OGH 4Ob235/17p

OGH4Ob235/17p21.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** F*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwalt in Innsbruck als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei A***** W*****, vertreten durch Mag. Stefan Weiskopf und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 23.168,14 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. September 2017, GZ 2 R 117/17y‑13, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. August 2017, GZ 17 Cg 17/17t‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00235.17P.1221.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde 2003 gemäß § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich die Beklagte, einen Bankkredit alleine zurückzuzahlen und den Kläger diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Über das Vermögen der Beklagten wurde 2004 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Die kreditgebende Bank meldete ihre Forderung mit 13.620,70 EUR an. Der Kläger wusste vom Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Beklagten bereits bei dessen Eröffnung im Jahre 2004. Er meldete keine Forderungen im Insolvenzverfahren an. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde 2005 nach der rechtskräftigen Einleitung des Abschöpfungsverfahrens aufgehoben. 2012 erklärte das Insolvenzgericht das Abschöpfungsverfahren für beendet und erteilte der Beklagten die Restschuldbefreiung, was dem Kläger in diesem Jahr bekannt wurde. 2014 wurde der Kläger zur Zahlung von 16.499,50 EUR samt Zinsen und Kosten an die kreditgebende Bank verurteilt.

Der Kläger begehrte Zahlung von 23.168,14 EUR sA als Rückgriffsforderung im Ausmaß der offenen Kreditsumme samt Verfahrenskosten. Diese Forderung sei erst durch das Urteil 2014 entstanden, weil er in diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen worden sei. Diese Regressforderung sei von der Restschuldbefreiung nicht umfasst.

Die Beklagte machte ua geltend, dass die klägerische Forderung von der Restschuldbefreiung betroffen sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab und hielten fest, dass die Restschuldbefreiung im Abschöpfungsverfahren nach § 214 IO unabhängig von einer allfälligen Forderungsanmeldung gegenüber allen Insolvenzgläubigern wirke. Bei der Forderung des Klägers handle es sich nicht um eine nachträglich hervorgekommene Forderung. Der Kläger hätte seine künftigen Regressansprüche aus der allfälligen Inanspruchnahme seiner Haftung als bedingte Forderung im Schuldenregulierungsverfahren der Beklagten anmelden müssen. Ein Fall des § 215 Z 2 IO liege nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe. Nachträglich änderte es seinen Zulässigkeitsausspruch auf Antrag des Klägers ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Kläger aus der Entscheidung 8 Ob 47/04a ableite, dass er gegen die Beklagte zumindest einen Rückgriffsanspruch auf die für die Restschuldbefreiung notwendige Quote von 10 % habe.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einer vergleichbaren Konstellation klargestellt, dass der insolvenzrechtliche Bedingungsbegriff weit zu verstehen ist und auch den potentiellen Regressanspruch des Klägers erfasst, der insoweit bereits mit Eingehen der Mithaftungsverpflichtung bzw – soweit es sich um einen Schadenersatzanspruch handelt – der Scheidungsfolgenvereinbarung entstanden ist (8 Ob 47/04a; vgl RIS‑Justiz RS0051527 [T2]; 10 Ob 23/03k mwN; 3 Ob 143/08p). Nach gesicherter Rechtsprechung kann ein Bürge oder Mitschuldner seinen Rückgriffsanspruch auch dann (bedingt) anmelden, wenn der Hauptgläubiger seine Forderung geltend macht (5 Ob 309/87; 8 Ob 1013/94 8 Ob 47/04a mwN). Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen.

3.1 Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 214 Abs 2 IO werden zum einen die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete durch eine im Abschöpfungsverfahren erfolgte Restschuldbefreiung nicht berührt. Zum anderen wird der Schuldner gegenüber den Bürgen und anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern. Diese Befreiung wird in § 214 Abs 1 IO normiert: Demnach wirkt die Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger und auch für jene Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Der in Anspruch genommene Ausfallsbürge kann nicht gegenüber der restschuldbefreiten Hauptschuldnerin Rückgriff nehmen (RIS-Justiz RS0118321).

3.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen dieser klaren Rechtslage. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt jedoch nicht vor, wenn das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656; RS0107348) bzw wenn sich für die vom Rechtsmittelwerber vertretene Rechtsansicht keine Anhaltspunkte aus den von ihm herangezogenen Normen ergeben (RIS-Justiz RS0042656 [T20]).

4.1 Die angefochtene Entscheidung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung 8 Ob 47/04a, aus der der Kläger ableiten will, dass ihm zumindest 10 % seiner Forderung zugesprochen hätten werden müssen. In dieser Entscheidung ging es um den Umfang einer Restschuldbefreiung nach der Bestätigung eines Zwangsausgleichs (nunmehr: Sanierungsplan) und nicht – wie hier – um eine Restschuldbefreiung nach einem Abschöpfungsverfahren. Die gerichtliche Entscheidung, mit der das Abschöpfungsverfahren für beendet und ausgesprochen wird, dass „der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit ist“ (§ 213 Abs 1 IO), hat zur Folge, dass der Schuldner gegenüber den Insolvenzgläubigern danach keine weiteren Verbindlichkeiten erfüllen muss (sofern keine Ausnahme von der Restschuldbefreiung im Sinne des § 215 IO vorliegt). Dem Ausspruch über die Restschuldbefreiung nach § 213 IO liegt nämlich zugrunde, dass der Schuldner die dafür erforderlichen Zahlungen im Insolvenz- und Abschöpfungsverfahren bereits geleistet hat. Hingegen erfolgt die Restschuldbefreiung beim Zwangsausgleich (Sanierungsplan) quasi vorweg durch dessen rechtskräftige Bestätigung (§ 156 IO). Der Nachlass wird aber hinfällig, wenn der Schuldner den nicht restschuldbefreiten Forderungsteil (die sog Quote) an die Insolvenzgläubiger nicht leistet (vgl § 156a IO).

4.2 Damit kann die beschlussmäßige Beendigung des Abschöpfungsverfahrens samt Ausspruch über die Restschuldbefreiung nach § 213 IO nicht mit der aus der gerichtlichen Bestätigung des Zwangsausgleichs (Sanierungsplans) folgenden Restschuldbefreiung nach § 156 IO verglichen werden. Schon aufgrund der aufgezeigten Unterschiede zwischen diesen Formen der Restschuldbefreiung stellt sich die Frage nicht, ob das Berufungsgericht von der Entscheidung 8 Ob 47/04a abgewichen ist.

5. Auch der Hinweis auf § 215 Z 2 IO kann die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht begründen, weil dem Schuldner die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens bekannt war und er dennoch keine Forderung angemeldet hat, obwohl ihm das rechtlich möglich war (siehe oben). Das Rechtsmittel führt nicht im Ansatz aus, warum es sich hier um eine Verbindlichkeit handeln soll „die nur aus Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben ist.“

6. Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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