OGH 10Ob64/17k

OGH10Ob64/17k20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. E* und 2. Mag. (FH) N*, beide *, beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. H*, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, wegen 34.770,12 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. August 2017, GZ 4 R 100/17h‑16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. April 2017, GZ 17 Cg 132/15x‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E120994

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Kläger schlossen mit einem Bauträger am 10./25. 9. 2012 einen Kaufvertrag über den Kauf einer Wohnung (Wohnungseigentum) als Bauträgervertrag. Der Beklagte fungierte als Vertragserrichter und bestellter Treuhänder im Sinn des § 12 des Bauträgervertragsgesetzes, BGBl I 1997/7 (BTVG). Der Kaufpreis wurde zur Gänze von den Klägern auf das vom Beklagten eingerichtete Treuhandkonto angewiesen.

Der Beklagte überwies einen Teil des Kaufpreises von 194.400 EUR an den Bauträger, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht über eine ausreichende Lastenfreistellungsurkunde der den Bauträger finanzierenden Bank verfügte. Er verletzte damit seine Pflichten als Treuhänder gemäß § 12 Abs 4 BTVG (3 Ob 113/16p).

Über das Vermögen des Bauträgers wurde mit Beschluss vom 9. 7. 2015 vom Erstgericht als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren als Konkursverfahren eröffnet.

Die Kläger begehren vom Beklagten die Zahlung von Zinsen gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG. Sie stützen diesen Anspruch im Revisionsverfahren noch auf Schadenersatz. Anspruchsgrundlage sei § 14 Abs 1 BTVG. Dabei handle es sich um ein Schutzgesetz, das nicht umgangen werden solle. Der Beklagte habe als Treuhänder die Sorgfaltspflicht gemäß § 1299 ABGB zu wahren. Er habe die Bestimmungen des BTVG grob fahrlässig verletzt und hafte daher für die Zinsen gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG.

Der Beklagte wandte dagegen ein, dass er für die Geltendmachung eines Anspruchs gemäß § 14 Abs 1 BTVG nicht passiv legitimiert sei. Den von den Klägern behaupteten Schaden habe er nicht verursacht.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. § 14 BTVG normiere einen Bereicherungsanspruch, der nach Wortlaut und Gesetzeszweck ausschließlich gegen den Bauträger geltend gemacht werden könne. Ein gegen den Beklagten gerichteter Schadenersatzanspruch scheitere an der Kausalität eines Handelns des Beklagten. Der Treuhänder hafte dem Erwerber nur für einen Schaden, den dieser aus einer fehlerhaften Tätigkeit des Treuhänders erleide, demnach nur für die gesetzwidrige Verringerung des Treuhanderlags durch voreilige Auszahlungen an den Bauträger. Einen Rückersatzanspruch des Erwerbers im Sinn des § 14 BTVG habe der Beklagte als Treuhänder hingegen nicht vereitelt, sondern durch sein gesetzwidriges Verhalten erst begründet. Er hafte im Fall der Insolvenz des Bauträgers daher nicht für die „Strafzinsen“ im Sinn des § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG im Weg des Schadenersatzes: hätte er pflichtgemäß nicht ausgezahlt, wäre eine Verringerung des Treuhanderlags unterblieben, der Erwerber hätte dann aber gerade nicht die hohen „Strafzinsen“ erhalten. Auch die behauptete Haftung wegen Schutzgesetzverletzung setze neben dem objektiven Regelverstoß die Kausalität des schädigenden Verhaltens für den Schadenseintritt voraus, an der es hier jedoch fehle.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier zu beurteilenden Frage einer Haftung des Treuhänders für „Strafzinsen“ im Sinn des § 14 BTVG fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Beklagten beantwortete Revision der Kläger, mit der diese die Stattgebung des Klagebegehrens begehren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1 Der Erwerber kann gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 BTVG alle Leistungen, die er oder der Treuhänder für ihn entgegen den Bestimmungen des BTVG erbracht hat, zurückfordern. Dieser Rückforderungsanspruch richtet sich – wie Rückforderungsansprüche aus anderen Rechtsgründen (vgl § 14 Abs 3 BTVG) – gemäß § 15 BTVG auch dann gegen den Bauträger, wenn der Erwerber entsprechend dem Bauträgervertrag Zahlungen an Dritte geleistet hat. Der Bauträger hat gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG für Rückforderungsansprüche im Sinn des § 14 BTVG Zinsen ab dem Zahlungstag in einer den jeweiligen Basiszinssatz um acht Prozentpunkte übersteigenden Höhe zu zahlen.

1.2 Der Rückforderungsanspruch gemäß § 14 Abs 1 BTVG richtet sich daher schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ausschließlich gegen den Bauträger (9 Ob 50/11k; 9 Ob 12/16d; vgl auch 3 Ob 67/17z; Prader in Schwimann/Kodek, ABGBVa § 14 BTVG Rz 7). Dies entspricht auch dem Zweck des BTVG, wonach der Bauträger verpflichtet sein soll, den Erwerber gegen den Verlust geleisteter Zahlungen zu sichern (§ 7 BTVG), was auch durch die Rückforderungsbestimmung des § 14 BTVG bewirkt werden soll (ErläutRV 312 BlgNR 20. GP  17 f und 26). Die erhöhten Zinsen gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG sind Teil des besonderen Rückforderungsanspruchs gemäß § 14 Abs 1 BTVG (ErläutRV 312 BlgNR 20. GP  26). Der Erwerber kann sie vom Bauträger (Pittl, BTVG² 143 [§ 14]) nur für Leistungen fordern, die er aufgrund von gegen das BTVG verstoßenden Vereinbarungen erbracht hat, nicht aber, wenn der Erwerber Rückforderungsansprüche aus anderen Rechtsgründen (vgl § 14 Abs 3 BTVG) geltend macht (3 Ob 230/04a; Friedl in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht² § 14 BTVG Rz 2; Aufner/S. Bydlinski, BTVG § 14 Rz 3).

2.1 Die Revisionswerber stützen ihren Anspruch auf Schadenersatz und machen zusammengefasst – gestützt insbesondere auf Prader, Wohnrecht, BTVG3.3 [Stand 1. 1. 2017, rdb.at] § 14 Anm 1 – geltend, dass der Anspruch auf Zinsen gemäß § 14 BTVG durch das gesetzwidrige Verhalten des Beklagten erst begründet worden sei. Da der Bauträger insolvent geworden sei, könne der Anspruch auch gegen den Beklagten als Treuhänder geltend gemacht werden. Eine Anspruchsverfolgung scheitere nicht am Kausalitätserfordernis, weil bei Schutzgesetzverletzungen nicht wegen der Kausalität an sich, sondern wegen der Kausalität von rechtswidrigem Verhalten gehaftet werde. Als Zurechnungsgesichtspunkte verblieben nur mehr der Schutzzweck der Norm und der Gedanke des rechtmäßigen Alternativverhaltens.

2.2 Dem hat das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass auch ein auf Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 1311 ABGB) gestützter Schadenersatzanspruch entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerber zur Voraussetzung hat, dass der Schädiger den Schaden verursacht hat (Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1311 Rz 6 [Stand 1. 10. 2016, rdb.at]). Es bedarf bei einer behaupteten Schutzgesetzverletzung lediglich keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs durch den Geschädigten, weil die Kausalität der in der Missachtung der Norm liegenden Pflichtwidrigkeit für die Schadensfolgen, deren Eintritt das Schutzgesetz gerade zu verhindern bestimmt ist, vermutet wird (8 Ob 57/17s mwH; RIS‑Justiz RS0022474; vgl auch Reischauer in Rummel³ § 1311 ABGB Rz 8).

2.3 Damit übereinstimmend führen die Revisionswerber selbst aus, dass es „im Sinne der Schadenersatzlehre richtig“ sei, dass der Kapitalbetrag sich ohne das schadensverursachende Verhalten des beklagten Treuhänders noch auf dem Treuhandkonto befinden würde, „jedoch ohne diese Zinsen“ (im Sinn des § 14 Abs 1 Satz 2 BTVG). Dies gesteht auch Prader, auf den sich die Revisionswerber berufen, zu (immolex 2016/27, 86 [89 aE]; ders in Wohnrecht, BTVG3.3 [Stand 1. 1. 2017, rdb.at] § 14 Anm 1; die Kausalität verneint H. Böhm, immolex 2016/27, 86 [91], und immolex 2015, 273 [276 FN 15]). Das Argument von Prader, dass es im Anwendungsbereich des BTVG, das vordergründig ein „Konsumentenschutzgesetz“ darstelle, wenig nachvollziehbar sei, eine Haftung des Treuhänders für die Strafzinsen dem Bauträger gegenüber zu bejahen, gegenüber dem Erwerber aber im Fall der Insolvenz des Bauträgers zu verneinen, mag vor dem Hintergrund der dargestellten klaren Rechtslage allenfalls rechtspolitisch beachtlich sein. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Gerichte, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung (RIS‑Justiz RS0008880).

Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

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