European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00112.17F.1017.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter Z***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er im Sommer 2007 in K*****
(1) die damals 15‑jährige Tochter seiner Lebensgefährtin, J*****, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Händen packte, sie auf ihr Bett stieß, sie dort niederdrückte und gewaltsam entkleidete, sich auf sie legte und, während er sie zur Überwindung ihrer Gegenwehr „an den Handfesseln ihrer über den Kopf zurückgeschlagenen Hände mit der Hand am Bett fixierte“, mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang;
(2) durch das zu (1) geschilderte Verhalten mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Der Einwand, nur im Urteilsspruch, nicht aber in den Entscheidungsgründen sei die Rede von „Handfesseln“ (nominell Z 5 dritter Fall), spricht keinen entscheidenden– nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen – Umstand an und verfehlt damit den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 391). Im Übrigen sollte die vom Erstgericht gewählte Formulierung – aus dem Kontext klar ersichtlich – kein Fesselungsinstrument, sondern die den Übergang vom Unterarm zum Handgelenk bildende Körperregion des Opfers bezeichnen.
Mit (ohne Aktenbezug und losgelöst vom Urteilsinhalt entwickelten) Überlegungen zur Statur des Angeklagten, der „kleinwüchsig und weder korpulent noch größer als die Zeugin J*****“ sei, und daraus abgeleiteten Schlüssen zur Möglichkeit der Durchführung des Geschlechtsverkehrs bekämpft der Angeklagte – abseits der Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (instruktiv dazu statt vieler 13 Os 143/15a) – nur in unzulässiger Weise die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider stützte das Schöffengericht seine den Schuldspruch tragenden Feststellungen keineswegs auf „unstatthafte Vermutungen zu Lasten des Beschuldigten“. Es gründete sie vielmehr – frei von Verstößen gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte – vor allem auf die von ihm als glaubhaft erachteten Angaben der Zeugin J***** zu den äußeren Tatumständen (US 6), woraus es– ebenso willkürfrei – das diesen zugrunde liegende subjektive Handlungselement erschloss (US 7 f).
Das weitere Vorbringen versucht, der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, indem es die (vom Erstgericht bejahte) Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin J***** bezweifelt.
Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also der Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist aber – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt (RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann nur unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]).
Inwieweit die zwischen Tat und Anzeigeerstattung verstrichene Zeitspanne (vgl US 7), die Alkoholisierung des Opfers zur Tatzeit (vgl US 6) und dessen (sonst gutes – vgl US 6) Verhältnis zum Angeklagten die Glaubhaftigkeit welcher Aussagen der tatbetroffenen Zeugin zu welchen entscheidenden Tatsachen aus welchen Gründen ernsthaft infrage stellen sollten, sagt der Beschwerdeführer nicht. Im Übrigen hat das Erstgericht – dem Rechtsmitteleinwand (Z 5 zweiter Fall) zuwider – die diesbezüglichen Beweisergebnisse gar wohl erwogen (US 6 f).
Kein Gegenstand des Zeugenbeweises sind subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge (RIS‑Justiz RS0097540). Schon deshalb waren (bloße) Einschätzungen der Zeuginnen A***** und S***** (etwa darüber, ob sie dem Opfer „glauben“, ob sich dieses ihrer Ansicht nach vor dem Angeklagten „gefürchtet“ habe und ob es „zur Hysterie neige“) nicht erörterungsbedürftig (vgl im Übrigen US 6).
Unter Hinweis auf Letztere sowie auf die zuvor erwähnten – vom Erstgericht ohnehin erörterten – Umstände behauptet der Beschwerdeführer „Zweifel an der Richtigkeit der Aussage“ des Opfers, stellt Spekulationen zu möglichen (vom Erstgericht verneinten – US 6) verleumderischen Motiven an und mutmaßt, bei dem von J***** geschilderten „Vorfall“ könne es sich auch „lediglich um einen Traum gehandelt“ haben.
Damit verkennt er abermals den von jenem einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld verschiedenen Anfechtungsrahmen.
Gleiches gilt, soweit er unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz kritisiert, dass die Tatrichter seiner Einlassung keinen Glauben schenkten (vgl RIS‑Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung folgt (§ 285i StPO).
Anzumerken bleibt, dass die in § 201 Abs 1 StGB normierte Strafuntergrenze mit BGBl I 2013/116 (Inkrafttreten am 1. August 2013) von sechs Monaten auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht wurde. Ansonsten blieb die auf den Sachverhalt anwendbare Normenlage (§ 201 Abs 1 StGB und § 212 Abs 1 Z 2 StGB in Idealkonkurrenz – vgl RIS‑Justiz RS0089011 [T3]) zwischen Tat- (Sommer 2007) und Urteilszeitpunkt unverändert. Somit sind die Tatzeitgesetze – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung – günstiger als das Urteilszeitregime (§ 61 zweiter Satz StGB; RIS‑Justiz RS0119085 [T1]). Die vom Schuldspruch erfasste Tat wäre daher rechtsrichtig der Tatzeitfassung des § 201 Abs 1 StGB (BGBl I 2004/15) zu subsumieren gewesen. Ihre Unterstellung nach der geltenden Fassung dieser Bestimmung, wie sie das Erstgericht vornahm, ist hingegen verfehlt.
Zu amtswegiger Wahrnehmung darin gelegener materieller Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO; vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 653, § 288 Rz 36; noch nicht an der zwischenweilig gefestigten Terminologie orientiert, wenngleich im Ergebnis gleich 11 Os 209/09h) besteht jedoch kein Anlass, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO benachteiligt ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff) und das Oberlandesgericht diesem Umstand – ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung – bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen hat (RIS‑Justiz RS0118870 [insbesondere T8, T9]).
Außerdem wird das Oberlandesgericht die – im angefochtenen Urteil zu Unrecht unterbliebene (Z 11 erster Fall) – Bedachtnahme (§ 31 StGB; RIS-Justiz RS0112524) auf die Urteile des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 5. März 2009, AZ 3 U 33/09x, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Mai 2009, AZ 12 Hv 51/09v (siehe Strafregisterauskunft ON 9), nachzuholen haben (RIS‑Justiz RS0119220 [insbesondere T3]).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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