OGH 15Os143/17v

OGH15Os143/17v17.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zack, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sasa M***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 18. September 2017, GZ 42 Hv 95/17i‑147, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00143.17V.0117.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./B./ und F./ sowie in der zu II./ gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im darüber hinausgehenden Umfang wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sasa M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (II./), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (III./1./) und der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (III./2./ und 3./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –

I./ am 26. Jänner 2017 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Alexandru C***** als Mittäter (§ 12 StGB)

A./ mit Gewalt gegen eine Person, nämlich durch Durchschneiden des Handtaschenriemens und Wegreißen der Handtasche aufgrund der Gegenwehr des Opfers, Paulina G***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 7.590 Euro Bargeld und weitere Wertgegenstände mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

II./ in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Identität und seine (Rück‑)Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zur Gewährung von Bankkrediten und zum Abschluss von Versicherungsverträgen bzw zur entsprechenden Antragstellung, sohin zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die die Genannten oder andere am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, indem er sich als der rumänische Staatsangehörige Petru B***** ausgab und als solcher Kreditanträge an Banken und Kreditanstalten richtete oder Dritte veranlasste, solche Anträge zu stellen, und seine Fahrzeuge bei Versicherungsanstalten haftpflichtversichern ließ, und zwar

A./ am 9. August 2016 „den Angestellten des Unternehmens A***** Daniel I*****“, wodurch die S***** GmbH mit 13.000 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil ihm die Bank eine Absage erteilte;

B./ am 16. August 2016 Verfügungsberechtigte der W***** AG, wobei die Versicherung in einem Betrag in Höhe von 221,87 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

C./ am 14. Oktober 2016 „den Angestellten des Kreditvermittlungsbüros Mirjana Ma*****“, Goran Ma*****, wodurch die S***** GmbH oder die W***** AG mit 22.000 Euro geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil den Anträgen nicht stattgegeben wurde;

D./ am 12. Dezember 2016 Verfügungsberechtigte der B***** AG, wobei die Bank mit 48.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

E./ am 30. Dezember 2016 „den Inhaber des Autoplatz*****“, wodurch die S***** GmbH mit 10.000 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil die Bank einen Mitschuldner (Bürgen) einforderte;

F./ am 10. Jänner 2017 Verfügungsberechtigte der V***** OG, wodurch die G***** AG mit 221,84 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

G./ am 12. Jänner 2017 „den Inhaber des Unternehmens A*****, Dejan Mi*****“, wodurch die S***** GmbH mit 21.900 Euro am Vermögen geschädigt werden sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil die Bank einen Bürgen einforderte,

wobei er den Betrug mit einem 5.000 Euro übersteigenden Schaden sowie unter Benützung falscher Urkunden, nämlich gefälschter Führerscheine und Personalausweise und den schweren Betrug nach § 147 Abs 1 und Abs 2 StGB gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) beging oder zu begehen suchte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen I./ und II./ des Schuldspruchs gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge erblickt zu I./ eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) in der Begründung des Erstgerichts, der Polizeibeamte B***** habe bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 18. September 2017 (ON 146 S 2) geschildert, dass mit dem Mobiltelefon des Angeklagten zur Tatzeit nicht nur Passiv-, sondern auch Aktivgespräche über mehrere Minuten mit dessen Schwager und dessen Onkel geführt worden seien (US 11). Sie übersieht, dass es sich dabei um beweiswürdigende Überlegungen zur Plausibilität der Verantwortung des Beschwerdeführers handelt, welche als sachverhaltsbezogene Bejahung eines einzelnen Umstands, der erst in einer Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch seiner Täterschaft führt, aus Z 5 nicht bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0116737).

Mangels Relevanz für die Schuld- oder Subsumtionsfrage wird mit der als „aktenwidrig“ (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0099431) – nämlich Beweisergebnissen zu einer nach Entziehung der Kennzeichentafeln durch die Polizei erst am Tag vor dem Überfall erfolgten Neuanmeldung des Fahrzeugs widersprechend (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) – kritisierten Feststellung, der Rechtsmittelwerber habe das Opfer bereits „im Vorfeld“ unter Verwendung seines Pkws beobachtet (US 9), keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0117264) angesprochen.

Der weitere Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), wonach ohne direkte Wahrnehmung der Zeugin Paulina G***** zum Einsteigen des unmittelbaren Täters in den Fluchtwagen die dahingehende Annahme des Erstgerichts (US 9) bloß eine unzulässige Vermutung zu Lasten des Beschwerdeführers sei, zeigt keinen mit den Kriterien logischen Denkens unvereinbaren Schluss der Tatrichter aus den Angaben der Zeugin (US 13) in Zusammenschau mit Lichtbildern einer Radarbox vom Wagen des Rechtsmittelwerbers sowie den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung (US 10 f) auf, sondern bekämpft bloß in unzulässiger Weise die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0099455 [insbesondere T1, T5]).

Mit eigenständigen Überlegungen zur Plausibilität des exakten Erinnerungsvermögens der Entlastungszeugin Melanie M***** und zum Beweiswert ihrer Depositionen verfehlt die – diesbezüglich eine weitergehende Auseinandersetzung des Schöffengerichts vermissende (Z 5 zweiter Fall; vgl aber US 13) – Mängelrüge den nicht in der Annahme der Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in der Feststellung entscheidender Tatsachen gelegenen Bezugspunkt einer Unvollständigkeit der der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehaltenen Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen (vgl RIS‑Justiz RS0104976; RS0119422 [T4, T6]).

Der Vorwurf, das Erstgericht habe zu II./ wesentliche Beweisergebnisse übergangen (Z 5 zweiter Fall), die die Einlassung des Angeklagten stützten, er sei zu den Kreditbetrugsfakten von Ilie T*****, Zoran V***** und „einem Tschetschenen“ genötigt worden, bezieht sich bloß auf einen möglichen – strafrechtlich regelmäßig irrelevanten (vgl RIS‑Justiz RS0088761; RS0117499 [T4]) – Beweggrund für sein deliktisches Verhalten.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) dient dazu, geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) zu verhindern (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem der Angeklagte zu I./ diverse Begleitumstände releviert, auf die Angaben der Zeugin M***** verweist sowie „sich aufdrängende Fragen“ zur Sinnhaftigkeit der Planung und Verwirklichung eines Raubüberfalls auf die „Inhaberin eines kleinen Friseursalons“ und zur Höhe des vom Opfer mitgeführten Bargeldbetrags in den Raum stellt, verlässt er den Rahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes und zielt lediglich auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung nach Art einer nur im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Schuldberufung ab.

Hinsichtlich seiner unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (Z 5a) erstatteten Kritik, das Raubgeschehen sei „keineswegs im vollen Umfang aufgeklärt“, zumal die Cousine des Alexandru C***** bis dato nicht über ihre Informationen zum Raubüberfall befragt worden sei, macht der Beschwerdeführer nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seines Rechts, diese Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu beantragen, gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass war jedoch – wiederum in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Generalprokuratur – ein den Schuldspruchpunkten II./B./ und II./F./ anhaftender, nicht gerügter Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen.

In diesen Fällen liegt dem Beschwerdeführer– nach dem Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) – zur Last, Verfügungsberechtigte der W***** AG und der V***** OG durch die im Urteilsspruch näher beschriebenen Täuschungshandlungen zum Abschluss von Versicherungsverträgen verleitet zu haben, welche die jeweils genannte Versicherung oder die G***** AG an deren Vermögen schädigten (US 3 f). Feststellungen dahingehend, dass – über die bloße Übernahme des Versicherungsrisikos hinaus – aus den erschlichenen Verträgen eine Versicherungsleistung erbracht wurde oder aufgrund eines Schadenereignisses konkret erbracht werden sollte, welche einen strafrechtlich relevanten Vermögensschaden im Sinne eines effektiven Substanzverlusts bewirkt hätte (RIS‑Justiz RS0094309; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 106), finden sich im Urteil jedoch nicht. Da die Aufhebung der Schuldspruchpunkte II./B./ und II./F./ sowie der zu II./ gebildeten Subsumtionseinheit demnach unumgänglich ist, erübrigt sich ein Eingehen auf das zu diesen Fakten erstattete Beschwerdevorbringen.

Außerdem überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – wie schon von der Generalprokuraturaufgezeigt – von einer weiteren unbekämpft gebliebenen, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) in Bezug auf das – den PKW Audi A6 des Angeklagten betreffende – Verfallserkenntnis (US 6):

Einem Verfall nach § 20 Abs 2 StGB unterliegen auch Ersatzwerte, sofern sie den ursprünglichen, durch die Begehung der Straftat erlangten Vermögenswert verkörpern, also mittels einer geschlossenen Kette an Umtauschvorgängen auf diesen rückführbar sind (Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 32). Die tatrichterliche Konstatierung, wonach der Angeklagte den betrügerisch herausgelockten Kredit der B***** (II./D./) benützte, um einen auf seinem Fahrzeug lastenden Kredit zu begleichen (US 15), bringt einen solchen Umtauschvorgang, bei dem ein neu erworbener Vermögensbestandteil an die Stelle des alten tritt, aber nicht zum Ausdruck.

Das Verfallserkenntnis war daher ebenso aufzuheben.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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