OGH 2Ob21/17b

OGH2Ob21/17b28.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei f* gmbh, *, vertreten durch Plankel Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*, 2. C* AG, *, beide vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 EUR), im Verfahren über den „Rekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. September 2016, GZ 1 R 91/16h‑46, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. Mai 2016, GZ 40 Cg 44/13s‑42, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120317

 

Spruch:

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, einen Ausspruch nach § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 ZPO zu treffen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit Klage beim Handelsgericht Wien die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden, die Anleihegläubiger dadurch erlitten hätten, dass die Beklagten vorsätzlich den Konkurs des Anleiheschuldners herbeigeführt hätten. Die Anleihegläubiger hätten der Klägerin ihre jeweiligen Ansprüche abgetreten. Da das Konkursverfahren noch anhängig sei und möglicherweise Ausschüttungen erfolgen würden, könne der Schaden noch nicht beziffert werden. Daher bestehe ein Feststellungsinteresse iSv § 228 ZPO. Die Beklagten seien in Großbritannien bzw in der Schweiz ansässig; die österreichische Zuständigkeit ergebe sich aus Art 5 Nr 3 EuGVVO alt/LGVÜ.

Die Beklagten bestritten die internationale, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit ein. Es sprach aus, dass es in Bezug auf die Erstbeklagte mit Ausnahme von einem der abgetretenen Ansprüche zuständig sei. In Bezug auf diesen einen Anspruch wies es die Klage zurück. Hinsichtlich der Zweitbeklagten wies es die Klage zur Gänze wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Im Umfang der Zurückweisung überwies es die Klage auf Antrag der Klägerin an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. In den Gründen bejahte das Erstgericht die internationale Zuständigkeit auch für die Ansprüche gegen die Zweitbeklagte.

Das von den Beklagten angerufene Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Klage zur Gänze wegen internationaler Unzuständigkeit zurückwies. Es traf keinen Bewertungs- und Zulassungsausspruch iSv § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 ZPO, weil sich dieser „aufgrund der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO“ erübrige.

Gegen diesen Beschluss richtet sich ein als Rekurs bezeichnetes Rechtsmittel der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstrebt. Die Beklagten erstatteten eine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die zur Entscheidung vorgelegten Akten sind an das Rekursgericht zurückzustellen.

1. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO wäre im gegebenen Zusammenhang nur dann analog anzuwenden, wenn das Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgegriffen und die Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens zurückgewiesen hätte (1 Ob 63/02z; RIS-Justiz RS0116348). Hingegen bleibt es bei der Anwendung von § 528 ZPO, wenn das Rekursgericht einen Beschluss des Erstgerichts abändert, mit dem dieses eine Prozesseinrede des Beklagten verworfen hatte (RIS-Justiz RS0116348; E. Kodek in Rechberger 4 § 519 Rz 14). Das gegen eine solche Entscheidung gerichtete Rechtsmittel ist daher ein Revisionsrekurs, dessen Zulässigkeit ausschließlich nach § 528 ZPO zu beurteilen ist. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil das Rekursgericht nicht etwa erstmals über das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit entschieden, sondern die diesbezügliche Entscheidung des Erstgerichts abgeändert hat.

2. Mangels analoger Anwendung von § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel daher nur nach Maßgabe von § 528 ZPO zulässig. Aus diesem Grund hatte das Berufungsgericht einen Bewertungs- und Zulassungsausspruch nach § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 ZPO zu treffen. Das Rekursgericht wird seine Entscheidung in diesem Punkt zu ergänzen haben.

3. In diesem Zusammenhang hat das Rekursgericht Folgendes zu beachten:

3.1. Durch eine Zession ändert sich der Schuldinhalt nicht (§ 1394 ABGB). Insbesondere kommt es dadurch zu keiner Änderung für die Belange des Prozesses (3 Ob 2/11g mwN): Es ändert sich weder die Zulässigkeit des Rechtswegs (4 Ob 530/68 SZ 41/80) noch die Rechtsmittelzulässigkeit (3 Ob 2/11g). Das gilt insbesondere für die Frage der Zusammenrechnung mehrerer Forderungen: Gleichartige Forderungen verschiedener Gläubiger, die einem Einzelnen abgetreten wurden, sind nicht allein wegen dieser Abtretung zusammenzurechnen (4 Ob 151/60; RIS-Justiz RS0042882; zuletzt etwa 7 Ob 60/16y). Die prozessuale Lage ist insofern nicht anders, als wenn diese Forderungen von den ursprünglich Berechtigten – als Streitgenossen – geltend gemacht würden (2 Ob 197/83; RIS-Justiz RS0042882 [T2]; 6 Ob 55/04p). Es ist daher zu prüfen, ob die Forderungen in diesem Fall zusammenzurechnen wären oder nicht.

3.2. Eine solche Zusammenrechnung wäre nach § 55 Abs 1 Z 2 JN erfolgt, wenn die ursprünglich Berechtigten eine materielle Streitgenossenschaft iSv § 11 Z 1 ZPO gebildet hätten, wenn sie also in Rechtsgemeinschaft gestanden oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt gewesen wären. Da eine Zession die prozessuale Lage nicht ändert, ist dies auch das einzige Kriterium für die Frage der Zusammenrechnung abgetretener Ansprüche (7 Ob 85/15y mwN). Zwar wurde in einzelnen Entscheidungen (zusätzlich) geprüft, ob auch die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN erfüllt waren, ob also ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang der Forderungen bestand (vgl etwa 3 Ob 2/11g; 5 Ob 123/12t). Das wird bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft ohnehin regelmäßig zutreffen. Läge hingegen bei Geltendmachen durch die ursprünglich Berechtigten keine materielle Streitgenossenschaft vor, so kann auch ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang der abgetretenen Forderungen nicht zu einer Zusammenrechnung führen (7 Ob 85/15y mwN).

3.3. Nach ständiger Rechtsprechung bilden mehrere aus einem Unfall Geschädigte keine materielle, sondern nur eine formelle Streitgenossenschaft (RIS-Justiz RS0110982). Gleiches gilt für Miterben, die durch ein und dasselbe Verhalten einer Miterbin (2 Ob 215/99b) oder des Verlassgerichts (1 Ob 143/04t; 1 Ob 24/15h) geschädigt wurden. Eine Zusammenrechnung findet daher in diesen Fällen unabhängig davon nicht statt, ob die Geschädigten ihre Ansprüche selbst verfolgen oder einem Dritten abgetreten haben.

3.4. Gleiches gilt auch hier. Die Klägerin bündelt – zulässigerweise (4 Ob 116/05w; 3 Ob 2/11g) – gleichartige Ansprüche, deren ursprünglich Berechtigte aber wegen der Verfolgung ihres je eigenen Schadens nur formelle Streitgenossen gewesen wären. Damit hat eine Zusammenrechnung zu unterbleiben. Der Bewertungs- und Zulassungsausspruch hat sich daher auf jede einzelne der abgetretenen Forderungen (vgl Vorbringen der Klägerin S 3 f in ON 15) zu beziehen.

3.5. Hingegen haften die Beklagten nach dem Klagevorbringen solidarisch. Damit bilden sie eine materielle Streitgenossenschaft, weswegen ein auch nach den Beklagten getrennter Zulassungsausspruch nicht erforderlich ist. An der getrennten Beurteilung der von verschiedenen Geschädigten abgetretenen Forderungen ändert das aber nichts (RIS-Justiz RS0110982).

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