OGH 1Ob191/17w

OGH1Ob191/17w29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****, OG, *****, vertreten durch die Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Mag. E***** S*****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 4.941,25 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2017, GZ 38 R 42/17h‑27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 21. Dezember 2016, GZ 45 C 322/14h‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00191.17W.1129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Auslegung des zwischen der Beklagten und der Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin, einer Versicherungsgesellschaft, abgeschlossenen Mietvertrags, insbesondere zur Frage, ob nach der im Jahr 1980 schriftlich getroffenen Vereinbarung zur Wertsicherungsklausel der Mietzins inzwischen wertgesichert (also erhöht) vorzuschreiben wäre oder dies einer gesonderten Vereinbarung bedürfte.

Die Vorinstanzen wiesen das Zahlungsbegehren und den Zwischenfeststellungsantrag ab, weil die Vertragspartner des Bestandvertrags (schriftlich) festgelegt hätten, im Mai 1990 darüber in Verhandlung zu treten, ob und unter welchen Modalitäten eine Wertsicherung vereinbart werden solle und es zu einer späteren (angeblich mündlich vereinbarten) Aufhebung der vereinbarten Sistierung der Wertsicherung im Jahr 1991 nicht gekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin erkennt selbst, dass Fragen der Vertragsauslegung – als typischerweise vom Einzelfall abhängig – in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen. Sie kann ihre Auffassung, es läge im vorliegenden Fall ein unvertretbares Auslegungsergebnis, also eine auffallende Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre, vor (vgl dazu RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776 [T3, T6]; RS0042871; RS0112106), nicht schlüssig darstellen:

Ihre Ausführungen – auch jene zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens – stellen sich vielmehr als der im Revisionsverfahren unzulässige Versuch dar, angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz (RIS‑Justiz RS0042963 ua) oder die Beweiswürdigung der Vorinstanzen in Frage zu stellen (RIS‑Justiz RS0042903 [T2, T7, T8, T10]; RS0069246 [T1, T2] ua) bzw im Verfahren erster Instanz unterlassenes Vorbringen nachzuholen. So hat sie im Verfahren erster Instanz näheres Vorbringen zum Ablauf von Gesprächen vor Abschluss des schriftlichen Mietvertrags nicht dargelegt. Insbesondere hat sie gar nicht behauptet, dass den Parteien „damals klar gewesen“ sei, dass bei einer Änderung der „Sachlage“ (damit meint sie die Umstände, dass das Unternehmen des Vaters der Beklagten Großversicherungskunde der vermietenden Versicherungsgesellschaft war und bei von ihr nicht näher umschriebenen Investitionen der Beklagten ein Wertverlust, beim Bestandobjekt aber eine erst jetzt behauptete Wertsteigerung eingetreten sein soll) die Aussetzung der Wertsicherung wieder beendet werde. Ebensowenig hat sie – und zwar auch nicht im Berufungsverfahren – das Bestehen einer Vertragslücke, die durch ergänzende Auslegung zu schließen sein solle, releviert. Auch ihr Vorbringen zu einer schwerwiegenden Störung des Äquivalenzverhältnisses der vertraglichen Leistungen oder zu einem krassen Missverhältnis zwischen dem vereinbarten Hauptmietzins (ohne Wertsicherung) und dem angeblich am Markt zu erzielenden Hauptmietzins, dessen Höhe sie gar nicht nennt, ist eine unzulässige Neuerung.

Dass die Parteien „ausdrücklich beabsichtigt“ hätten, mit der Vereinbarung im Sideletter zum Mietvertrag die vertraglich vereinbarte Wertsicherung des Hauptmietzinses bloß vorübergehend (jedenfalls aber nicht mehr ab dem 1. 3. 2013) auszusetzen, woraus die Klägerin ableitet, sie sei berechtigt einen höheren (weil nach der Wertsicherungsklausel berechneten) Mietzins zu verlangen, lässt sich angesichts des Wortlauts in jenem, einen Bestandteil des Mietvertrags bildenden Schreiben (wonach die Vertragspartner „unverbindlich übereingekommen“ waren, „im Mai 1990 darüber in Verhandlungen einzutreten, ob und unter welchen Modalitäten sodann eine Wertsicherung vereinbart werden soll“) nicht ohne weiteres schlussfolgern. Eine korrekturbedürftige Fehlerhaftigkeit der Auslegung der Vorinstanzen, die beide deutlich auf den Gebrauch und die Bedeutung des Wortes „ob“ hingewiesen haben, kann die Klägerin damit also keinesfalls nachvollziehbar machen.

Auch der Vorhalt, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für den objektiven Erklärungswert bei stillschweigenden Verzichtserklärungen im Sinne des § 863 ABGB abweichend von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs beurteilt, geht in Leere. Es bezieht sich die Klägerin dazu auf die widerspruchslose Entgegennahme von Zahlungen in Höhe des nicht wertgesicherten Mietzinses bzw auf ein jahrelang erfolgtes Abstehen von höheren Vorschreibungen. Die Vorinstanzen, die sich zum Inhalt der Vereinbarung auf die schriftlichen Urkunden stützten, haben aber aus diesem Verhalten gar nicht auf einen stillschweigenden Verzicht für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche geschlossen. Das Berufungsgericht hielt sogar explizit fest, es könne dahingestellt bleiben, ob in der gegebenen Konstellation aufgrund des Abstehens der Klägerin von der Vorschreibung der Wertsicherung nach dem Protest der Beklagten Ende des Jahres 2009 ein endgültiger Verzicht auf diese zu sehen sei oder ob er im Zweifel nur die Vergangenheit betreffe. Ausführungen in der Revision dazu, was aus den Vorschreibungen nicht abzuleiten sein soll, gehen also ebenso fehl, wie Feststellungen dazu, wann eine Abrechnung mit Wertsicherung geltend gemacht worden sei, irrelevant sind. Da die Klägerin zur Verrechnung eines höheren Mietzinses schon aufgrund der ursprünglichen (schriftlichen) Vereinbarung nicht berechtigt ist, kommt es auf eine spätere mündliche Vereinbarung (wonach die Beklagte eine Wertsicherung bei einem Gespräch im Februar 1991 ablehnte und es die Hausverwaltung und [damalige] Vermieterin dabei bewenden ließen) gar nicht an. Zuletzt legt die Klägerin bei der Darstellung ihrer Argumente, warum sie an eine auf diesem Gespräch basierende (mündliche) Vereinbarung als eine solche ungewöhnlichen Inhalts nicht gebunden sei, erneut die Prämisse zugrunde, es sei ursprünglich bloß eine vorübergehende und bereits (spätestens 2013) abgelaufene Aussetzung der Wertsicherungsklausel vereinbart worden. Damit unterstellt sie der schriftlichen Vereinbarung zum wiederholten Mal einen anderen Gehalt als dies die Vorinstanzen getan haben und versucht auch auf diesem Wege nur deren Auslegung, dass eine Wertsicherung des Mietzinses nach der ursprünglichen Vereinbarung nicht in Kraft ist, zu unterlaufen.

Die außerordentliche Revision kann insgesamt eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufwerfen und ist zurückzuweisen, was keiner weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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