European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110NS00061.17K.0913.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft Graz legt Vytas P***** mit beim Landesgericht für Strafsachen Graz zu AZ 170 Hv 19/17z eingebrachter Anklageschrift als Verbrechen des im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall, 15 StGB sowie als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB beurteiltes Verhalten zur Last, das dieser mit Mittätern zwischen 27. Mai und 28. Mai 2015 in S*****, am 29. Mai 2015 in St***** und am 9. Oktober 2015 in W***** gesetzt haben soll.
Die Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz stützte die Staatsanwaltschaft auf §§ 31 Abs 3 Z 1, 36 Abs 3 StPO.
Der Angeklagte erhob gegen die Anklageschrift keinen Einspruch. Der Vorsitzende des Schöffengerichts hegte Bedenken gegen seine Zuständigkeit und verfügte gemäß § 213 Abs 6 StPO die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht Graz (ON 1 S 81 verso).
Mit Beschluss vom 14. August 2017, AZ 8 Bs 268/17y, legte das Oberlandesgericht Graz die Akten – nachdem es das Vorliegen der in § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO genannten Einspruchsgründe verneint (RIS-Justiz RS0124585) und über die Haft entschieden hatte (§ 214 Abs 3 StPO) – gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.
Nach § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.
Nach § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im – hier vorliegenden – Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Das Verfahren kommt– abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Fällen des § 37 Abs 2 erster Satz StPO – nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Von dieser Grundsatzregelung sieht § 37 Abs 2 dritter Satz StPO eine der Verfahrensökonomie dienende Ausnahme für den Fall vor, dass für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Landesgericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll (RIS-Justiz RS0124935, RS0125227).
Die zeitliche Abfolge bleibt demnach – soweit hier wesentlich – nur außer Betracht, wenn die Anklage zumindest eine im Sprengel der anklagenden Staatsanwaltschaft verübte Straftat enthält.
Vorliegend fand nach der Aktenlage keiner der von der Anklage umfassten Einbruchsdiebstähle im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Graz (vgl § 37 Abs 2 dritter Satz StPO) statt.
Die demnach für die Beurteilung nach § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO maßgebliche (früheste) Tat (Anklagefaktum I./1./a./) wurde in S*****, somit im Sprengel des Landesgerichts St. Pölten begangen, weswegen für das Hauptverfahren das Landesgericht St. Pölten als Schöffengericht zuständig ist.
Demnach war die Sache dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen hat.
Anzumerken bleibt, dass bei Übermittlung der Sache an ein anderes Oberlandesgericht als jenes, das – wie hier das Oberlandesgericht Graz – die der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorgeschaltete Prüfung nach § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO mit negativem Ergebnis vorgenommen hatte, keine Bedenken gegen eine pauschale Verweisung durch das dann (erstmals) befasste Oberlandesgericht auf die Begründung des bloß zur vorläufigen (nicht bindenden) Prüfung aufgerufenen Oberlandesgerichts bestehen, soweit es dessen Beurteilung teilt (RIS-Justiz RS0125228).
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