OGH 13Os143/15a

OGH13Os143/15a27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Michael L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 12 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten S***** GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Juli 2015, GZ 65 Hv 33/14v‑106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00143.15A.0127.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Michael L***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 12 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet (A) und zu verleiten versucht (B), die mehrere Unternehmen mit einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und schädigen sollten, nämlich

(A) vom 1. Mai 2010 bis zum 27. April 2012

I) Verfügungsberechtigte der N***** AG zum Überlassen einer Mietwohnung, indem er den vorsatzlos handelnden Mag. Stefan St***** dazu bestimmte (§ 12 zweiter Fall StGB), im Namen der Ste***** GmbH einen Mietvertrag abzuschließen, was die N***** AG um rund 50.100 Euro am Vermögen schädigte,

II) Verfügungsberechtigte der S***** GmbH zum Überlassen einer Mietwohnung, was dieses Unternehmen um ca 27.000 Euro am Vermögen schädigte,

III) Gewahrsamsträger der L***** GmbH zur Lieferung von Einrichtungsgegenständen, was dieses Unternehmen um etwa 21.900 Euro am Vermögen schädigte, und

IV) Verfügungsberechtigte der B***** GmbH zur Überlassung eines PKW, was dieses Unternehmen um rund 38.700 Euro am Vermögen schädigte, sowie

(B) vom 14. April 2012 bis zum 27. April 2012 Gewahrsamsträger der L***** GmbH zur Lieferung von Einrichtungsgegenständen, was dieses Unternehmen um ca 9.200 Euro am Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 (richtig) lit a, 9 (richtig) lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also ‑ soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) ‑ über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268). Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03; SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).

In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen, was bei ‑ wie hier ‑ umfangreichem Aktenmaterial die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle erfordert (RIS‑Justiz RS0124172).

Das Wesen von Rechts‑ (Z 9 lit a bis c) und Subsumtionsrüge (Z 10) besteht darin, anhand methodischer Ableitung aus dem Gesetz (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569) darzulegen, dass der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810) eine von der bekämpften Entscheidung abweichende rechtliche Beurteilung verlange, wobei im Fall der Z 10 die angestrebte Subsumtion ausdrücklich zu bezeichnen ist (RIS‑Justiz RS0118415 [T3]).

An den dargestellten Kriterien der solcherart nur nominell herangezogenen Nichtigkeitsgründe orientiert sich die Beschwerde nicht.

So lässt das unter dem Titel „Einleitung“ erstattete Vorbringen gar keinen Bezug zu §§ 281 Abs 1 und 281a StPO erkennen.

Zum Schuldspruch A/1 wird ohne inhaltliche Differenzierung „der Nichtigkeitsgrund § 281 Abs 1 Zif 5, 9 und 10 StPO“ angesprochen.

Unter dem Aspekt der Z 5 thematisiert die Beschwerde großteils keine entscheidenden Tatsachen. Überdies argumentiert sie weder auf der rechtlichen Basis der dargestellten Fehlerkategorien noch auf der faktischen Basis der Gesamtheit der tatrichterlichen Erwägungen.

Aus dem Blickwinkel materieller Nichtigkeit (hier Z 9 lit a und b, Z 10) fehlt schon der Bezug zu den Urteilsfeststellungen (US 5 bis 10).

Insgesamt erschöpft sich die Beschwerde darin, aus den vom Erstgericht umfassend erörterten sowie den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend beurteilten (US 10 bis 18) Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswert-erwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten, womit sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) wendet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte