klären sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und teilweise auch berechtigt. Der Beklagte zeigt zutreffend auf, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, inwieweit die ihm angelasteten ehrverletzenden Äußerungen überhaupt gegen den Arbeitgeber gerichtet waren, der die Klage eingebracht hat und hinsichtlich dessen das Berufungsgericht von der auch subjektiven Verwirklichung der Ehrverletzung ausgegangen ist.

I. Nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG kann das Gericht die Zustimmung zur Entlassung unter anderem dann erteilen, wenn sich das Betriebsratsmitglied einer erheblichen Ehrverletzung gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Betriebs zuschulden kommen lässt, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist.

I.1. In der Lehre wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass mit dem zuletzt wiedergegebenen Halbsatz ein zusätzliches Tatbestandserfordernis gegenüber den allgemeinen einschlägigen Entlassungstatbeständen des § 27 Z 6 AngG und des § 82 lit g GewO (erhebliche Ehrverletzung) geschaffen wird (vgl etwa Trost in Strasser/Jarbornegg/Resch ArbVG § 122 Rz 59; Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller ArbVG 34 § 122 Anm 7, 806; Winkler in Tomandl, ArbVG § 122 Rz 30). Entscheidend ist also, inwieweit durch die Ehrverletzung die betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied beeinträchtigt wird (Winkler aaO; Schneller aaO, 8; Trost aaO).

I.2. Die inkriminierte Passage der dem Beklagten angelasteten E‑Mail lautet wie folgt:

BR B***** und sein dienstfreigestellter BR Stellvertreter L***** forderten mich auf die Anlage zu verlassen weil ich mich nicht angemeldet habe und keine Sicherheitsbelehrung bekommen habe. Ich habe den Steuerstand nicht verlassen, und daraufhin haben sie den Werkschutz aufgefordert (Stasimethoden ‑ in der DDR hat die Volkspolizei im Werk Eisenhüttenstatt Kontrollgänge gemacht, habe ich selbst erlebt bei einer Dienstreise anlässlich meiner Diensterfindung 1985). Ich habe dann nach Anweisung des Werkschutzes den Einlaufsteuerstand verlassen. Der Werkschutz hat festgestellt, das ich richtig gekleidet war: Helm, Arbeitsmantel, Sicherheitsschuhe .“

I.3. Diese Passage der E‑Mail richtet sich gegen das Verhalten der Betriebsratsmitglieder einer Betriebsratsfraktion und erhebt gegen diese den Vorwurf von „Stasimethoden“, weil sie den Werkschutz angefordert haben. Die allgemeinen Sicherheitsvorkehrungen werden zwar vom Beklagten ebenfalls in Zweifel gezogen; insoweit wird aber der Vorwurf der „Stasi‑Methoden“ nicht erhoben.

Diese Zielrichtung der Ehrverletzung, die nicht gegen den Arbeitgeber, sondern die Betriebsratskollegen gerichtet war, unterscheidet den vorliegenden Fall von Fällen, in denen das Betriebsratsmitglied direkt den Arbeitgeber und dessen Arbeitsmethoden in einer die Arbeitsdisziplin untergrabenden Weise angegriffen hat. So richtete sich die der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 45/99x zugrunde liegende Äußerung, mit der die Angehörigen der Geschäftsführung wegen ihrer Versuche, die Arbeitszeit auszuweiten, mit Adolf Hitler in Zusammenhang gebracht wurden, eindeutig gegen den Arbeitgeber. Sie war daher geeignet, eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied zu beeinträchtigen. Davon kann aber hier nicht ausgegangen werden. Vielmehr handelt es sich hier im Kern um Angriffe des Beklagten gegen die Betriebsratsmitglieder der anderen Fraktion.

I.4. Nun ist der Arbeitgeber nicht nur berechtigt, sich und seine Angehörigen oder die leitenden Angestellten und Organwalter vor groben Ehrenbeleidigungen zu schützen. Er ist auch verpflichtet, insoweit für ein angemessenes Verhalten zwischen den Arbeitnehmern Sorge zu tragen (zur Problematik der Einschränkung des Entlassungstatbestands etwa Trost aaO Rz 62 ff). Dem kann aber auch durch die Möglichkeit, das pflichtwidrige Vorgehen des Betriebsratsmitglieds als beharrliche Pflichtverletzung im Sinne eines Kündigungsgrundes nach § 121 Z 3 ArbVG zu prüfen (RIS‑Justiz RS0051320; vgl dazu später), Rechnung getragen werden. Im Übrigen hat die Klägerin gar nicht vorgebracht, dass die die beiden anderen Betriebsratsmitglieder betreffenden Äußerungen diesen gegenüber ehrverletzend gewirkt hätten (vgl dazu RIS‑Justiz RS0029845) und die betriebliche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat beeinträchtigen würden.

I.5. Dass die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Entlassungsgründe nicht vorliegen, haben bereits die Vorinstanzen eingehend begründet. Auf deren Ausführungen dazu kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Begehren auf Zustimmung zur Entlassung des Beklagten ist daher abzuweisen.

II. Damit bleibt zu prüfen, ob im Sinne des Eventualbegehrens ausreichende Gründe für die Kündigung des Beklagten vorliegen. In Betracht kommt hier der Kündigungsgrund des § 121 Z 3 ArbVG, nach dem das Betriebsratsmitglied gekündigt werden kann, wenn es die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann.

II.1. Die Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB; § 18 AngG) verpflichtet den Arbeitgeber auch dazu, die notwendigen Maßnahmen gegen das Betriebsklima gröblich beeinträchtigende Mitarbeiter zu ergreifen, wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere Arbeitnehmer nahezu unzumutbar werden (Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 18 Rz 51 f; 9 ObA 131/11x ua). Wenn dem Arbeitgeber Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen (9 ObA 230/02t; RIS‑Justiz RS0029841; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 330 f; Krejci in Rummel, ABGB³ § 1157 Rz 31; Schrammel in Klang³ § 1157 Rz 28 ua). Daraus ergibt sich auch, dass ein gegen diese Abhilfemaßnahmen verstoßendes Verhalten des andere Arbeitnehmer beeinträchtigenden Arbeitnehmers als Verletzung von Dienstpflichten anzusehen ist, die bewirken kann, dass die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin dem Arbeitgeber ‑ auch wegen dessen Haftungsrisikos ‑ nicht mehr zugemutet werden kann.

II.2. Davon ist aber hier auszugehen.

Bereits im Vorverfahren hat der Arbeitgeber die Zustimmung zur Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers wegen dessen rüden Verhaltens gegenüber seiner Sekretärin begehrt. Der klagende Arbeitgeber hat damit in schärfster Form die Ablehnung des Verhaltens des Klägers gegenüber anderen Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Vorverfahren eine derart gravierende Reaktion des Arbeitgebers auf das Verhalten des Beklagten im Hinblick auf eine gewisse Provokation und die Auseinandersetzungen innerhalb des Betriebsrats noch nicht für angemessen und erforderlich erachtet. Es wurde darauf verwiesen, dass eine Verwarnung nicht von vornherein aussichtslos gewesen und damit verzichtbar gewesen wäre. Dies ändert aber nichts daran, dass der Arbeitgeber mit der Zustimmungsklage deutlich auf die Unzulässigkeit des Verhaltens des Beklagten hingewiesen hat und dies einer Verwarnung gleichzuhalten ist.

Trotzdem hat der Beklagte nunmehr mit dem im hier vorliegenden Verfahren geltend gemachten Verhalten im März und April 2011 neuerlich die Interessen anderer (ehemaliger) Arbeitnehmer, insbesondere die Interessen von Betriebsratsmitgliedern anderer Fraktionen, schwer beeinträchtigt.

So hat der Beklagte im März die Gehaltsdaten des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden unzulässig verbreitet. Diese haben dann auch ihren Weg in die öffentliche Diskussion gefunden.

Weiters hat der Beklagte nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens wieder ein klar gegen andere Arbeitnehmer gerichtetes und in der gesetzten Form nicht zu tolerierendes Verhalten gesetzt. Er hat am 27. 4. gegenüber 25 bis 30 leitenden Angestellten andere Betriebsratsmitglieder dadurch herabgewürdigt, dass er ihre Vorgehensweise ihm gegenüber mit „Stasi‑Methoden“ gleichsetzte. Auch dieses Verhalten des Beklagten ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Zustimmung zur erst auszusprechenden Kündigung zu erteilen ist, zu berücksichtigen (zum maßgebenden Entscheidungszeitpunkt: RIS‑Justiz RS0114754).

Der Beklagte hat damit ‑ nachdem die Klägerin durch ihre erste Klageführung ganz klar zum Ausdruck gebrachte hatte, dass sie herabwürdigende Verhalten gegenüber anderen Mitarbeitern nicht duldet - trotzdem nicht nur vertrauliche Daten anderer Arbeitnehmer zur Durchsetzung von damit nicht im Zusammenhang stehenden Anliegen instrumentalisiert, sondern auch noch andere Betriebsratsmitglieder herabgewürdigt.

Dies ist als beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG zu qualifizieren und macht es notwendig, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der ersten und zweiten Instanz auf § 58 Abs 1 ASGG, hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 2 ASGG, § 50 und 43 ZPO.

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