European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0240DS00003.17A.0110.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.
Danach hat er im Jahr 2015 (in Graz) durch Ausfolgung einer standardisierten Benachrichtigung und Zahlungsaufforderung in PDF‑Form, undatiert und ohne Klientennennung, versehen mit der Unterschrift und der Stampiglie der L***** GmbH, an seine Mandantin M***** OG zu deren weiterer Verwendung im Zusammenhang mit vom Beschuldigten zu vertretenden Besitzstörungshandlungen gegen § 42 RL‑BA 1977 verstoßen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS-Justiz RS0128656) und die Strafe.
Ihrer Erledigung voranzustellen ist:
Nach der für Sachverhalte bis einschließlich 31. Dezember 2015 geltenden (§ 59 Abs 3 RL‑BA 2015) Bestimmung des § 42 RL‑BA 1977 hat der Rechtsanwalt seine Kanzlei mit Sorgfalt und Umsicht zu führen und darf – unter anderem – Kanzleigeschäfte nicht ungeeigneten Personen überlassen. Zweck der Bestimmung ist die Sicherung der Qualität der Erledigungen unter der Letztverantwortung und – insbesondere (vgl § 42 erster Satz RL‑BA 1977) – der Führung des übertragenden Rechtsanwalts. Eine Überlassung von Kanzleigeschäften erfordert somit (auch) die objektive Eignung des Beauftragten zur Besorgung von Kanzleigeschäften, die eine effektive Kontrolle und Beaufsichtigung der Erledigung der übertragenen Geschäfte durch den Rechtsanwalt bedingt. Letztere setzt, um effektiv zu sein, eine – dienstrechtliche oder anderweitig vertraglich fundierte – Weisungskompetenz des Beauftragenden voraus, anderenfalls die Nichtbefolgung von Aufträgen und auftragswidriges Handeln sanktionslos bleiben müssten. Die Übertragung der Erledigung von Kanzleigeschäften verlangt daher ein Verhältnis, welches zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten mangels vertraglicher Verpflichtung des Letztgenannten zur ordnungsgemäßen Erfüllung – anders als bei Kanzleimitarbeitern – nicht besteht. Dem Mandanten des Rechtsanwalts fehlt daher grundsätzlich die Eignung zur Besorgung von dessen Kanzleigeschäften, sodass der Rechtsanwalt diesem – auch wenn jeweilige telefonische Rücksprache vereinbart ist – jedenfalls kein anwaltlich vorgefertigtes Blankoschreiben zur Verwendung gegenüber Dritten überlassen darf (vgl RIS-Justiz RS0072513, RS0057006).
Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zur Aussage des Zeugen Mag. E***** über die mit dem Beschuldigten getroffene Vereinbarung und zu den Umständen des Ausfüllens des Formulars hinsichtlich des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen ***** spricht keine entscheidenden Tatsachen an, weil bereits die Übertragung von Kanzleigeschäften an eine objektiv ungeeignete Person eine Verletzung von Berufspflichten begründet. Lediglich der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass der Disziplinarrat die vom Beschuldigten angestrebten Feststellungen der Sache nach ohnedies getroffen hat (ES 4).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit der Behauptung, dass der Beschuldigte seinem Mandanten „kein vollkommenes Blankoformular überlassen“ habe, nicht an den Feststellungen des Disziplinarrats (RIS-Justiz RS0099810) über die „Ausfolgung einer standardisierten Benachrichtigung und Zahlungsaufforderung in PDF-Form, undatiert und ohne Klientennamen, versehen mit der Unterschrift und der Stampiglie der L***** GmbH“ (ES 6). Soweit sie behauptet, der Umstand, dass das Schriftstück seitens des Mandanten vereinbarungswidrig verwendet worden sei, könne dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden, verkennt sie erneut, dass bereits die Überlassung des Blankoschreibens den Tatbestand erfüllte.
Entgegen der weiteren Kritik zieht das Fehlen von Rechtsausführungen zu der im Ergebnis richtigen Lösung der Rechtsfrage der Verwirklichung auch des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) keine Nichtigkeit des Erkenntnisses nach sich (RIS-Justiz RS0099809, RS0100877).
Soweit der Beschuldigte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 DSt (bloß) behauptet (Z 9 lit b), legt er nicht dar, warum sein Verschulden bei der gegebenen Sachlage absolut und im Vergleich zu typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sei (RIS-Justiz RS0116565).
Weil auch keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats in Bezug auf die Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen bestehen, kommt der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld insgesamt keine Berechtigung zu.
Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat die „Vorstrafenfreiheit“ als mildernd, keinen Umstand hingegen als erschwerend.
Die Berufung ist zwar dahin im Recht, dass dem Beschuldigten auch die – schon in Hinblick auf die zwischen Einleitungsbeschluss und Anberaumung der mündlichen Verhandlung verstrichene Zeit von rund neun Monaten – unverhältnismäßige lange Verfahrensdauer als mildernd zugute zu halten ist (vgl § 34 Abs 2 StGB). Als erschwerend fällt ihm jedoch das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen zur Last. Unter Ausklammerung des Verstoßes gegen Art 6 Abs 1 MRK wäre daher hypothetisch eine Geldbuße von 800 Euro angemessen, sodass die vom Disziplinarrat (im untersten Bereich des zur Verfügung stehenden Rahmens) ausgemessene Sanktion von 500 Euro der Grundrechtsverletzung – die somit anerkannt und ausdrücklich, messbar und im Licht der Judikatur des EGMR ausreichend ausgeglichen ist (RIS-Justiz RS0114926) – bereits hinreichend Rechnung trägt, weshalb zu ihrer Reduktion kein Anlass besteht. Prozessuale Aspekte des Rechtsmittelverfahrens (hier: mangelnde Straferhöhungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts) können dabei außer Betracht bleiben, zumal eine Konventionsverletzung auch durch Zusammenwirken verschiedener Instanzen ausgeglichen werden kann (RIS‑Justiz RS0125374 [T1 und T2]).
Der Berufung war daher auch in diesem Punkt ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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