OGH 3Ob139/17p

OGH3Ob139/17p30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei Alpenländische Z***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch MMag. Stefan Zajic, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 56.180,50 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. Mai 2017, GZ 1 R 75/17f‑16, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 21. März 2017, GZ 1 Cg 5/17f‑12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00139.17P.0830.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.251,44 EUR (darin 375,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 13. Jänner 2016 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger begehrt von der in Innsbruck ansässigen Beklagten Zahlung von 56.180,50 EUR sA. In seiner zunächst beim Landesgericht Salzburg eingebrachten Klage stützte er dessen Zuständigkeit auf eine Gerichtsstandsvereinbarung und brachte vor, die Schuldnerin habe der Beklagten für die Überlassung von Arbeitskräften den Klagebetrag verrechnet. Für den Fall, dass die Beklagte einredeweise behaupten sollte, ihr sei eine Gutschrift über 8.765 EUR für „überprüfte Rechnungsreklamationen“ erteilt worden, werde aus rechtlicher Vorsicht diese Gutschrift nach den Bestimmungen der IO wegen Benachteiligungsabsicht, Vermögensverschleuderung, Begünstigung und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit angefochten.

Das Landesgericht Salzburg wies die Klage a limine zurück. Die vom Kläger erhobene Anfechtungsreplik begründe die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenz-gerichts. Gerichtsstandsvereinbarungen seien nicht zulässig.

Nach der – über Antrag des Klägers erfolgten –Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und Überweisung an das Landesgericht Wels erließ dieses den beantragten Zahlungsbefehl.

Die Beklagte wandte in ihrem Einspruch örtliche Unzuständigkeit ein.

Das Erstgericht wies die Unzuständigkeitseinrede nach abgesonderter Verhandlung zurück. In allen Fällen der Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Masseverwalter, also auch bei Erhebung einer Anfechtungsreplik, sei das Insolvenzgericht ausschließlich zuständig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge, wies die Klage zurück und ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, ob § 43 Abs 5 IO auch anwendbar sei, wenn der Insolvenzverwalter das Anfechtungsrecht einredeweise gegen eine Aufrechnungseinrede der Beklagten ausübe.

Rechtlich vertrat es die Auffassung, § 43 Abs 5 Satz 2 IO ordne nur eine ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Anfechtungsklagen an. Dagegen spreche auch nicht der Zweck der Zuständigkeitsbestimmung, Anfechtungsprozesse während eines Insolvenzverfahrens zu beschleunigen und eine einheitliche Beurteilung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit zu ermöglichen: Die Gegeneinrede des Insolvenzverwalters gegen einen möglichen Einwand des Beklagten entfalte überhaupt nur Relevanz, wenn die Klageforderung zu Recht bestehe. Die Zuständigkeit könne nicht von der Vorhersehbarkeit der Erhebung einer Gegenforderung abhängig gemacht werden.

Der Kläger begehrt mit seinem Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Der Beklagte, der am Verfahren vor dem zuerst angerufenen Gericht noch nicht beteiligt war, kann nach Überweisung gemäß § 230a ZPO jede Unzuständigkeit mit Einrede geltend machen. Er kann sich dabei auch auf die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts stützen (RIS‑Justiz RS0039113).

2. Hier hat die Beklagte allerdings die örtliche Unzuständigkeit nur im Hinblick auf ihren Sitz und im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des § 43 Abs 5 IO eingewendet. Es ist daher auch nur diese Frage Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

3. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Rekursgerichts, auf die verwiesen wird (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist hinzuzufügen:

3.1 Für die Zuständigkeitsprüfung sind die Klagebehauptungen zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0046236; Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 41 JN Rz 2).

3.2 § 43 Abs 5 IO ordnet die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Anfechtungsklagen an (vgl zur Unterscheidung zwischen solchen und der Anfechtung durch Einrede: jüngst 3 Ob 14/17f). Dass § 43 Abs 5 IO nicht auf den Fall einer Einrede des Masseverwalters auf eine Einrede des Beklagten („Anfechtungsreplik“; vgl dazu König , Die Anfechtung nach der Insolvenzordnung 5 , Rz 17/48) anzuwenden ist, ergibt sich schon aus dem Grundsatz, dass der hier für die Zuständigkeitsprüfung iSd § 43 Abs 5 IO maßgebliche Streitgegenstand durch den Sachantrag und die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen bestimmt wird, nicht aber durch (vorweggenommene) Repliken auf vom Beklagten eingewendete anspruchsvernichtende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0039255; 9 ObA 366/89 SZ 63/43). Hier stützt der Kläger sein Begehren auf eine Entgeltforderung für die Überlassung von Arbeitskräften. Seine Gegeneinrede der Anfechtbarkeit in Bezug auf ein Teilbegehren über 8.765 EUR hat er nur bedingt – für den Fall eines entsprechenden Einwands der Beklagten im Verfahren über die Klage – erhoben.

3.3 Aber auch der Zweck der Zuständigkeits-bestimmung des § 43 Abs 5 IO, der in einer einheitlichen Beurteilung des Zeitpunkts des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit liegt (RIS‑Justiz RS0046571), steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Im Einklang mit dem aus den österreichischen Zuständigkeitsvorschriften ableitbaren und der Rechtssicherheit dienenden allgemeinen Grundsatz soll das Ergebnis der Zuständigkeitsprüfung nämlich nicht davon abhängen, ob und welche Sacheinwendungen der Beklagte gegen das Klagebegehren erhebt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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