European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00211.17M.1129.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Beklagte bietet im Rahmen seines Unternehmens auch entgeltlich Canyoning‑Touren an, die er im Internet bewirbt. Die Durchführung dieser Touren erfolgt in Gruppen zu ca acht bis zwölf Personen, wobei pro Jahr im Durchschnitt mindestens 80 Personen durch den Bach geführt werden. Die Touren finden mehrmals jährlich statt.
Die Canyoning‑Gruppen werden über ein Grundstück, das im Eigentum der beiden Kläger steht, auf einem Weg geführt, der von einem Bergsteigerverein beschildert ist. Dieser Weg ist zu beiden Seiten von dichtem Baumbestand gesäumt und von Bäumen umgeben. Nach Überschreiten eines weiteren im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücks befand sich dann (bis vor zwei Jahren) die bei der Canyoning‑Tour benutzte Einstiegsstelle in den Bach. Rund um die Einstiegsstelle befinden sich ebenfalls Bäume. Der Rückweg der Canyoning‑Gruppe erfolgt ebenfalls über die beiden Grundstücke der Kläger. Seit zwei Jahren erfolgen der Einstieg und der Zugang zum Bach zur Canyoning‑Tour des Beklagten nicht mehr, wie bis zu diesem Zeitpunkt, über die Grundstücke der Kläger, sondern über ein anderes Grundstück. Der Rückweg erfolgt aber weiterhin über diese beiden Grundstücke. Ein von den Klägern dem Beklagten unterbreiteter Vorschlag, eine Vereinbarung bezüglich der Nutzung ihrer beiden bewaldeten Grundstücke abzuschließen, wurde von ihm nicht angenommen. Auch die von ihm geforderte Unterlassungserklärung gab er nicht ab.
Das Erstgericht gab dem von den Klägern gegen den Beklagten erhobenen Begehren, das Betreten und Benutzen ihrer beiden Grundstücke für Zwecke der Durchführung von geführten Canyoning‑Touren im Bach durch von ihm beschäftigte Canyoning‑Tourführer und durch Teilnehmer der von ihm veranstalteten Canyoning‑Touren zu unterlassen, statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsfragen der Nutzung von Wanderwegen im Privateigentum für gewerbsmäßig veranstaltetes Canyoning im Lichte des § 33 ForstG und des (Salzburger) Gesetzes über die Wegfreiheit im Bergland 1970 die Qualität des § 502 Abs 1 ZPO erfüllten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Gemäß § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Obgleich diese Beurteilung nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung bedarf, ist den Revisionsausführungen kurz entgegenzuhalten, dass die in seiner Berufung gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, wonach das Erstgericht eine überraschende Rechtsansicht hinsichtlich der Anwendung des (Salzburger) Gesetzes über die Wegfreiheit im Bergland 1970, LGBl 1970/31 idgF, vertreten habe und es ihm bei entsprechender Erörterung möglich gewesen wäre, „entsprechendes Vorbringen und Beweisanbote zu erstatten“, bereits vom Berufungsgericht verneint wurde. Nach ständiger Rechtsprechung können Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sind, auch nicht als Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963; Kodek in Rechberger 4 § 503 ZPO Rz 9). Inhaltlich nimmt der Beklagte zur Rechtsansicht der Vorinstanzen zu diesem Gesetz nicht Stellung.
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs setzt der Unterlassungsanspruch eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser zuwider gehandelt wird, voraus (RIS‑Justiz RS0037660 [T7]). Hat der Beklagte – wie hier – bereits gegen diese Unterlassungspflicht verstoßen, so hat er die Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012087; RS0037661). Dabei kommt es bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr nicht nur auf die Art des erfolgten Eingriffs, sondern auch auf die Willensrichtung des Täters an, für die insbesondere auch sein Verhalten nach der Beanstandung oder während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann (RIS‑Justiz RS0079692). Die Wiederholungsgefahr ist in der Regel auch dann aufrecht, wenn der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er Eingriffe in absehbarer Zeit unterlässt (RIS‑Justiz RS0012055). Ob im Einzelfall Wiederholungsgefahr besteht, wirft – abgesehen von einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0042818 [T3]).
2.2. Die Vorinstanzen sind von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Deren Beurteilung, dass die Wiederholungsgefahr bestehe, weil sich der Beklagte zur Nutzung des Weges für gewerbliche Canyoning‑Touren weiterhin berechtigt halte, auch wenn derzeit der Einstieg in den Bach an anderer Stelle erfolge, er bis vor zwei Jahren den Einstieg über die beiden Grundstücke der Kläger genutzt habe und auch weiterhin beim Rückweg die beiden Grundstücke betrete, sodass jederzeit mit einer neuerlichen Nutzung des alten Einstiegs zu rechnen sei, hält sich jedenfalls im Rahmen des in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraums.
3.1. Gemäß § 33 Abs 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Abs 2 und 3 und des § 34 ForstG, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten. Eine darüber hinausgehende Benutzung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, ist nach § 33 Abs 3 ForstG nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, und hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig.
Zu dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof bereits bezugnehmend auf die Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Land‑ und Forstwirtschaft, 1677 BlgNR 23. GP 2) ausgesprochen, dass jedenfalls „alle kommerziellen Veranstaltungen“ die Legalservitut des § 33 Abs 1 ForstG überschreiten. Das Gesetz selbst stellt in § 174 Abs 3 lit d ForstG etwa die Durchführung und die Teilnahme an Pilz‑ und Beerensammelveranstaltungen unter Verwaltungsstrafe. Auch die in § 33 Abs 3 ForstG aufgezählten, über Abs 1 dieser Gesetzesstelle hinausgehenden Benützungsarten haben neben dem Zweck der Verhinderung einer Gefährdung des Waldbestands auch den Sinn, die Nutzung des Waldes zu kommerziellen Zwecken zu regulieren (1 Ob 56/03x = SZ 2004/18, dazu Hattenberger, Gewerblich geführte Canyoning‑Touren sind nicht vom wasserrechtlichen Gemeingebrauch erfasst, Überlegungen zu OGH 10. 2. 2004, 1 Ob 56/03x, RdU 2005/25, 63; ebenso Jäger, Forstrecht3 [2003] Anm 8 zu § 33 Abs 1, Anm 1 zu § 33 Abs 3; Brawenz/Kind/Wieser, Forstgesetz4 [2015] § 33 Anm 4 und 14; Bobek/Plattner/Reindl, Forstgesetz2 [1995] § 33 Anm 4). § 33 Abs 3 ForstG zählt die Durchführung einer Canyoning‑Tour nicht ausdrücklich zu jenen Benützungen des Waldes, die die Zustimmung des Waldeigentümers benötigen. Unter dem gesetzlich nicht definierten Begriff „Canyoning“ versteht man grundsätzlich das Folgen von Wasserläufen bzw das Durchklettern von Schluchten und Wasserfällen, wobei es auch zu einer Benützung des am Rand des Bachbetts befindlichen Waldes kommen kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind aber – wie dargelegt – kommerzielle Veranstaltungen nicht von der Benützung des Waldes zu Erholungszwecken erfasst und bedürfen daher der Zustimmung des Waldeigentümers. Bei seiner Argumentation, der Wanderweg werde zu bestimmten Zeiten auch von anderen größeren Gruppen frequentiert und es mache wohl praktisch keinen Unterschied, ob diese geführt werden oder alleine gehen, übersieht der Beklagte offenbar, dass seine Kundengruppen den Weg überhaupt nicht benützen würden, wenn sie seine Dienstleistungen nicht in Anspruch nähmen.
3.2. Von den dargestellten Grundsätzen, gegen die der Beklagte nicht konkret argumentiert, gingen die Vorinstanzen aus. Deren zusammengefasste Beurteilung, dass die allgemeine touristische Nutzung des Wanderwegs (im Wald der Kläger) die gewerbliche Nutzung für das Canyoning nicht umfasse, die Durchquerung des Waldes im Rahmen von gewerblich geführten Canyoning‑Touren jedenfalls als Teil einer kommerziellen Tätigkeit zu qualifizieren sei und sich der Beklagte hinsichtlich des Betretens der Grundstücke der Kläger nicht auf den forstrechtlichen Gemeingebrauch im Sinn des § 33 Abs 1 ForstG stützen könne, ist nicht korrekturbedürftig. Dass die „Vermarktung und touristische Kundmachung und Beschilderung des Wegs“ durch die beiden Kläger erfolgt wäre, steht gerade nicht fest. Auch steht nicht fest, dass die Bewerbung im Internet durch den Tourismusverband und die Beschilderung durch den Bergsteigerverein gerade auf die unternehmerische Tätigkeit des Beklagten zugeschnitten ist. Vielmehr wird der Weg regelmäßig speziell von Wanderern benützt. Dass die Kläger dem Beklagten seine unternehmerische Tätigkeit auf ihren Grundstücken bewilligten, ist nicht der Fall. Der Beklagte vermag angesichts des vorstehend genannten Gesetzeszwecks nicht darzulegen, dass die unter seiner Verantwortung durchgeführten kommerziellen Canyoning‑Touren mit acht bis zwölf Personen gerade den Begriff der Benützung des Waldes zu Erholungszwecken im Sinn des § 33 Abs 1 ForstG erfüllen. Nur insofern wäre nach dieser Bestimmung keine Zustimmung der Kläger erforderlich. Er geht selbst davon aus, dass zur gewerblichen Ausführung der Canyoning‑Touren auch der Zustieg zur Schlucht und der Rückweg vom Ausstieg gehören. Damit bedarf er aber – wovon die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar ausgingen – im Sinne des § 33 Abs 3 ForstG der Zustimmung der Kläger als Waldeigentümer, die nicht vorliegt.
4. Die Revision ist daher aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihnen die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind.
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